Schnelle Entscheidung
21. Juni 2007Der Gipfel beglückwünschte die beiden Mittelmeerinseln zur Erfüllung der Maastrichter Stabilitätskriterien. Beide Länder waren mit der großen Erweiterungswelle zum 1. Mai 2004 zur Union gestoßen. Die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) hatten Malta und Zypern im Mai attestiert, ihre Neuverschuldung und ihre Inflation dauerhaft im Griff zu haben. Formal muss der EU-Finanzministerrat der Aufnahme noch zustimmen. Von den EU-Altmitgliedern haben Großbritannien, Dänemark und Schweden ihre nationalen Währungen beibehalten.
Noch keine Einigung erwartet
In den übrigen Fragen über die Reform der Europäischen Union ist die Einigkeit allerdings nicht so groß. Über die rechtliche Grundlage der EU haben die Staats und Regierungschefs der Europäischen Union am Donnerstagabend erstmals gesprochen. Beim dem traditionellen Abendessen zu Beginn des Gipfels wollte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal einen Überblick über die Positionen der Mitgliedstaaten verschaffen. "Jedes Land werde mit seinem Anliegen sehr ernst genommen", versicherte sie. Der größte Widerstand kam von Polen und Großbritannien. Warschau und London drohten mit ihrem Veto gegen zentrale Elemente des neuen Vertrages.
Der britische Premierminister Tony Blair rechnete mit "sehr harten Verhandlungen". Er verwies noch einmal auf mehrere von London angemahnte Punkte, bei denen er eine "bedeutsame Änderung" verlangte. Unter anderem will London verhindern, dass die geplante Verbindlichkeit der Grundrechtecharta geltendes britisches Recht verändert; zudem soll die Souveränität der britischen Außenpolitik nicht durch einen EU-Außenminister angetastet werden. Auch der niederländische Regierungschef Jan Peter Balkenende bekräftigte die Vorbehalte seines Landes, vor allem die Forderung nach einem Vetorecht für die nationalen Parlamente.
"Unanständige Vorschläge"
Der polnische Präsident Lech Kaczynski, der als Merkels Hauptkontrahent gilt, äußerte sich bei seiner Ankunft nicht. Er hatte bis zuletzt das im Verfassungsentwurf vereinbarte Verfahren der doppelten Mehrheit bei Entscheidungen im EU-Ministerrat abgelehnt, wonach EU-Beschlüsse eine Mehrheit von 55 Prozent der Staaten erfordern, die 65 Prozent der Bevölkerung umfassen. Deutschland bekäme dann gegenüber dem jetzigen Verfahren entsprechend seiner Bevölkerungszahl bei der 65-Prozent-Marke doppelt so viel Gewicht wie Polen. Warschau fordert dagegen eine für Polen günstigere Berechnung nach der "Quadratwurzel" der Bevölkerungszahl.
Für Wirbel sorgte eine Äußerung des polnischen Regierungschefs Jaroslaw Kaczynski zum Zweiten Weltkrieg. Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen sagte, es sei "absurd", wie Kaczynski die polnische Forderung nach einem höheren Stimmgewicht in der EU begründe. Kaczynski hatte dem staatlichen polnischen Hörfunk gesagt: "Wir fordern derzeit nur, dass man uns zurückgibt, was uns genommen wurde. Wenn Polen nicht die Zeit von 1939 bis 1945 erlebt hätte, dann wäre es heute ein Land mit 66 Millionen Einwohnern." Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker nannte diese Äußerung "unanständig".
Mehr Handlungsfähigkeit nötig
Merkel will beim Gipfel einen einstimmigen Beschluss über eine Regierungskonferenz erreichen, die den neuen EU-Vertrag bis zum Jahresende ausarbeiten soll. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, die EU brauche mit ihren 27 Staaten neue Regeln, um "mehr Handlungsfähigkeit" zu erlangen.
Würde der Zeitplan eingehalten, könnte der neue Vertrag noch vor den Europawahlen im Sommer 2009 in Kraft treten. Damit wäre die seit zwei Jahren andauernde Verfassungskrise überwunden, die durch die Ablehnung des Verfassungsentwurfs durch Franzosen und Niederländer ausgelöst wurde. (ina)