Ziel: Eine Welt ohne Hunger
14. Oktober 2020Der Hunger in der Welt verschärft sich wieder, und zwar vor allem durch Corona. Nachdem die Zahl der Hungernden jahrelang zurückgegangen ist, steigt sie inzwischen wieder, nicht nur, aber in erster Linie durch die Pandemie. Nach jüngsten UN-Schätzungen fallen bis zu 130 Millionen Menschen durch Corona in Hunger und Armut zurück.
An diesem Montag hatte bereits Mathias Mogge, der Generalsekretär der Welthungerhilfe, gewarnt: "Die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen haben das Potenzial, die Zahl der Menschen, die von akuten Ernährungskrisen betroffen sind, zu verdoppeln."
Auch mehrere Teilnehmer der virtuellen Konferenz des Bundesentwicklungsministeriums, "Eine Welt ohne Hunger ist möglich - Was zu tun ist", wiesen auf die negativen Konsequenzen der Pandemie für die Ernährung der Weltbevölkerung hin. Bill Gates, der mit seiner Stiftung Milliarden in die Bekämpfung des Hungers gesteckt hat, zitierte ein US-Gesundheitsforschungsinstitut mit der Einschätzung, "dass extreme Armut allein dieses Jahr wegen Corona um sieben Prozent gestiegen ist. Das bedeutet ein Ende von 20 Jahren Fortschritt".
Eine "bescheidene" Summe
Doch zwei Untersuchungen der Welternährungsorganisation, FAO, und mehrerer internationaler Institute kommen zu dem Ergebnis, dass mit zusätzlichen 14 Milliarden Dollar jährlich in den kommenden zehn Jahren die Welt vom Hunger befreit werden kann. Die Geberländer müssten ihre Investitionen damit etwa verdoppeln, so Joachim von Braun, Direktor des Bonner Zentrums für Entwicklungsforschung, bei der Vorstellung der Studien in Berlin.
Auch Deutschlands Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) ist überzeugt, das Ziel einer Welt ganz ohne Hunger, so wie es die Vereinten Nationen bis 2030 formuliert haben, sei möglich. Angesichts von zusätzlichen weltweiten Rüstungsausgaben in diesem Jahr von 70 Milliarden Dollar sei die erforderliche Summe von jährlich 14 Milliarden Dollar "bescheiden", sagte der Minister und fragte rhetorisch: "Gibt es ein wichtigeres Ziel, gibt es eine größere Aufgabe, als Menschenleben zu retten?"
Ein Drittel der Nahrungsmittel wird nicht gegessen
Doch es geht nicht nur um Geld. Verschiedene Teilnehmer wiesen darauf hin, dass man eine kluge, nachhaltige und ganzheitliche Politik betreiben müsse, um den Hunger zu besiegen. Vor allem Kleinbauern müsse man unterstützen, forderte Bill Gates. Máximo Torero, der Chefökonom der FAO, sagte, viele Kleinbauern hätten Angst vor dem internationalen Handel. Man müsse sie in die internationalen Lieferketten integrieren, dazu solle der öffentliche Sektor das Marktrisiko der Kleinbauern minimieren.
Konsens herrschte in der Einschätzung, dass Ernährung, Umwelt, Klimaschutz und soziale Fragen zusammengedacht und koordiniert werden müssten, um erfolgreich zu sein. Dabei sei unbedingt die Eigenverantwortung der Empfängerländer wichtig, betonte FAO-Chefökonom Torero.
Abhijit Banerjee, Träger des Wirtschaftsnobelpreises 2019, beklagte, ein ganzes Drittel der Weltnahrungsmittelproduktion gehe verloren, nicht nur durch Verschwendung der Wohlhabenden, sondern auch durch zum Teil unannehmbar hohe Verluste bei Transport, Lagerung und nicht ausreichende Kühlung. Der Senegalese Ousmane Badiane, Ko-Vorsitzender des Netzwerks Akademiya2063, forderte digitale Lösungen gerade jetzt in der Pandemie. Technik könne besonders in Afrika ganze "Entwicklungssprünge" auslösen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Online-Weiterbildung.
Vorbild Fridays for Future
Es war insgesamt keine niedergeschlagene Stimmung bei den Teilnehmern auszumachen, denn alle waren sich einig, dass ein Ende des Hungers bis 2030 möglich sei. Müller beklagte, bisher fehle vor allem noch der politische Wille weltweit und der Mut zum Handeln. Er nannte speziell die USA, Brasilien und China, die mehr tun könnten. Deutschland wolle auch seine laufende EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um das Thema auf europäischer Ebene voranzubringen.
Doch damit die Bekämpfung des Hungers nicht nur eine Sache von Politikern bleibt, sondern Breitenwirkung entfaltet, hat sich Gerd Müller offenbar die Jugend zum Vorbild genommen: So wie Fridays for Future für den Klimaschutz, "sollten wir eine weltweite Bewegung 'ending hunger' initiieren für eine Welt ohne Hunger".