Zweiter Anlauf zur Superbörse
14. Dezember 2004Knapp zwei Milliarden Euro liegen auf dem Tisch. So lautet das Angebot der Deutsche Börse für Europas wichtigsten Aktienmarkt. Doch die Führung des London Stock Exchange reagiert abwartend. Das Angebot sei deutlich zu niedrig, so die Botschaft aus London. Jetzt soll weiter verhandelt werden und darin hat Frankfurt Erfahrung. Bereits im Jahr 2000 strebte der Schweizer Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, eine Fusion der beiden Handelsplätze an. Als das nicht klappte, richtete Seifert sein Augenmerk auf Madrid und Mailand und bekundete in diesem Jahr sein Interesse an der Züricher Börse.
Übung macht den Meister
Im Gegensatz zum ersten Übernahmeversuch seien die Chancen diesmal viel besser, erklärt der Börsenexperte Wolfgang Gerke, Professor an der Universität Nürnberg-Erlangen. "Eine Übernahme ist nur noch eine Frage der Zeit. Ich glaube, der Vorstoß aus Frankfurt ist richtig und in einem zusammenwachsenden Markt in Europa nur konsequent." Zwar handelt es sich diesmal um eine Übernahme und keine Fusion, aber die Deutsche Börse geht die Verhandlungen behutsamer an, als noch vor vier Jahren. Ein gemeinsamer Aktienmarkt ist nicht geplant und auch die vorhandenen Marktstrukturen und Handelswährungen in beiden Ländern sollen erhalten bleiben.
Zum Pokern gehören zwei
Durch den Zusammenschluss hofft die Frankfurter Börse vor allem Kosten zu sparen. "Doch je höher der Preis steigt, je niedriger sind die Synergieeffekte für Frankfurt", erklärt Gerke. Er erwartet einen Pokerspiel, denn die Vier-Länder-Börse Euronext steht unter Zugzwang. Euronext, in der die Handelsplätze Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon zusammengefasst sind, könnte versuchen ein Gegenangebot vorzulegen um die Übernahme für die Deutschen so teuer wie möglich zu machen, erklärt Gerke.
Ein umstrittener Vorstoß
Kritiker fürchten schon jetzt, dass nicht Frankfurt, sondern am Ende der Standort London von der Übernahme profitiert. Gemessen am Börsenwert ist die Deutsche Börse zwar viel größer, aber wenn es nach dem Wert der gehandelten Unternehmen geht, hat London die Nase vorn. Hier sitzt das große Geld und womöglich, so die Kritiker, künftig die Zentrale der geplanten Gemeinschaftsbörse.
Nach Meinung von Wolfgang Gerke hat der Standort Frankfurt aber kaum Alternativen. "Es ist ganz normal, dass sich die Börsen in Europa zusammenschließen und wenn die Londoner Börse von Euronext, oder der amerikanischen Konkurrenz übernommen wird, ist das noch schlechter für Frankfurt". Gelingt die Übernahme, so Gerke, würde Frankfurt nicht nur von dem Imagezuwachs profitieren, sondern auch den ersten Schritt in Richtung einer pan-europäischen Börse machen.