Immobilien: Migranten oft diskriminiert
29. Januar 2020"Ein Zimmer, Küche, Bad, 40 Quadratmeter, sofort zu vermieten, an Deutsche." Hamado Dipama war von dem Wohnungsangebot in der bayrischen Stadt Augsburg begeistert, und noch bevor er richtig zu Ende gelesen hatte, nahm er den Hörer in die Hand und rief den Vermieter an. Weit kam der Mann aus Burkina Faso aber nicht: Als der Vermieter seinen Namen hörte, legte er direkt wieder auf. "Nur an Deutsche" - diesen Passus hatte Dipama überlesen. Und tatsächlich: Als wenig später ein deutscher Freund von ihm testweise für die gleiche Wohnung anrief, bekam dieser direkt einen Besichtigungstermin.
Fälle wie der von Hamado Dipama sind in Deutschland offenbar nicht selten - das zeigt jetzt eine neue Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Laut einer repräsentativen Umfrage hat mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Wohnungssuchenden mit Migrationshintergrund schon einmal Diskriminierungen wegen ihrer Herkunft erlebt. Nicht in allen Fällen wurden "Nichtdeutsche" direkt in der Anzeige ausgeschlossen wie im Fall von Hamado Dipama. 53 Prozent berichten, erst im späteren Verlauf aufgrund ihrer Herkunft ausgeschlossen worden zu sein. Ein Viertel immerhin gibt an, bei ihnen sei eine höhere Miete beziehungsweise ein höherer Verkaufspreis der Immobilie veranschlagt worden als bei deutschen Bewerbern.
Bestehende Gesetze greifen oft nicht
Eigentlich sollten solche Formen der Benachteiligungen gar nicht möglich sein. Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, macht im DW-Interview klar: "Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist gesetzlich verboten. Betroffene sollten sich über ihre Rechtslage informieren und wenn möglich gegen Benachteiligungen vorgehen."
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung in vielen Lebensbereichen - auch beim Wohnraum. Sechs Diskriminierungsgründe zählt das Gesetz auf: Alter, Behinderung, Herkunft, Geschlecht, Weltanschauung und sexuelle Identität. Ein Problem dabei: Fast die Hälfte der Betroffenen hat von dem Gesetz laut Studie noch nie gehört. Die Zahl derer, die sich tatsächlich beschweren, liegt noch niedriger. "Menschen gehen selten dagegen vor. Das liegt aber auch an den Gesetzen selbst", so Franke. "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz kennt viele Ausnahmen, die zum Beispiel private Vermieter betreffen, die nur eine Wohnung in einem Haus besitzen."
Antidiskriminierungsgesetz oft unbekannt
Noch andere Gründe sorgten dafür, dass es breite Gesellschaftsgruppen gibt, die von bestehenden Gesetzen keinen Gebrauch machen, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. "Viele fühlen sich dem Vermieter hilflos ausgeliefert", so Schneider im Interview mit der DW. Das liege auch am extrem angespannten Wohnungsmarkt in Deutschland. "Es gäbe für das Problem eine simpel klingende Lösung", so Schneider. "Wir brauchen einfach mehr Wohnungen. Wenn es ausreichend Wohnungsbestände gäbe, würde die Frage der Diskriminierung faktisch ins Leere laufen."
Erstaunlich an der Studie: Zwar gaben 83 Prozent der Befragten an, dass rassistische Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt ihrer Ansicht nach häufig vorkämen - allerdings sagten auch 41 Prozent, dass die Vorstellung, eine eigene Wohnung an eine zugewanderte Person zu vermieten, bei ihnen für Bedenken sorgen würde. Für Bernhard Franke nicht ganz überraschend. "Hier zeigt sich, dass die Vorbehalte gegenüber Einwanderern und Einwanderinnen - trotz bestehendem Problembewusstsein - zunehmen, je näher die Situation in die Privatsphäre hineinreicht."
Sozialverband sieht strukturelles Rassismusproblem
Ulrich Schneider führt die Studienergebnisse auf ein strukturelles Gesellschaftsproblem zurück: "In Deutschland herrschen enorme Vorurteile gegenüber Ausländern oder Menschen ausländischer Herkunft. Das sind genau die Strukturen, die es einer Partei wie der Alternative für Deutschland ermöglichen, ihr rechtes Süppchen zu kochen." Um das Problem auf dem Wohnungsmarkt zu beseitigen, müsse es jetzt Aufklärungskampagnen geben, so Franke. "Vermieter müssen wissen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen - und Wohnungsbewerber müssen ihre Rechte kennen."
Hamado Dipama aus Burkina Faso, der als Bewerber abgewiesen wurde, kannte im Übrigen seine Rechte - und machte sie geltend. Das Ergebnis: Im Dezember 2019 verurteilte das Amtsgericht Augsburg den Vermieter zu einer Geldstrafe von 1000 Euro.