Astronaut Worden
26. Januar 2015DW: Herr Worden, was kommt Ihnen heute in den Sinn, wenn Sie den Mond sehen?
Alfred M. Worden: Es ist mehr als 43 Jahre her, dass ich dort war. Da sind die Erinnerungen schon blass und es wird schwer, das wieder hochzuholen. Aber ich sage Ihnen - wenn der Mond gut zu sehen ist und vor allem wenn ich junge Leute bei mir habe, dann nutze ich ihn als Hilfsmittel, um Begeisterung für Astronomie und Raumfahrt zu wecken. Ich nutze den Mond und schaue ihn nicht nur an und philosophiere.
Sie haben die Sternstunden der Raumfahrt miterlebt - die Apollo-Ära. Wie war das damals?
Jeder, der an dem Programm beteiligt war, hatte nur ein Ziel: Bring die Jungs zum Mond und wieder sicher zurück. Es gab keinerlei Bürokratie. Wenn wir ein Problem hatten, dann haben wir uns an einen Tisch gesetzt, diskutiert und danach entschieden, was wir tun. Wir haben erst mal jeden angehört und uns dann eine Meinung gebildet. So konnten wir viele technische Fragen schnell klären und zu den richtigen Ergebnissen kommen. Niemand versuchte, seine Position auszubauen oder seinen Job zu erhalten. Wir hatten keine Manager, die sich nach oben drängelten in höhere Positionen. Jeder gab sein Bestes, um zum Mond zu kommen.
Heute haben wir das komplette Gegenteil. Die NASA ist sehr bürokratisch geworden, wie jede andere Regierungsbehörde. Die Devise lautet: Ich werde alles tun, um meinen Job zu behalten. Das muss aber nicht bedeuten, dass du das tust, was nötig ist um ein Ziel zu erreichen. Das sind unterschiedliche Dinge.
Was ist passiert?
In den späten 70er Jahren haben wir einen großen Rückschritt gemacht als beschlossen wurde, das Space Shuttle zu bauen - meiner Meinung nach ein großer Fehler. Das Shuttle ist eine sehr komplizierte Maschine. Es konnte ein paar ungewöhnliche, spektakuläre Dinge wie vertikal starten und horizontal landen. Aber vom technischen Standpunkt aus gesehen haben wir eine 280.000 Pfund schwere Maschine an die Rampe gebracht, um 25.000 Pfund in den Weltraum zu bringen, zur Internationalen Raumstation ISS.
Hätten wir die Saturn-V-Rakete als Raumtransporter erhalten, könnten wir acht Mal so viel in den Erd-Orbit bringen. Was ich interessant finde: Jetzt kehren wir zurück zum Saturn-V-System für die künftigen Programme. Das Orion Raumschiff ist eine Kopie des Apollo-Schiffs aus Karbon-Fasern.
Ich bin enttäuscht vom Raumfahrtprogramm der letzten 30 Jahre. Und ich tue mich schwer mit der Internationalen Raumstation. Ich denke, politisch gesehen ist sie eine gute Sache, hat viele Länder zusammengebracht. Aber ich zweifle an dem, was wir bekommen haben für die 100 Milliarden Dollar. Das ist eine Menge Geld.
Andererseits - wenn die Raumstation dafür genutzt würde, wofür sie meiner Meinung nach genutzt werden sollte, dann wäre sie eine Investition in die Zukunft. Der eigentliche Nutzen ist doch: Du kannst jede Art von Kraftstoff in kleinen Portionen nehmen und dort in einen großen Tank packen. Und wenn du bereit bist, zum Mars zu fliegen, nimmst du diesen Tank, lädst ihn unter dein Raumschiff und ab geht es! Statt zu versuchen, all den Treibstoff auf ein Mal von der Erde weg zu bekommen. Ich glaube, es gibt eine Menge Potenzial da draußen. Aber ich bin nicht sicher, dass wir es richtig nutzen.
Sollten wir zum Mond zurückkehren?
Ich sehe keinen Nutzen darin. Warum sollten wir zurückkehren zum Mond? Um ihn noch weiter zu erforschen? Müssen wir ihn noch weiter erforschen? Ich glaube das nicht. Der Mond ist ein sehr, sehr winziger Schritt auf dem Weg ins All.
Was waren die größten Herausforderungen für Sie auf dem Weg zum Mond?
Auf der technischen Seite war die erste Herausforderung die Abtrennung der Mondlandefähre von der Saturn-V-Rakete. Das war ein sehr delikates Manöver. Wenn das nicht richtig ausgeführt worden wäre, hätten wir den Flug abbrechen müssen.
