WM 2023: Afghanistans Frauenteam mit Hoffnung und Angst
4. August 2023Die Szenen auf dem Flughafen von Kabul vor zwei Jahren erschütterten die Welt. Unter den verzweifelten Menschen, die im August 2021 vor den Taliban zu fliehen versuchten, war auch die Torhüterin der Fußball-Nationalmannschaft, Fatima Yousufi. Bald darauf versuchte sie, in einem ihr völlig fremden Land eine neue Heimat zu finden.
"Wir sind nach Australien geflohen. Ich wusste nicht, wie weit es von Afghanistan entfernt ist", sagt sie der DW in Melbourne. "Das Einzige, was ich kannte, war das Opernhaus von Sydney aus [dem Disney-Film] 'Findet Nemo'. Zu diesem Zeitpunkt war es für uns nicht wichtig, wohin wir gingen, denn das Wichtigste war, unser Leben zu retten."
Den Weg nach Australien nahm Yousufi nicht alleine auf sich. Sie wurde von den meisten ihrer Teamkolleginnen begleitet, unterstützt von der ehemaligen afghanischen Spielführerin Khalida Popal und dem ehemaligen australischen Nationalspieler und Menschenrechtsaktivisten Craig Foster. Yousufi gelang die Flucht, aber nicht alle aus ihrer Familie haben es ebenfalls aus Afghanistan heraus geschafft.
"Es ging einfach alles so schnell. Wir haben unsere Entscheidungen so schnell getroffen, dass wir unsere Lieben zurücklassen mussten", sagt Yousufi. "Unsere Familien sind unsere Unterstützer, und sie haben versucht, uns dabei zu helfen, uns in Sicherheit zu bringen. Weil sie wussten, dass wir ein Ziel waren."
Ein neues Leben, ohne geliebte Menschen
Yousufi lebt jetzt gemeinsam mit drei Geschwistern zusammen, während ein weiteres Geschwisterteil und ihre Eltern in Pakistan warten, in der Hoffnung, zu ihr nach Australien zu kommen. Sie ist, relativ gesehen, eine der Glücklichen.
"In Melbourne habe ich keine Familie", erklärt dagegen Stürmerin Manozh Noori gegenüber DW. "Meine ganze Familie ist in Pakistan. Das Gleiche gilt für die Familien vieler meiner Mannschaftskameraden, sie sind alle in Pakistan und warten darauf, nach Australien nachkommen zu können."
Es sei immer noch schwer für sie, alleine zu leben, gibt Noori zu. "In Afghanistan hatte ich eine große Familie. Meine Mutter, mein Vater, meine Schwester und mein Bruder", sagt sie. "Aber hier bin ich allein, und das Leben ist ganz anders."
Die Mitglieder der Nationalmannschaft, die es nach Australien geschafft haben, spielen jetzt für den Profiklub Melbourne Victory in der sechsten australischen Fußballliga, was vor allem Popal und Foster zu verdanken ist. "Unser Team ist für jeden von uns wie eine zweite Familie. Wir haben unsere erste Familie damals in Afghanistan verloren", sagt Yousufi, die große Sorgen hatte, dass das Nationalteam durch die Flucht getrennt und auseinanderbrechen würde.
"Aber ein Wunder ist geschehen, und es ist erstaunlich, dass wir jetzt als Team spielen", sagt sie. "Wir haben viel durchgemacht, und es wäre schwierig gewesen, wenn wir getrennt worden wären. Deshalb ist es großartig für uns, dass wir jetzt zusammen sind."
Die Weltmeisterschaft bleibt der Traum
Ein wunder Punkt bleibt, dass das afghanische Frauen-Team als Exilmannschaft von der FIFA nicht mehr anerkannt wird. Der Schmerz ist umso größer, wenn man bei der WM in Australien miterlebt, wie andere Nationen ein Fußballfest feiern.
"Seit ich hierhergekommen bin, habe ich immer gesagt, dass es einer meiner größten Träume ist, bei der Weltmeisterschaft zu spielen und dort mein Land zu vertreten", sagt Yousufi, die auch Kapitänin der Nationalmannschaft ist. "Als Spielerin, die früher einmal für ihr Land aufgelaufen ist, ist es schwer, wenn man dieses Recht nicht mehr hat."
Das afghanische Team werde für seine Träume kämpfen, sagt Yousufi, auch weil man schon so viel durchgemacht habe. Durch die Flucht habe man eine zweite Chance bekommen. "Jetzt müssen wir diese Chance nutzen, um das Land zu vertreten, um die Mädchen und unsere Schwestern und Mütter zu vertreten, die noch immer in Afghanistan sind und unter einer Situation leiden, in der sie nicht das Recht haben, zu spielen, rauszugehen und eine Ausbildung zu machen. Nicht das Recht, sie selbst zu sein."
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.