Wozu dient das Nuklear-Programm des Iran?
4. April 2005DW-WORLD: Herr Thränert, können die Iraner eine Atombombe bauen?
Oliver Thränert: Iran ist dabei die Voraussetzung zu schaffen, indem sie eine Urananreicherungsanlage in Natans bauen. Urananreicherung ist eine Möglichkeit, um die Atomwaffe zu bauen. Gleichzeitig sind sie dabei, einen Schwerwasserreaktor zu bauen, aus dem man Plutonium gewinnen könnte. Plutonium ist der zweite Weg, um eine solche Bombe zu bauen. Iran deklariert beide Entwicklungsschritte als zivile Vorhaben, woran allerdings sowohl Europäer als auch Amerikaner aus verschiedenen Gründen ihre Zweifel haben.
Was tun die Europäer, um den Iran von seinem Nuklear-Programm abzubringen?
Die Europäer und die Amerikaner wollen die Iraner nicht völlig von der Nutzung der Nuklear-Technik abschneiden. Sondern sie wollen ihnen weiter erlauben, zum Beispiel Leichtwasser-Reaktoren zu nutzen. Die Europäer wären sogar bereit, Iran einen Leichtwasser-Reaktor (ein Atomkraftwerk, Anm. d. Red.) zu verkaufen, wenn Iran auf die Schwerwassertechnologie verzichtet, die im Hinblick auf die militärische Nutzung sehr gefährlich ist.
Was ist das Ziel der EU bei den Gesprächen mit dem Iran?
Worum es auf alle Fälle geht, ist Iran zu überreden, alles zu unterlassen, was zu einem vollständigen nuklearen Brennstoffkreislauf führt, das heißt zur eigenständigen Urananreicherung. Das ist eine sehr gefährliche Technologie, über die zurzeit nur zehn Staaten verfügen - und die meisten davon haben zugleich auch Atomwaffen. Wenn man einmal über diese Technik verfügt, kann man solche Anlagen nutzen, um damit Uran zu fünf Prozent anzureichern und damit Brennstäbe für Reaktoren zu bauen - oder man reichert es bis zu 90 Prozent an und nutzt es, um Kernwaffen herzustellen. Ein und dieselbe Anlage kann also ohne große bauliche Veränderungen zu zivilen und militärischen Zwecken genutzt werden.
Wenn dem Iran also ein Leichtwasser-Reaktor nicht reicht, kann man mit Recht den Verdacht hegen, dass er andere als zivile Zwecke verfolgt?
Die Iraner argumentieren, dass sie unabhängig sein wollen. Denn wenn man Reaktoren betreibt, aber nicht selber die Brennstäbe herstellen kann, ist man von anderen abhängig. Und sie sagen, dass sie sich oftmals auf ihre Handels- und Kooperationspartner nicht verlassen können. Auch nach der islamischen Revolution 1979 habe sich gezeigt, dass die Firma Siemens damals die Bauten an einem Reaktor nicht fortgesetzt hat. Hier spielt also eine gewisse Isolationsangst der iranischen Eliten eine Rolle. Andererseits muss man aber auch sagen, dass die Größe der Anlage und die Tatsache, dass sie nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Bau von Reaktoren steht, darauf hin deutet, dass es hier tatsächlich um eine Anreicherungsanlage zu militärischen Zwecken geht.
Die Positionen scheinen unvereinbar zu sein. Wie kann man einen Ausweg finden?
Man muss wohl zunächst die iranischen Präsidentschaftswahlen im Juni abwarten, denn diese Nuklear-Frage spielt natürlich auch in den Wahlkämpfen eine Rolle: Keiner will derjenige sein, der gegenüber den westlichen Forderungen einknickt. Ich könnte mir vorstellen, dass bei einer Wahl Rafsandschanis zu einer Lösung gefunden werden kann. Er ist ein Zentrist, ein Repräsentant der iranischen Handelsbourgeoisie und hat ein Interesse an verbesserten Handelsbeziehungen vor allem zu Europa. Zugleich hätte er die Möglichkeit, eine breite Basis herzustellen, um einen Kompromiss mit den Europäern zu schließen.
Der Chef der Atomenergiebehörde El Baradei sagte, nötig sei wohl eine Sicherheitsgarantie der USA gegenüber dem Iran, damit dieser einlenkt. Wie sehen Sie die Rolle der USA in diesem Streit?
Die USA haben ihre Position seit dem Besuch von Präsident Bush in Europa gewandelt und eindeutig auf höchster Ebene erklärt, dass sie die Europäer bei ihren Bemühungen unterstützen. Sie sind soweit gegangen, dass sie gesagt haben, Iran könne in die WTO aufgenommen werden und die USA würden auf ihr Veto dort verzichten. Dass die USA eine Sicherheitsgarantie aussprechen, glaube ich nicht. Ich denke, das wird am Ende auch der Knackpunkt sein. Einerseits hätten die Iraner also wirtschaftlich viel zu gewinnen bei einem Kompromiss. Andererseits gibt es diese Sicherheitsbedenken; und die wiederum haben etwas mit Amerika zu tun. Hier gibt es im Moment noch keine wirkliche Perspektive.
Dr. Oliver Thränert leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.