Das nächste war dann, zu navigieren. Auch eine sehr heikle Sache. Wir hatten einen Sextanten, wie ihn auch die alten Seefahrer schon genutzt haben. Einen kleinen Sextanten auf die Sterne auszurichten, die Winkel zu bestimmen, den Computer dazu zu bringen, all das zu berechnen. Und dann zu sehen, dass wir die gleichen Informationen haben, die gleichen Lösungen, die Houston hat.
Da ist höchste Präzision gefordert. Du musst das Raumschiff sehr ruhig halten, es darf sich nicht bewegen. Aber ein Raumschiff, das zum Mond fliegt, kannst du sehr leicht in Bewegung versetzen. Schon allein, indem du dich umdrehst.
Sie haben den Mond gar nicht gesehen während des Anflugs?
Den siehst du nicht. Nein. Du musst schon wissen, wo du hinfliegst. Du musst dem Mond vorausfliegen, um ihn zu treffen. Er bewegt sich ja um die Erde.
Den Mond umrunden, allein in einer kleinen Kapsel, weit entfernt von der Erde. Klingt furchteinflößend..
Ich hab es geliebt! Immer auf der Rückseite musste ich nicht mit Houston sprechen. Das war der beste Teil des Flugs. Ich hab es voll genossen, nicht mit Houston reden zu müssen. Da konnte ich ganz für mich sein. Isoliert, würde man sagen. Niemand nervte mich, das liebe ich. Ich konnte mich auf das konzentrieren, was ich zu tun hatte. Musste niemand anderen auf dem Laufenden halten, was ich mache.
Während der Mondumrundungen haben Sie auch noch ausgeklügelte Forschung betrieben...
Sehr viel wurde mit Instrumenten gemacht, die ich an Bord hatte. Die Abtastung unterschiedlicher Mond-Regionen, um deren chemische Beschaffenheit zu erkunden. Ein Viertel der Mondoberfläche habe ich fotografiert. Und wir haben all diese Schwachlicht-Phänomene untersucht.
Es gibt da etwas, das wird "Gegenschein" genannt. Das sind Gesteinsbrocken, die sich nie zu einem Planeten verbunden haben. Sie ziehen außerhalb unseres Planetensystems ihre Bahn. Sie umrunden die Sonne genau wie ein Planet.
Wenn du in Chile auf einem Berggipfel stehen würdest, dann könntest du den Gegenschein sehen. Weil dort die Atmosphäre sehr dünn ist. Du brauchst ein Teleskop, dann würdest du eine schwache Linie aus Licht da draußen sehen. Ich habe Aufnahmen davon gemacht. Das ist etwas, das mich sehr fasziniert hat.
Sie haben als erster Amerikaner einen Außenbordeinsatz in großer sehr Entfernung zur Erde absolviert
Ja, um die Filmkanister von den zwei großen Kameras zu holen. Das war sehr einfach. Ich hatte das trainiert und trainiert und trainiert. Und dann haben wir den Ausstieg gemacht. Und ich habe den ersten Kanister geholt und danach den zweiten und auf die Uhr geschaut: Heiliger Strohsack!!! Ich bin ja erst 15 Minuten draußen! Das war wohl der kürzeste Ausstieg, der je gemacht wurde. Ich stand dort eine Weile und habe mich umgeschaut. Aber du kannst dort draußen die Zeit auch nicht totschlagen. Ich habe mich eine Weile umgesehen. Das war schon schön. Ich habe mir den Mond, die Erde und alles Mögliche angeschaut, ungefähr zehn Minuten lang. Dann ging ich wieder rein und das war's.
Wie ist es, den Mond zu verlassen, wenn du weißt: Hierher kommst du nie wieder zurück?
Wir waren uns dessen sehr bewusst, dass wir nicht zurückkommen. Aber das ist in Ordnung. Wenn du den Mond einmal gesehen hast, hast du ihn immer gesehen. Außer Geologen interessiert sich kaum jemand dafür herauszufinden, was es mit dem Mond auf sich hat.
Wenn wir etwas Positives mit ihm machen können, etwa lernen, wie man auf dem Mond Pflanzen züchtet, das wäre etwas! Aber das werden sie auf dem Mars machen, wer weiß. Aber der Mond: phantastisch anzuschauen. Das ist wie ein Besuch in Disney World. Wenn du da warst, sagst du: Es war eine wunderbare Erfahrung. Aber ich muss nicht wirklich dort hin zurück.
Apropos Rückkehr. Worauf haben Sie sich am meisten gefreut? Auf die Dusche?
Hmm (lacht)... Ein Glas Wodka war es für mich. Ja! Wenn ich aus dem Raumschiff steige, dann sollte dort ein Typ mit einem Glas eisgekühltem Wodka stehen. Aber statt Wodka hatte er Bier. Da habe ich halt ein Bier getrunken.
Die Fragen stellte Cornelia Borrmann.