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Zuerst zum Mond, dann zum Mars

Carla Bleiker20. September 2015

Der ehemalige Astronaut Thomas Reiter im DW-Gespräch über den Tag der Luft- und Raumfahrt, zukünftige Pläne der ESA und gute Gründe, in Projekte wie die ISS zu investieren.

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Modell einer Trägerrakete (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa/NASA

DW: Herr Reiter, Sie leiten heute das Direktorat für Bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb der ESA (European Space Agency), aber Sie waren auch schon zweimal als Astronaut im All. Würden Sie gern noch einmal in den Weltraum fliegen?

Thomas Reiter: Wenn es so eine Möglichkeit gäbe, müsste man mich nicht zweimal fragen. Aber das ist rein hypothetisch. Mein Job ist heute ein anderer und wir haben eine Gruppe von wirklich exzellenten, gut ausgebildeten Astronauten, von denen einige schon im All waren: Andreas Mogensen ist gerade zurückgekommen, Samantha Cristoforetti auch. Timothy Peake bereitet sich gerade auf seinen Flug zur ISS im Dezember vor. Und nächstes Jahr ist Thomas Pesquet dran. Jetzt sind sie an der Reihe, ins All zu fliegen.

Was haben wir von der Raumfahrt in den nächsten Jahren zu erwarten?

ESA hat drei Ziele zur Erforschung festgelegt: Einmal die erdnahe Umlaufbahn, was zurzeit die International Space Station bedeutet - hier betreiben wir wissenschaftliche Forschung, von der die Menschheit allgemein profitiert und entwickeln unsere Möglichkeiten für zukünftige Entdeckungen weiter.

Das zweite Ziel ist natürlich der Mond. Ich hoffe, dass wir die Rückkehr der Menschen auf die Mondoberfläche in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts sehen werden. Das halte ich für sehr realistisch, aber es kann natürlich nur klappen, wenn wir international zusammen arbeiten.

Das dritte Ziel ist der Mars. Das ist eine längerfristige Angelegenheit. Wir arbeiten zurzeit mit Robotern daran, unseren Nachbarplaneten besser kennenzulernen. So wollen wir Fragen beantworten wie: "Hat es jemals Leben auf diesem Planeten gegeben oder gibt es sogar noch jetzt?" Das ist auch ein wichtiger Aspekt für die Vorbereitung von zukünftigen bemannten Missionen zum Mars - aber bis es soweit ist, wird es noch dauern, denke ich.

Thomas Reiter. (Foto: DW/ F. Schmidt)
Thomas ReiterBild: DW/F. Schmidt

Gerade arbeitet die ESA erst mal an der ExoMars-Mission, für die einige Flüge schon nächstes Jahr abheben. Zwei Jahre später soll dann ein Rover auf die Marsoberfläche.

Wir arbeiten außerdem mit unseren Partnern aus den USA, der NASA, zusammen. Wir bauen das sogenannte Oberflächenmodul für das Orion-Raumschiff. Dieses Raumschiff wird Menschen über die erdnahe Umlaufbahn hinaus befördern. Der Jungfernflug, noch unbemannt, wird 2018 stattfinden. Der erste bemannte Flug ist derzeit für 2020 geplant. Wir werden also erleben, wie Menschen wieder die Erdumlaufbahn verlassen und den Mond umkreisen.

Wie ist der Zeitplan für unseren Nachbarplaneten - wann landet der erste Mensch auf dem Mars?

Das ist nicht genau zu sagen, aber von unserem Wissenstand und unseren Entwicklungen her könnte die Rückkehr auf den Mond und die Reise zum Mars in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts passieren. Die Rückkehr auf den Mond würde ich zwischen 2025 und 2030 sehen. Natürlich nur, wenn sich alle Partner einig sind und gemeinsam an einem Strang ziehen.

Spielt Deutschland bei den Projekten der ESA eine wichtige Rolle?

Unbedingt. Deutschlands ist einer der stärksten Unterstützer des ISS-Programms. Etwa 37 Prozent des Budgets kommen aus Deutschland. Natürlich zähle ich darauf, dass Deutschland uns auch weiterhin unterstützt, aber das gilt auch für alle anderen Mitgliedstaaten, die an diesem Projekt teilnehmen. Von 22 Mitgliedsländern beteiligen sich elf am ISS Programm. Deutschland spielt darin eine wichtige Rolle und ich hoffe, dass es das weiterhin tun wird - nicht nur was die ISS betrifft, sondern auch bei unseren zukünftigen Forschungsprojekten.

Kritiker sagen, dass die Milliarden, die in die Raumfahrt investiert werden, besser hier auf der Erde aufgehoben wären. Was erwidern sie Menschen, die fragen: "Sollten wir dieses ganze Geld nicht lieber für erdliche Belange wie zum Beispiel Flüchtlingshilfe ausgeben?"

Das ist eine wichtige und auch berechtigte Frage. Natürlich sehen wir, dass wir mit der Flüchtlingskrise zurzeit in einer schwierigen Situation stecken. Auch langfristig müssen wir uns um Dinge kümmern, wie zum Beispiel den Klimawandel. Das sind Probleme, mit denen sich die Menschheit befassen muss. Aber ich denke, das tun wir auch.

Besonders gilt das für die Forschung, die die ESA und ihre Partner im Weltall betreiben. Man kann zwar nicht gleich morgen Ergebnisse sehen, aber es ist eine Vorbereitung auf die Zukunft. Daher denke ich, dass Geld für die Raumfahrt ein gutes Investment ist. Wie mit allen Investitionen muss man nicht nur das im Auge haben, was morgen oder in einer Woche passiert, sondern auch das, was in zehn oder 20 Jahren kommt. Daher halte ich unsere Investitionen für wichtig.

Thomas Reiter war der erste deutsche Astronaut, der je einen Weltraumspaziergang unternahm. Von September 1995 bis Februar 1996 war er auf der russischen Station MIR. 2006 kehrte er in den Weltraum zurück und nahm an der ersten Langzeitmission der ESA zur ISS teil. Heute leitet er das ESA-Direktorat für Bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb.

Das Interview führte Carla Bleiker.