Russischer Propagandatrick
14. März 2014Deutsche Welle: Russland begründet sein Verhalten gegenüber der Ukraine und auf der Krim damit, dass die neue Regierung und vor allem die Befreiungsbewegung auf dem Maidan faschistisch unterwandert seien. Was halten Sie von solchen Vorwürfen?
Josef Zissels: Das ist das Gegenteil der Wahrheit. Aus sowjetischen Zeiten kennen wir den Propagandatrick, dass jeder, der sich gegen Russland wendet, zum Faschisten gemacht wird. Das ist nicht neu. Auf dem Maidan und in der ganzen Ukraine haben über zwei Millionen Menschen demonstriert - sind das jetzt zwei Millionen Faschisten? Ich glaube kaum, dass es so viele Faschisten in der Ukraine gibt. Es ist wichtig, dass wir Ukrainer uns dagegen wehren, unsere Wahrheit dagegen setzen.
Wie machen Sie das in den jüdischen Gemeinden?
Aus der jüdischen Gemeinde haben viele die Maidan-Bewegung unterstützt, nicht alle, aber doch einige. Wir haben Porträts von jüdischen Ukrainern gemacht, die die Maidan-Bewegung unterstützt haben. Jeden Tag veröffentlichen wir zehn bis zwölf Stück. Es sind jüdische Eindrücke vom Maidan, positive Bilder, die wir zeigen wollen.
Sie waren zu Sowjetzeiten etwa sechs Jahre im Gefängnis, erinnert Sie das derzeitige Vorgehen Russlands an diese Zeit?
Ich habe keine Angst, dass die UdSSR wiederkommt, dass wir eine Wiedergeburt der Sowjetunion wiedererleben. Aber für Russland geht es um seinen Status als Imperium - Russland möchte seine Nachbarn stärker kontrollieren.
Glauben Sie, dass Europa und der Westen genügend dafür tun, dass das nicht passiert?
Europa und der Westen hatten bisher ein recht einfaches Leben - ohne große Risiken. Europa will der Ukraine helfen, aber ohne ein Risiko eingehen zu wollen. Wenn Russlands Präsident Putin in der Krim-Krise lernt, dass der Westen und Europa ihn nicht aufhalten wollen, dann wird Putin daraus schließen, dass er gleiches auch mit anderen Ländern machen kann - zum Beispiel Litauen, Lettland und Estland. Nichts wird ihn dann davon abhalten.
Josef Zissels ist Vorsitzender der Vereinigung jüdischer Organisationen in der Ukraine und Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses.