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Schadenersatz für zehntausende Dieselfahrer?

Theresa Münch dpa
31. Oktober 2018

Stellvertretend für Dieselfahrer ziehen Verbraucherschützer gegen Volkswagen vor Gericht. Es könnte ein Mammutprozess werden, von dem am Ende Zehntausende profitieren.

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Symbolbild - Diesel Tanken
Bild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Auf die "Samthandschuhe der Politik" folgten jetzt die "Boxhandschuhe der Verbraucherschützer" droht der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Stellvertretend für Zehntausende Dieselfahrer zieht er gegen VW vor Gericht. Es geht um Schadenersatz für die Betroffenen des Diesel-Skandals - mit einer ganz neuen Verbraucherklage , die am Donnerstag eingereicht werden soll. 

Rund 2,5 Millionen Autos hatte Volkswagen nach dem "Dieselgate" zurückgerufen. 26.600 Dieselfahrer streiten bereits alleine vor Gericht um Schadenersatz. Abgasbetrug, Wertverlust, Fahrverbote in manchen Städten: Wer einen Diesel fährt, kann fast nur verlieren.

Auch die Gerichtsverfahren sind oft aufwendig und finanziell riskant. Die Musterfeststellungsklage soll das ändern. Die Anwälte der Verbraucherschützer erwarten, dass sichmehrere Zehntausend Betroffene  anschließen. Schon jetzt gebe es um die 40.000 Anfragen und Interessenten. 

Was ist das für eine Klage?

Die Musterfeststellungsklage ist eine Art "Einer-für-alle"-Klage. Das Instrument ist neu, der VW-Fall der erste Praxistest. Verbraucherschutzverbände klagen dabei für Gruppen von Betroffenen - mit weniger Aufwand und Risiko für den Einzelnen. 

Können alle Dieselfahrer mitmachen?

Nein, erstmal nicht. Die Verbände klagen nur für Dieselfahrer, die vom Volkswagen-Pflichtrückruf betroffen waren und noch nicht selbst geklagt haben. Das betrifft Diesel von VW, Audi, Skoda und Seat mit Motoren des Typs EA 189 (Vierzylinder, Hubraum: 1,2 oder 1,6 oder 2,0 Liter), die nach dem 1. November 2008 verkauft wurden. Auch wer sein Auto inzwischen verkauft hat oder verschrotten ließ, kann mitmachen. 

Wie funktioniert die Musterfeststellungsklage?

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) arbeitet zehn Fälle auf und reicht seine Klage auf dieser Grundlage am 1. November beim Oberlandesgericht Braunschweig ein. An diesem Tag tritt das Gesetz in Kraft. Hält das Gericht die Klage für zulässig, können sich weitere Betroffene kostenlos beim Bundesamt für Justiz in ein Klageregister eintragen. Das soll einfach und ohne Anwälte möglich sein. In zwei Monaten müssen insgesamt 50 Menschen zusammenkommen. Wenn die Verhandlung begonnen hat, kann man nicht mehr einsteigen.

Was kann dabei rauskommen?

Schadenersatz wird es wohl nicht direkt geben. Bei dem Verfahren geht es erstmal nur darum, ob Volkswagen unrechtmäßig gehandelt hat. Wird den Kunden ein Recht auf Schadenersatz zugesprochen, müssen sie dies selbst durchsetzen. Sie können also nicht mit dem Urteil zum Autohändler gehen und Geld zurückverlangen, sondern müssen noch einmal vor Gericht. Bequemer wäre ein Vergleich zwischen VW und den Kunden. "Unser Ziel ist, dass Autobesitzer entweder das Auto zurückgeben können und dafür den Kaufpreis erstattet bekommen, oder wenn sie es behalten wollen den Wertverlust kompensiert bekommen, oder wenn sie das Auto bereits verkauft haben, eine entsprechende Entschädigung bekommen", sagt vzbv-Vorstand-Klaus Müller.

Hab ich ein Risiko, wenn ich mich melde?

Das Prozesskostenrisiko trägt allein der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Wenn die Verbraucherzentralen verlieren, sind alle, die im Klageregister stehen, allerdings an diese Entscheidung gebunden. Sie können also nicht mehr vor anderen Gerichten auf Schadenersatz klagen.

Wie groß sind die Chancen auf Erfolg? Die Anwälte sind sehr zuversichtlich, Volkswagen dagegen sieht wenig Aussichten für die Klage. Die Fahrzeuge seien trotz "Umschaltlogik" - also der im Dieselskandal aufgeflogenen Abschalteinrichtung der Abgasreinigung - genehmigt, technisch sicher und fahrbereit, argumentiert das Unternehmen. Wer recht hat, lässt sich schlecht abschätzen - zumal es so eine Klage in Deutschland noch nie gab. 

Wie lange dauert es, bis die Dieselfahrer Geld sehen, wenn die Verbraucherzentralen gewinnen?

Das kommt darauf an, ob VW einem Vergleich mit den Kunden zustimmt. Dann könnte es schnell gehen. Geht der Autobauer durch alle Instanzen, könnte es aber Jahre dauern. Beide Seiten gehen von mündlichen Verhandlung 2019 und einer Gerichtsentscheidung 2020 aus. Danach rechnet VW mit dem Gang zum Bundesgerichtshof, wo ebenfalls zwei Jahre anfallen dürften. Erst dann könnte in Einzelverhandlungen über die jeweilige Höhe des Schadenersatzes entschieden werden.

Wie hoch könnte der Schadenersatz sein?

Das lässt sich noch nicht genau sagen. Anwalt Ralf Stoll, der die Klage für die Verbraucherzentralen betreut, hält 15 bis 20 Prozent des Kaufpreises für angemessen. Wenn Verfahren zugunsten der Kläger ausgingen, hätten die Richter den Betroffenen bisher zwischen sieben und 25 Prozent zugestanden. Zahlreiche Verfahren wurden indes auch zugunsten von Volkswagen entschieden, die Kläger erhielten nichts. 

Könnten das Diesel-Paket der Bundesregierung und die Fahrverbote am

Streitwert noch etwas ändern?

Der Verband und seine Anwälte gehen nicht davon aus. Auch die Software-Updates spielten wohl keine Rolle. "Der Schaden ist bereits mit dem Kauf des Autos entstanden und durch ein Update nicht wettzumachen", erklärt der vzbv. Auch Stoll hält die Nachrüstungs- und Prämienversprechen der Bundesregierung nicht für umfassend genug, um den Prozess zu beeinflussen. Die Fahrverbote wirkten sich deshalb nicht aus, weil man nicht behaupten könne, sie seien allein wegen des Dieselskandals eingeführt worden. 

Wie ist der Stand bei anderen Kundenklagen zum Diesel-Skandal?

Laut Volkswagen sind 26.600 Verfahren von Diesel-Besitzern gegen Händler oder Hersteller anhängig. Rund 7400 Urteile gab es schon. Während Kläger-Anwälte dem Konzern vorwerfen, spätestens auf der Ebene der Oberlandesgerichte den Vergleich zu suchen, betont VW, die Zahl der Vergleiche sei relativ gering. Die genaue Zahl will Volkswagen aber nicht nennen. Bei Einzelklagen mit Erfolgsaussicht bot VW Klägern laut ADAC gar Geld für ein Stillschweige-Abkommen an.