Youtube statt Flugblatt
7. November 2006In George Allens Karriereplan war die Kongresswahl am 7. November eigentlich nur als Zwischenschritt vorgesehen. Denn der Senator aus Virginia hatte sein Augenmerk schon auf höhere Ziele gerichtet. Allen, ein konservativer Republikaner und früherer Football-Star, galt als einer der aussichtsreichen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2008. Seine Wiederwahl als Senator schien nur Formsache. Bis Ende August. Ein im Internet veröffentlichtes Video eines Wahlkampfauftritts bereitete Allens Präsidentschaftshoffnungen ein abruptes Ende. Seitdem muss er sogar um seine Wiederwahl gegen einen politisch unerfahrenen Gegner bangen.
In dem Video spricht Allen einen Studenten indischer Abstammung, der den Auftritt des Senators für dessen demokratischen Gegenkandidaten filmt, mit einem rassistischen Schimpfwort an und heißt ihn in Virginia und den USA willkommen. Kurze Zeit später landet der Ausschnitt der Rede auf der Internet-Plattform Youtube. Fernsehsender und Printmedien greifen das Thema auf, Allens Auftritt in Virginia ist plötzlich landesweit in den Schlagzeilen. Allein auf Youtube wurde das Video mehr als 30.000 Mal abgerufen. Allen entschuldigt sich schließlich für seine Bemerkungen.
"Youtube Election"?
Der Fall verdeutlicht, wie das Internet den US-Wahlkampf verändert. Deshalb gleich die "Youtube Election" auszurufen, wie es die "New York Times" kürzlich getan hat, mag verfrüht sein. Dennoch ist klar: Das Internet ist als Wahlkampfinstrument nicht mehr wegzudenken.
Gegnerbeobachtung war zwar schon immer Teil eines jeden Wahlkampfes. Eine neue Qualität bekam sie aber erst durch eine technische Revolution: die Möglichkeit, Videos in guter Qualität und mit geringen Kosten aufzuzeichnen und im Internet abzuspielen. Die Folge: In den USA ist es inzwischen für beide Parteien üblich, Helfer mit Kameras zu Wahlkampfauftritten des Gegners zu schicken. Diese "Trackers" - häufig Studenten - sind mit Kamera, Laptop, Handy und den Wahlkampfterminen des Gegners ausgerüstet. Sie filmen die Auftritte des Kandidaten in der Hoffnung auf Aussetzer, die sie dann bearbeiten und an die Zentrale schicken. Von dort aus werden sie auf Youtube gestellt und eine Pressemitteilung wird formuliert. Der Rest ist Hoffen und Warten.
Wahlkampf mit Facebook und Myspace
Natürlich bekommt nicht jedes Video ein solches Echo wie der Auftritt Allens. Die Nutzer, die auf Youtube und ähnlichen Seiten politische Videos anschauen, sind nicht repräsentativ. Stattdessen sind Youtube und das Internet Trendsetter, die die so genannten Mainstreammedien (MSM) beeinflussen. Aktuellstes Beispiel dafür ist die Kontroverse um den Schauspieler Michael J. Fox. Er schaltete sich mit einem Video-Plädoyer für die Stammzellenforschung und die demokratische Kandidatin in den Wahlkampf im Bundesstaat Missouri ein. Der an der Parkinson-Krankheit leidende Fox stellte das Video auch auf Youtube und löste eine nationale Debatte über das Thema aus. Innerhalb einer Woche wurde das Video mehr als 2,5 Millionen Mal abgerufen.
Doch nicht nur Videos verändern den Wahlkampf. Blogs - vor wenigen Jahren noch völlig unbekannt - sind längst Standard. Viele Kandidaten nutzen inzwischen auch so genannte Social Web-Sites, um junge Menschen zu erreichen. Auf Angeboten wie Myspace oder Facebook, auf denen sich Nutzer mit ihren Freuden austauschen, finden sich neben Verweisen auf die besten Bands, Filme, Fotos oder Blogs auch sehr persönliche Meinungen über die Kandidaten und die Wahl. Die Politiker hoffen so Menschen zu erreichen, die sich sonst nicht für die Wahl interessieren würden.
Bloggen mit CNN
Nicht nur im Wahlkampf, auch am Wahltag wird das Internet eine Hauptrolle spielen. Natürlich werden alle großen Zeitungen und Sender im Internet ausführlich über den Wahlausgang berichten. Der Sender CNN plant sogar eine zentrale Blogger-Party. Auf der "E-lection Nite Blog Party" lädt der Nachrichtenkanal zahlreiche bekannte Politik-Blogger nach Washington ein, um über die Ergebnisse zu berichten.