Züchtet Draghi Zombies?
13. Januar 2015Der 22. Januar nähert sich mit Riesenschritten. Das ist nicht nur der Tag, an dem der Rat der Europäischen Zentralbank seine erste Zinssitzung im neuen Jahr abhält, sondern vermutlich auch der Tag, an dem sich EZB-Chef Mario Draghi sein Programm zum Ankauf von Staatsanleihen absegnen lassen wird. Insbesondere in Deutschland wird dieses Programm, im Fachjargon als OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) bezeichnet, mit Argwohn betrachtet, denn damit beginnt die EZB praktisch gegen alle Regeln der Eurozone mit der Staatsfinanzierung.
Der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB gilt bei den Befürwortern als Mittel, um die Kreditvergabe und damit auch die maue Wirtschaft in der Euro-Zone anzukurbeln. Zudem könne mit der zu erwartenden Geldflut ein Abgleiten der Eurozone in eine Deflation verhindert werden, argumentieren sie. Damit ist ein ruinöser Verfall der Preise gemeint, der zu sinkenden Löhnen sowie Konsum- und Investitionszurückhaltung führen und damit eine Wirtschaft lähmen kann. Die Deflation habe zum Beispiel Japan ein verlorenes Jahrzehnt beschert, heißt es.
Verbotene Staatsfinanzierung
Die Preise in der Euro-Zone sind zuletzt um 0,2 Prozent zum Vorjahr gefallen und haben damit der Furcht vor einer Deflation neue Nahrung gegeben. Ein Staatsanleiheprogramm als Gegenmittel stößt aber auch auf Kritik. Die Bundesbank hat rechtliche Bedenken, da sie die Grenzen zu der verbotenen Staatsfinanzierung verwischt sieht. Auch die deutsche EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger hat vor solchen Käufen gewarnt: Nutzen und Risiken stünden derzeit nicht in einem vernünftigen Verhältnis, sagte sie dem Magazin "Der Spiegel".
Noch deutlicher wird der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Die Risiken einer solchen Strategie seien groß, und der Verweis auf die Deflationsgeschichte Japans sei nicht stichhaltig, schreibt der in der "Wirtschaftswoche". Denn entgegen dem allgemeinen Glauben habe Japan nicht ein Vierteljahrhundert leicht fallender Verbraucherpreise zu Schaffen gemacht, sondern das Heranzüchten von so genannten Zombie-Banken und Zombie-Unternehmen.
Falsche Anreize
Mit billigem Geld und der Duldung fauler Kredite in den Bankbilanzen habe Japan viele scheintote Unternehmen und Banken künstlich am Leben erhalten – und damit unter anderem gesunden Unternehmen geschadet, "weil nicht mehr genügend Kredite übrig waren, die diese zum Wachstum benötigt hätten".
Ähnliche Folgen würde ein Anleihekaufprogramm der EZB für Banken, Unternehmen und ganze Staaten in Europa haben, warnt Krämer. Mit ihrer Politik belohne die EZB vor allem jene Banken in den Peripherieländern, die häufig auf Geheiß ihrer Finanzminister in großem Stil Staatsanleihen gekauft hätten. So besäßen spanische Institute bereits ein Drittel aller spanischen Staatsanleihen. Kaufe die EZB nun diese Anleihen, steige deren Wert. "Wegen dieser positiven Erfahrung dürften die Banken auch in Zukunft gerne Staatsanleihen kaufen, statt gesunden Unternehmen ausreichend Kredite zur Verfügung zu stellen und die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder zu fördern."
Kein Reformdruck mehr
Zudem erhöhten Staatsanleihekäufe der EZB das Risiko einer "politischen Zombifizierung", argumentiert Krämer. Denn Anleihekäufe nähmen den Druck von den Politikern vieler Krisenländer, überfällige Strukturreformen in Angriff zu nehmen. "Es geht um überlange Gerichtsverfahren, schleppende Genehmigungen von Investitionen, schlechte Verkehrswege, Korruption oder einen überdehnten Einfluss von Gewerkschaften."
Dass Italien nach Daten der Weltbank bei diesen Rahmenbedingungen seit Ausbruch der Staatsschuldenkrise kaum Fortschritte gemacht habe und noch immer der viertschlechteste Unternehmensstandort in der EU sei, liege auch an den niedrigen Zinsen auf italienische Staatsanleihen, ist Krämer überzeugt: "Mit dem Kauf von Staatsanleihen ignoriert die EZB wichtige Lehren aus Japan."