Staatstrauer für Corona-Opfer in Spanien
27. Mai 2020Der Beginn der Trauerzeremonie für die Todesopfer der Pandemie wurde um zwölf Uhr mittags (MESZ) von einer Schweigeminute im ganzen Land begleitet. Von Barcelona bis Bilbao, von Madrid bis Murcia hielten die Menschen ab zwölf Uhr mittags zum Teil viel länger als vorgesehen still. Die Schweigeminute dauerte schon mal drei oder vier Minuten.
Zum Zeichen der Trauer trugen viele Spanier schwarze Gesichtsmasken. Überall wurden die Landesfahnen auf halbmast gesetzt. Autos und Busse blieben stehen. Es handelt sich um die längste Staatstrauer in Spanien seit dem Ende der Diktatur von Francisco Franco im Jahr 1975.
König Felipe VI., Königin Letizia, die 14-jährige Kronprinzessin Leonor und die 13-jährige Infantin Sofía absolvierten die Zeremonie - nebeneinander stehend, alle ganz in schwarz gekleidet, aber ohne die von der Regierung vorgeschriebene Schutzmaske - im Vorgarten ihrer Residenz Palacio de la Zarzuela nordwestlich von Madrid. "Ganz Spanien weint um so viele Tausende Landsleute, die wir in dieser Pandemie verloren haben", twitterte das Königshaus.
Auch Toni Kroos trauert
Der deutsche Fußballstar Toni Kroos und seine Kameraden bei Real Madrid unterbrachen wie die Profis anderer Clubs das Training, bildeten einen Kreis und ehrten schweigend die Opfer. Im Regierungssitz Palacio de la Moncloa stand der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez der Zeremonie vor. Im Parlament unterbrach die Gedenkzeremonie eine sehr hitzige Debatte. Die Abgeordneten standen alle auf, viele waren sichtlich bewegt. In Berlin bekundete das Auswärtige Amt seine Anteilnahme.
Die Schweigeminute war vor allem auf den Straßen sehr ergreifend. Der staatliche Fernsehsender RTVE zeigte, wie überall im Land die Menschen aus Wohnhäusern, Läden und öffentlichen Gebäuden strömten, um die Opfer des Virus öffentlich zu würdigen. Vor Krankenhäusern versammelten sich viele Ärzte, Pfleger und Patienten. Einige hatten Tränen in den Augen. Das Gesundheitspersonal war zum Höhepunkt der Krise Ende März und Anfang April enormen Belastungen ausgesetzt, Krankenhäuser und Kliniken standen zeitweilig vor dem Kollaps. Mindestens 35 Ärzte und Pfleger starben an der COVID-19-Krankheit.
Auf den Straßen blieben Passanten aller Altersgruppen stehen. Vor den Altenheimen, in denen das Virus Tausende Menschenleben forderte, standen Betreuer und zum Teil sehr betagte und auf einen Rollstuhl angewiesene Senioren still.
Würdigung für ältere Spanier
Regierungssprecherin María Jesús Montero hatte am Dienstag darauf hingewiesen, dass acht von zehn Menschen, die an COVID-19 starben, älter als 70 gewesen seien. Sie hätten in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre dabei geholfen, Spanien beim schwierigen Übergang von der Diktatur (1939-1975) in die Demokratie aufzubauen.
Mit mehr als 236.000 Infektionsfällen und über 27.100 Toten ist Spanien eines der von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder der Welt. Die Zahl der Todesopfer des Virus könnte aber viel höher liegen. Die Behörden gaben inmitten der Trauerveranstaltung die seit März registrierte sogenannte Übersterblichkeit bekannt: Demnach starben in den letzten drei Monaten 43.000 Menschen mehr als im Vorjahreszeitraum.
Im Kampf gegen Corona erzielt Spanien aber seit Wochen beachtliche Fortschritte. Seit Mitte März gelten im Rahmen eines mehrfach vom Parlament verlängerten Alarmzustandes strenge Ausgangsbeschränkungen und Regelungen, die erst seit kurzer Zeit schrittweise gelockert werden.
Die Regierung hatte mit der Ausrufung der Staatstrauer gewartet, bis auch in den besonders betroffenen Metropolen Madrid und Barcelona die strikten Ausgangsbeschränkungen aufgehoben wurden. Sánchez betonte mehrfach, diese Maßnahmen seien dafür verantwortlich, dass die Zahlen immer geringer werden. Seit über einer Woche ist die Zahl der täglich gemeldeten neuen Todesfälle nur noch zweistellig.
kle/uh (dpa, afp, rtr)