Ceres hat nun einen Begleiter
6. März 2015Mehr als 413 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt zieht Ceres seine Bahn. Weit hinter der Frostgrenze im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Dort ist die Strahlung der Sonne so schwach, dass Wasser zu Eis gefriert. Ceres ist der größte Asteroid unseres Sonnensystems. Ein seltsamer Himmelskörper, über den Forscher kaum etwas wissen. Mit einem Durchmesser von 950 Kilometern und einer fast kugelförmigen Gestalt ähnelt er mehr einem Planeten als den viel kleineren - unregelmäßig geformten - kosmischen Gesteinsbrocken, die hier ihre Bahnen ziehen, auch Asteroiden genannt.
Forscher vermuten: Vor rund 4,5 Milliarden Jahren war Ceres auf dem Weg, zu einem Planeten heranzuwachsen. Doch er blieb in dieser Entwicklung stecken. In Ceres ist somit ein früher Zustand unseres Sonnensystems konserviert, vergleichbar mit den Mammuts im Eis.
Erste Blicke auf eine fremde, bizarre Welt
Mit rund zwei Gramm pro Kubikzentimeter ist die Dichte des fernen Himmelskörpers viel zu gering als dass er komplett aus Gestein bestehen könnte. Forscher vermuten deshalb auf Ceres eine bis zu hundert Meter dicke Schicht aus gefrorenem, ja vielleicht sogar flüssigem, Wasser unter einer festen Kruste. Dort könnte es Spuren einfachen Lebens geben. Möglicherweise besitzt die bizarre Welt sogar eine Atmosphäre aus Wasserdampf, die aus unterirdischen Reservoirs gespeist wird.
Erste Hinweise darauf lieferte das Europäische Weltraumteleskop Herschel. Das Himmelsauge hat gleich drei Mal Wasserdampf in der unmittelbaren Umgebung von Ceres nachgewiesen. Und der konnte nur von Ceres stammen. Berechnungen ergaben: Sechs Kilogramm Wasser verdunstet der Himmelskörper jede Sekunde ins All. Vermutlich stammt es aus Regionen, in denen die unter der Kruste verborgenen Eisschichten freigelegt wurden und das Wasser dort entweichen kann. Der Wasserdampf könnte aber auch durch sogenannte Kryovulkane entstehen. Die schleudern, angetrieben durch eine Wärmequelle im Inneren von Ceres, Eis hinaus ins All.
Detailreiche Fotos sollen in den kommenden Wochen helfen, das Wasserrätsel zu klären. "Sobald die Krater klarer erkennbar sind, könnte ihre Form zudem Rückschlüsse darauf zulassen, ob Eis vorhanden ist", prophezeit Planetenforscher Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung MPS in Göttingen, der wissenschaftliche Leiter des Kamerasystems. Es wurde unter Federführung des MPS entwickelt. Forscher in Göttingen betreiben das Instrument und werten die wissenschaftlichen Daten aus. Wissenschaftler am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof verarbeiten die Aufnahmen dann zu drei-dimensionalen Geländemodellen. Damit können die Forscher dann die Entwicklungsgeschichte von Ceres rekonstruieren und herausfinden, welche Prozesse diese Landschaften einst geformt haben.
Unterschiedliche Krater und viele offene Fragen
Auf den neuen Bildern, die von der Raumsonde DAWN am 19. Februar zur Erde gesendet wurden, sind verheißungsvolle Kraterlandschaften erkennbar: Es gibt kleine, eher flache Krater - aber auch Einschlagbecken, in deren Mittelpunkt sich ein Berg auftürmt. Einzelne Krater, so schätzen die Experten, könnten durchaus einen Durchmesser von 300 Kilometern haben.
Außerdem scheint Ceres mit einer festen, krustigen Schicht bedeckt zu sein. Hat sie sich gebildet, weil Wassereis und andere flüchtige Stoffe durch das Sonnenlicht im Lauf der Zeit verdampften? Wurde durch Einschläge kosmischer Felsbrocken Ceres Oberfläche mit fremdem Material kontaminiert? Wenn ja: Wie hat sie sich dadurch verändert. Und wo ist diese bizarre Welt entstanden? Forscher vermuten: Ceres könnte sich auch viel weiter draußen im Sonnensystem gebildet haben - weit hinter den großen Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Dort wo auch Pluto seine Bahn um die Sonne zieht. Der hohe Wasseranteil von Ceres gilt als ein möglicher Beleg dafür.
