Schöner wohnen für alle
30. Januar 2014Es war kein schöner Anblick, der sich Klaus Graniki beim Betreten der Wohnungen bot. Nach zähen Verhandlungen hatten er und seine Kollegen eines Wohnungsunternehmens sich endlich mit den Haus-Besitzern einigen können. Nun waren sie zur Übergabe gekommen. Durch die Müllabfuhr hatte Graniki schon erfahren, dass in manchen Objekten offenbar bis zu 100 Menschen leben würden. An jenem Tag aber war von ihnen keine Spur mehr - regelrecht verwaist sei eine Reihe von Häusern gewesen. Geblieben waren die Matratzen, auf denen die Menschen offenbar geschlafen hatten. Und Ungeziefer und Ratten.
Schrottimmobilien sollen von Städten aufgekauft werden
Klaus Graniki ist Geschäftsführer der Dogewo 21, einem kommunalen Wohnungsunternehmen in Dortmund. 90 Prozent davon gehören der Stadt, der Rest der Sparkasse. In der letzten Zeit hat die Firma 15 Häuser mit insgesamt 126 Wohnungen aufgekauft und saniert. Darunter waren einige "Schrottimmobilien". Das sind heruntergekommene Häuser, die schon lange leer stehen und am freien Wohnungsmarkt nicht mehr zu verkaufen sind.
Momentan tauchen diese Immobilien immer wieder im Zusammenhang mit der sogenannten Armutszuwanderung auf. Denn die maroden Häuser und Wohnungen werden in vielen Städten vor allem an Zuwanderer vermietet - zu oft völlig überhöhten Preisen. Weil vielen Kommunen häufig sowohl die rechtliche Handhabe als auch das Personal fehlt, um dagegen vorzugehen, greift Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) ein. Sie will den Aufkauf und die Sanierung solcher Immobilien ausbauen. Hendricks hat dafür eine Ausweitung der Städtebauförderung von bisher 40 Millionen Euro auf 150 Millionen Euro in Aussicht gestellt.
Skrupellose Eigentümer suchen Profit
Mit dem Geld wolle man konkrete Hilfe leisten, sagte die Ministerin nach einem Treffen mit Oberbürgermeistern und Landesvertretern. Anfang Februar solle eine Unterarbeitsgruppe in ihrem Ministerium über rasche konkrete Hilfe beraten. "Niemand von uns will das Problem abschieben", fügte Hendricks hinzu. Über die Verteilung der zusätzlichen Mittel sollten am Ende aber die Länder entscheiden. Sie müssten dann jene Kommunen benennen, in denen die Not am größten ist.
Im Ruhrgebiet sind das vor allem die Städte Duisburg, Gelsenkirchen und Dortmund. Skrupellose Hauseigentümer haben dort ein leichtes Spiel mit den immer gleichen Opfern. Viele Einwanderer sind bereit für einen Schlafplatz überteuerte Beträge zu zahlen - egal, wie der aussieht.
Ein Matratzenplatz für 300 Euro
Dogewo21-Geschäftsführer Graniki erzählt von einem Fünf-Familien-Haus in Dortmund, in dem er 70 bis 80 Matratzen vorfand. Außerdem komme es häufig vor, dass Eigentümer keine Vorauszahlungen für Gas, Wasser oder Strom leisten. Die Reaktion der zuständigen Versorgungsunternehmen: Sie nehmen die Häuser vom Netz. Zurück bleiben Menschen, die im Winter ohne Heizung auskommen müssen. Und die Vermieter solcher Objekte sind oft nicht erreichbar.
Graniki kennt solche Eigentümer aus Kaufverhandlungen: "Da sitzt man oft mit Leuten am Tisch, die sich sonst im Rotlicht- und Drogenmilieu bewegen." Vielen dieser Eigentümer wachse die "Matratzenvermietung" irgendwann über den Kopf.
Doch: "Bis sie soweit sind, an uns zu verkaufen, vergehen manchmal bis zu drei Jahre." Danach versuchen Graniki und seine Kollegen diese Objekte wieder bewohnbar zu machen - auch indem sie die Sozialstruktur umkrempeln. Zuwanderer seien da nach wie vor willkommen: Hausgemeinschaften dürften lediglich nicht überfordert werden, sagt Graniki, aber die Herkunft der Mieter sei wirklich nebensächlich. "Dem Thema Migration müssen wir uns stellen."
Nicht die Menschen sind das Problem
583.000 Menschen leben in Dortmund. Knapp 81.000 sind Ausländer. 4500 stammen aus Rumänien und Bulgarien. Ein Zuwanderer-Ansturm aus diesen beiden Ländern ist bislang nicht zu verzeichnen - trotz der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit, die seit Januar auch für Bulgaren und Rumänen gilt. Dennoch ist die Angst vor sogenannter Armutszuwanderung ein großes Thema in Dortmund.
Auch die Fachhochschule Dortmund befasst sich damit. Ab dem Wintersemester 2014/2015 können 35 Studenten hier das eigens eingerichtete Fach "Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Armut und (Flüchtlings-)Migration" studieren. In Kooperation mit der Stadt habe man mit der Einführung auf die Arbeitszuwanderung aus Osteuropa reagiert, sagt Sonja Grabowsky, Vertretungsprofessorin an der FH Dortmund. In einem Wechselspiel zwischen Praxis und Theorie werden die Studenten die speziellen Bedürfnisse der Zuwanderer kennen lernen.
Finanziert wird das Ganze mit Geld aus dem europäischen Sozialfonds. Bundesbauministerin Hendricks lässt prüfen, inwieweit Mittel aus demselben Topf auch für Projekte eingesetzt werden können, die die Folgen der Armutsmigration betreffen.