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Deutsch-türkischer Haussegen hängt schief

29. April 2014

Der türkische Regierungschef Erdogan ist empört über Bundespräsident Gauck: Die Deutschen sollten lieber Anschläge auf Türken aufklären, als Ratschläge zu erteilen. Jetzt kontert Gauck: "Ich war noch zurückhaltend".

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Bundespräsident Gauck beim türkischen Ministerpräsidenten Erdogan (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Jesco Denzel/Bundespresseamt

Es hätte so schön werden können. Zusammen mit seinem türkischen Kollegen Abdullah Gül eröffnete Bundespräsident Joachim Gauck die Deutsch-Türkische Universität (TDU) in Istanbul. Die Hochschule sei "ein Ort interkultureller Begegnung, der besonders dafür prädestiniert ist, junge Menschen aus der Türkei und aus Deutschland zusammenzuführen", sagte Gauck. Auch Gül lobte das Projekt. Anschließend trafen sich beide Staatsoberhäupter in Güls Residenz am Bosporus-Ufer zum Mittagessen. Doch da hing der deutsch-türkische Haussegen schon schief.

Noch während die TDU-Zeremonie hatte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sich zu Wort gemeldet. Gauck und Erdogan hatten am Montag zwei Stunden lang miteinander gesprochen, Inhalte der Unterredung waren zunächst nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, ebenso wenig wie die Eindrücke, die Erdogan von anderen Äußerungen Gaucks gewonnen hatte. Das holte der Regierungschef am Vormittag nach - mit deutlichen Worten.

Erdogan: Gaucks Aussagen „sehr seltsam“

"Er hält sich wohl immer noch für einen Pastor, er war ja mal einer", sagte Erdogan über den früheren protestantischen Geistlichen Gauck. Obwohl in Deutschland mit den NSU-Morden an Türken und Brandstiftungen an türkischen Wohnhäusern genug im Argen liege, wolle der deutsche Bundespräsident den Türken gute Ratschläge in Sachen Demokratie erteilen. Gaucks Aussagen seien "sehr seltsam" gewesen, so Erdogan.

Gauck hatte am Montag vor Gefahren für die Demokratie durch Einschränkungen von Meinungs- und Pressefreiheit sowie Eingriffe in die Gewaltenteilung gewarnt. Er zeigte sich besorgt über ein neues Gesetz, das dem türkischen Geheimdienst mehr Macht gibt, sowie über das gewaltsame Vorgehen gegen Straßenproteste in den vergangenen Monaten. Er forderte Respekt vor den Minderheitenrechten und kritisierte Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit durch das Verbot der Internetdienste Twitter und YouTube sowie durch die Entlassung kritischer Journalisten.

Gauck weist Kritik zurück

Gleichzeitig hatte der Bundespräsident betont, er äußere sich als Freund der Türkei und als jemand, der in der DDR lange ohne die Garantie der Grundrechte auskommen musste. Erdogan empfand die Äußerungen des Bundespräsidenten dennoch als "eines Staatsmannes unwürdig". Das könne nicht unbeantwortet bleiben. "Eine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten nehmen wir nicht hin", sagte der türkische Regierungschef. Im türkischen Internet wurde daraufhin gewitzelt, dass Erdogan jetzt wohl auch bei den deutschen Behörden die Überstellung von Joachim Gauck beantragen werde - eine Anspielung auf Erdogans Forderung an die USA an, seinen Erzfeind Fetullah Gülen auszuliefern. Erdogan beschuldigt Gülen, hinter den Berichten über Korruptionsskandale zu stehen, welche die türkische Regierungsspitze seit Dezember erschüttern.

Gauck wies die Vorwürfe Erdogans zurück: "Ich habe mir erlaubt, das zu tun, was ich immer tue. Nämlich die kritischen Themen, die in einer Gesellschaft diskutiert werden, aufzunehmen", sagte der Bundespräsident. Das sei normal unter Freunden. "Ich habe nichts erfunden. Ich bin eher noch zurückhaltend gewesen." Insgesamt sei von seinem Besuch ein Signal der Freundschaft und des Respekts ausgegangen, sagte Gauck mit Blick auf das Engagement der Türkei bei der Versorgung von mehreren hunderttausend syrischen Flüchtlingen. Das dürften Erdogan und seine Anhänger ganz anders sehen: So wie von Gauck ist der türkische Ministerpräsident noch nie in aller Öffentlichkeit von einem deutschen Spitzenpolitiker kritisiert worden.

cr / kle (afp, dpa)