Neben den Kratern sind auch hellere Regionen zu erkennen, die jedoch aus der bisherigen Entfernung von 46.000 Kilometern noch nicht gedeutet werden können.
Diese und viele weitere Fragen wird die Raumsonde DAWN bald klären. Am 6. März 2015 soll die mit drei Forschungsinstrumenten bestückte Sonde in einen Orbit um den geheimnisvollen Ceres einschwenken. Und die ferne Welt bis 2016 umrunden. Dabei wird sie sich Ceres immer weiter annähern.
Bis sie am geplanten Ende ihrer Mission nur noch 375 Kilometern von dessen Oberfläche ihre Bahnen zieht. So kann sie immer detailreichere Aufnahmen zur Erde schicken - bis zu einer Auflösung von 35 Metern - Und die chemische Zusammensetzung des Bodens genau erkunden.
Weltraumabenteuer DAWN-Mission
Ceres ist schon der zweite Himmelskörper, den die Raumsonde DAWN ins Visier nimmt. Im September 2007 zu ihrer langen Reise in den Asteroidengürtel gestartet, schwenkte die Sonde fast vier Jahre später am 16. Juli 2011 in eine Umlaufbahn um den Asteroiden Vesta ein. Als erstes Raumschiff, das so einen kosmischen Felsbrocken umkreist.
Nie zuvor hatten Flugtechniker ein solches Manöver gewagt. Rund ein Jahr hat DAWN den Asteroiden Vesta aus dem Orbit untersucht. Eine Welt, die das komplette Gegenteil zu Ceres darstellt. Vesta ist ein trockener, felsiger Asteroid, während es sich bei Ceres um eine nasse Welt handelt, mit einem geschätzten Wasseranteil von 15 bis 25 Prozent.
Forschungsreise zurück in der Zeit
Und diese beiden, so sehr unterschiedlichen, Himmelskörper sind im Asteroidengürtel zuhause. Während die felsige Vesta den inneren Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars ähnelt, gleicht Ceres mehr den eisigen Monden der Gasplaneten Jupiter und Saturn im äußeren Sonnensystem.
"Die Mission DAWN wird uns helfen zu verstehen, wie sich solche wasserreichen Asteroiden gebildet haben und wie sie bis heute aktiv sein können", erklärt Missionsleiter Chris Russel von der University of California in Los Angeles. Das Kamerasystem aus Deutschland spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Zudem erlauben die gegensätzlichen Welten einen Blick zurück zu den Anfängen unseres Sonnensystems. Beide Himmelskörper konnten sich nicht zu Planeten entwickeln, blieben in frühen Phasen der Planetenentstehung stecken. Während andere Himmelskörper immer mehr Materie aufsogen und sich zu Planeten zusammenballten oder bei heftigen Zusammenstößen in kleine Fragmente zerbrachen.
Der kosmische Ursprung unserer Existenz
Vor rund 4,5 Milliarden Jahren sah unser Sonnensystem ganz anders aus als heute. Statt der acht Planeten drehte sich zunächst eine Wolke, später dann eine Scheibe aus Gas und Staub um die gerade entstandene Sonne. Unter dem Einfluss der Schwerkraft ballten sich unregelmäßig geformte Klumpen aus Materie zusammen, die schließlich Durchmesser von einigen Kilometern erreichten. Durch Zusammenstöße wuchsen diese Klumpen zu sogenannten Protoplaneten heran.
Nur im Umfeld von Jupiter vollzog sich eine andere Entwicklung. Dessen Schwerkraft verhinderte hier die Entstehung von Planeten. Das neu geborene Planetensystem veränderte sich durch den Einfluss der Sonne immer weiter. Durch die Hitze und das Bombardement aus geladenen Teilchen, die unser Zentralgestirn ins All schleudert, verloren die inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars ihre flüchtigen Gasbestandteile. Zurück blieben feste Körper. Während die äußeren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und ihre Monde reich an Wasser blieben. Die Raumsonde DAWN soll den Forschern neue Einblick liefern, wie sich dieser Prozess zwischen den Planeten im inneren und im äußeren Sonnensystem einst vollzog.