Das Deutschland der Zukunft
28. August 2012Der Zukunftsdialog ist beendet. Kann nun die Zukunft beginnen? So einfach ist es leider nicht. Das gab auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Abschlussveranstaltung im Berliner Kanzleramt zu. Viele spannende Ideen seien dabei herausgekommen, die nun aber den Ur-Reflex bei Staatsbeamten überleben müssten, neue Vorschläge erst einmal als Angriff auf die eigene Arbeit abzutun.
Im Mai 2011 hatte die Kanzlerin den Startschuss für den Zukunftsdialog gegeben. Es folgten drei Treffen mit Bürgern, ein reger Online-Dialog auf einer eigens eingerichteten Internetseite, eine Jugendkonferenz, ein Treffen mit anderen Regierungschefs und internationalen Studenten sowie ein Expertendialog, der sich über 15 Monate erstreckte. Über allem standen drei Fragen: Wie soll das Zusammenleben aussehen? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen?
Hunderte Ideen
Merkel wollte den Bürgern zuhören und sie ermutigen, über die Zukunft des Landes nachzudenken. Den Experten hatte sie gesagt, sie sollten möglichst quer und interdisziplinär denken. Es gab 18 Arbeitsgruppen zu Themen wie "Familie", "Deutschlands Selbstbild", "Zukunft der Arbeit" oder "Lernende Gesellschaften". Der gemeinsame Ergebnisbericht der Arbeitsgruppen umfasst hunderte Ideen auf 220 Seiten und wurde nun der Kanzlerin bei der Abschlussveranstaltung im Kanzleramt offiziell übergeben.
Zuvor hatten die Experten, von denen einige extra aus dem Urlaub eingeflogen waren, einen Vormittag lang abschließend über ihre Ideen diskutiert. Wie ein roter Faden zog sich ein gemeinsamer Nenner durch diese Debatte: Deutschlands Stärken liegen auch in der Zukunft im Gemeinsinn und im wirtschaftlich erfolgreichen Mittelstand. Bildung und lebenslanges Lernen sind nach Einschätzung der Wissenschaftler der Schlüssel für Wohlstand, für ein solidarisches Miteinander und für zivilgesellschaftliches Engagement.
Erste To-Do-Liste
Die Kanzlerin sagte, sie teile die grundsätzliche Stoßrichtung der Ideen und kündigte an, dass Deutschland für deren Umsetzung größere strukturelle Veränderungen brauche. Aus eigener Erfahrung wisse sie, wie schwierig es bei ressortübergreifenden Themen wie der Energiewende oder dem Afghanistan-Einsatz sei, ein sogenanntes federführendes Ministerium zu benennen. Deshalb würden die entsprechenden Beratungen auch in wechselnden Ministerien stattfinden. Nebenbei lerne man so, wo es den besten Kaffee gibt, scherzte Merkel.
Eine erste Auswahl konkreter Ideen hätte bereits den Weg auf eine To-Do-Liste gefunden, sagte Merkel. Dazu gehörten unter anderem ein Bildungsrat, ein duales Weiterbildungssystem, ein mögliches Nachhaltigkeitssiegel und ein Staatsminister für Digitalisierung. Einige Ideen seien bereits in den zuständigen Bundesministerien eingegangen.
Alles nur für die Schublade?
Dass die Ideen aus dem Zukunftsdialog nur für die Schublade seien, wurde von vielen Experten und Bürgern befürchtet. Die Kanzlerin versuchte diesem Eindruck beim Abschlussevent entgegenzuwirken, auch indem sie in ihrem Resümee übergeordnete Themen aufgriff. Deutschland brauche zum Beispiel eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz für Innovation und eine angstfreie Fehlerkultur. Besonders bei Jugendlichen müsse das Bewusstsein geschärft werden, dass der hohe Lebensstandard in Deutschland nicht selbstverständlich sei, mahnte die Kanzlerin. "Dazu gehört auch ein wenig Ehrfurcht vor Strukturen, die eine Verteilung überhaupt erst möglich machen."
Merkel hatte den Zukunftsdialog als großes Experiment bezeichnet und zeigte sich am Ende sehr zufrieden damit: "Ich hoffe, sie haben neue Bekanntschaften geschlossen und schaffen neue Netzstrukturen, die unser Land so gut gebrauchen kann." Auch von den beteiligten Experten kam Lob: Die Kombination von Bürger- und Expertendialog habe neue Maßstäbe gesetzt, hinter denen keine der zukünftigen Regierungen mehr zurückfallen sollte.