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Zustimmung und Kritik

30. Dezember 2006

Lob von der US-Regierung, Freude im Iran - Trauer bei den Palästinensern sowie Kritik von der EU und vom Vatikan: Die Hinrichtung Saddam Husseins hat weltweit unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen.

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Hussein mit Schlinge um Hals
Das irakische Fernsehen zeigte die Hinrichtung bis zu dieser StelleBild: AP

US-Präsident George W. Bush nannte die Vollstreckung des Todesurteils gegen Saddam Hussein das Ergebnis eines fairen Prozesses, wie ihn der irakische Exstaatschef "den Opfern seines brutalen Regimes" vorenthalten habe. Bush sprach auf seiner Ranch in Texas von einem Meilenstein auf dem irakischen Weg zur Demokratie, der aber die Gewalt in dem Land nicht beenden werde.

Unrasierter Hussein nach Verhaftung, 2003
Am 13.12.2003 war Saddam in einem Erdloch entdeckt und verhaftet worden, tags darauf veröffentlichte die US-Armee dieses FotoBild: AP

Der irakische Ex-Diktator war mehr als drei Jahre nach seinem Sturz am Samstagmorgen (30.12.2006) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch den Strang hingerichtet worden. Der 69-Jährige wurde im Morgengrauen gegen sechs Uhr Ortszeit gehängt. Saddam, der das Land als Staats- und Parteichef mit eiserner Hand fast 24 Jahre lang beherrscht hatte, war zusammen mit seinem Halbbruder Barsan al-Tikriti und den Ex-Richtern Awad al-Bandar am 5. November zum Tode verurteilt worden. Sie wurden wegen des Massakers in dem schiitischen Ort Dudschail im Juli 1982 an 148 Schiiten zum für schuldig befunden. Die Hinrichtung der beiden Mitangeklagten wurde verschoben.

Stilisierung zum Märtyrer befürchtet

Die EU-Kommission verurteilte die Hinrichtung als barbarisch. EU-Entwicklungshilfekommissar Louis Michel sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Vollstreckung des Urteils könnte Saddam zu einem Märtyrer machen. "Man kann Barbarei nicht mit Mitteln bekämpfen, die genauso barbarisch sind. Die Todesstrafe ist mit einer Demokratie nicht vereinbar." Überdies verdiene es Saddam nicht, zu einem Märtyrer zu werden, sagte Michel. "Er ist kein Märtyrer, er hat die schlimmsten Sachen gemacht." Dennoch hätte auch Saddam nicht zum Tode verurteilt werden dürfen. "Wir sind prinzipiell dagegen." Die Todesstrafe sei mit den Werten der Europäischen Union nicht vereinbar.

Die finnische EU-Ratspräsidentschaft erinnerte gleichfalls an die grundsätzliche Ablehnung der Todesstrafe in der Europäischen Union. Sie hätte auch in diesem Fall nicht angewendet werden sollen, obwohl es keine Zweifel an der Schuld Saddams wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gegeben habe. Das erklärte Außenminister Erkki Tuomioja. Auch gegen das Gerichtsverfahren gebe es ernsthafte Einwände.

Deutsche Kritik

Ähnlich äußerte sich der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler. Die Bundesregierung habe immer erklärt, an den Verbrechen Saddam Husseins könne kein Zweifel bestehen. "Aber wir wenden uns gegen die Todesstrafe, egal, wo sie angewandt wird", sagte er.

Auch die britische Außenministerin Margaret Beckett erklärte: "Wir haben unsere Haltung den irakischen Behörden gegenüber sehr klar gemacht." Doch respektiere sie die "Entscheidung einer souveränen Nation".

Der Vatikan verurteilte die Hinrichtung. Sprecher Frederico Lombardi bezeichnete es als tragisch, dass der frühere irakische Präsident gehängt worden sei. Dies werde nicht dabei helfen, die irakische Gesellschaft zu versöhnen. Möglicherweise werde es jetzt zu einem weiteren Anstieg der Gewalt im Irak kommen.

Trauer bei Palästinensern und in Libyen

In den palästinensischen Gebieten löste die Nachricht vom Tod Saddam Husseins Trauer aus. Dort wurde der Expräsident als Kämpfer für die palästinensische Sache gesehen - seine letzten Worte waren: "Palästina ist arabisch." Der palästinensische Arbeitsminister Mohammed Barghuti sagte, seine islamische Hamas-Bewegung sei mit dem säkularen Präsidenten oft nicht einer Meinung gewesen, doch sei seine Hinrichtung falsch und die Palästinenser seien den Irakern in Brüderlichkeit verbunden. Libyen rief eine dreitägige Trauerzeit aus. Die Regierung von Muammar el Gaddafi sagte alle Feierlichkeiten zum islamischen Opferfest Eid al Adha ab und ordnete an, die Flaggen auf Regierungsgebäuden auf Halbmast zu hängen.

Der Iran begrüßte die Hinrichtung. Saddam Hussein habe die "schrecklichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen, hieß es im staatlichen Fernsehen. Mit der Vollstreckung der Todesstrafe sei das Kapitel eines der "kriminellsten Diktatoren der Welt" geschlossen. Iran und Irak hatten von 1980 bis 1988 einen Krieg gegeneinander geführt, der mehr als eine Million Menschen das Leben kostete.

Galgen und Giftspritzen

Amnesty International (AI) kritisierte die Hinrichtung und äußerte den Verdacht, sie sei offenbar ausgemachte Sache gewesen. Das Berufungsgericht habe nur einen Anschein von Legitimität für einen von Grund auf mit Fehlern behafteten Prozess geliefert. Amnesty begrüßte aber den Versuch, Saddam für seine Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.

Nach Erkenntnissen von AI halten noch 68 Staaten an der Todesstrafe fest. In Europa ist die Todesstrafe als unmenschlich geächtet und gilt nur noch in Weißrussland. Alle Mitglieder der Europäischen Union haben sie abgeschafft. Sowohl die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 als auch die Europäische Menschenrechtskonvention von 1950 stellten die Todesstrafe nicht grundlegend in Frage, schützten aber prinzipiell das "Recht auf Leben". Im Jahr 2005 wurden laut AI weltweit in 22 Ländern mindestens 2148 Menschen hingerichtet. Demnach entfielen 94 Prozent aller bekannt gewordenen Exekutionen auf nur vier Länder: die Volksrepublik China (mindestens 1700 Hinrichtungen), den Iran (94), Saudi-Arabien (86) und die USA (60). Die Verurteilten wurden gehängt, erschossen, vergiftet oder starben auf dem elektrischen Stuhl. Mittelalterliche Formen wie Steinigen oder Enthaupten werden vor allem in Saudi-Arabien und dem Iran praktiziert. (mas)