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Vorsitz unterm Schirm

Christoph Hasselbach2. Juli 2012

Eine kleine Insel mit großen Problemen leitet seit dem 1. Juli die EU-Ministerräte. Zypern fällt in mehrerer Hinsicht aus dem Rahmen.

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Hafenstadt Larnaca auf Zypern (Foto: Andreas2009 /DW Archiv)
Hafenstadt Larnaca auf ZypernBild: cc-by:Andreas2009-sa

Die Euro-Krise wirft ihre Schatten auch auf die Ratspräsidentschaft. Mit Zypern hat  zum ersten Mal ein EU-Land den Ratsvorsitz, das auf europäische Hilfe angewiesen ist. Nur wenige Tage vor Präsidentschaftsbeginn stellte die zyprische Regierung den Antrag. Ähnlich wie bei Spanien hat Zypern vor allem ein Bankenproblem. Sie sind völlig überschuldet. Janis Emmanouilidis, Zypern- und Griechenland-Experte bei der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre, spricht von "erheblichen Verflechtungen zwischen Zypern und Griechenland, vor allem im Bankensektor. Und zypriotische Banken haben durch die Restrukturierung der griechischen Schulden einen hohen Verlust in Kauf nehmen müssen." Einzelheiten, vor allem zur Höhe der Hilfe und den Auflagen, sind aber noch nicht geklärt.

Geld auch aus Moskau

Dabei hatte Zypern vor einigen Monaten bereits Unterstützung von einer anderen Seite erhalten. Im Dezember gewährte Russland einen Kredit von 2,5 Milliarden Euro. Hilfe von dritter Seite sieht die EU nicht besonders gerne, weil sie eine Abhängigkeit des Empfängerlandes gegenüber solchen Hilfegebern befürchtet. Diese Gefahr sieht aber der zyprische Europaabgeordnete Ioannis Kasoulides nicht. Der Christdemokrat Kasoulides war 2008 in der Stichwahl um die Präsidentschaft gegen den Kommunisten Dimitris Christofias unterlegen. Doch "obwohl ich ein politischer Gegner von Präsident Christiofias bin und seine Politik oft kritisiere, glaube ich nicht, dass dieses Darlehen für irgendeine Gegenleistung gewährt wurde." Wieso aber dann die russische Hilfe? Janis Emmanouilidis erklärt das mit "jahrhundertealten historisch-kulturellen Beziehungen" und der gemeinsamen christlich-orthodoxen Tradition. Es seien aber vor allem wirtschaftliche Interessen im Spiel. "Es gibt russische Investoren, die in Zypern investiert haben, die auch ihr Geld im zypriotischen Bankensektor untergebracht haben. Von daher gibt es handfeste Gründe, warum Moskau Unterstützung gegenüber Zypern geleistet hat."

Zyperns Präsident Dimitris Christofias (Foto: AP/dapd)
In Moskau studiert: Zyperns Präsident Dimitris ChristofiasBild: AP

Verhandlungen mit der Türkei liegen auf Eis

Zypern ist aber nicht nur das erste Präsidentschaftsland unter dem Rettungsschirm und das einzige mit einem kommunistischen Präsidenten. Es ist auch das einzige geteilte EU-Land. Zwar ist rein rechtlich gesehen ganz Zypern 2004 der EU beigetreten, faktisch gilt das aber nur für den griechischsprachigen Südteil. Der Nordteil wurde 1974 von türkischen Truppen besetzt und nennt sich Türkische Republik Nordzypern, wird aber nur von der Türkei als Staat anerkannt. Umgekehrt erkennt auch die Türkei die Republik Zypern nicht an. Sie hat ihre Häfen und Flughäfen für deren Bürger gesperrt und lehnt eine Zollunion mit Zypern ab. Direkte Auswirkungen dieser Politik gibt es auch auf die Ratspräsidentschaft. Denn die Regierung in Ankara, die ja immerhin mit der EU Beitrittsverhandlungen führt, will alle von Zypern geleiteten, die Türkei betreffenden Ministerräte boykottieren. Für Martin Schulz, den Präsidenten des Europaparlaments, ist das ein unerträglicher Zustand: "Es kann nicht sein, dass ein Land, das Mitglied der EU werden will, sagt: "Ein anderes Land, das schon Mitglied ist, erkennen wir nicht an, und wenn dieses Land die Präsidentschaft hat, dann unterbrechen wir alle unsere Aktivitäten."

Verlassene Hotels bei Famagusta im türksich besetzten Teil Zyperns - Archivbild Mai 2003 (Foto: ddp images/AP)
Verlassene Hotels bei Famagusta im türkisch kontrollierten Teil der InselBild: dapd

Schulz: Zur Not steht die EU Zypern bei

Doch die EU kann die Türkei natürlich nicht zwingen. Der zyprische Europaabgeordnete Ioannis Kasoulides nimmt es gelassen: "Das ist ihre Entscheidung. Ich glaube, das wird ihnen schaden, aber es ist ihre Entscheidung." Der zyprische Präsident Christofias sieht durchaus die Gefahr, dass die Situation die Ratspräsidentschaft blockiert. Er versprach kürzlich bei einem Besuch in Brüssel, "dass wir bereit sind, den Dialog zu einer Lösung des Zypern-Problems auch während der Ratspräsidentschaft weiterzuführen, unter der Voraussetzung natürlich, dass auch die andere Seite das möchte." Und falls sich die diplomatischen Entwicklungen zuspitzen? Parlamentspräsident Schulz sicherte Christofias zu: "Wenn die Türkei andere Aktivitäten entfalten würde oder Maßnahmen ergreift, die ich heute so nicht erkennen kann, dann wird sicher die EU Zypern beistehen." Im Übrigen mahnte er aber, "es nicht zu übertreiben. Wir haben alle ein großes Interesse daran, mit der Türkei zu vernünftigen Kooperationen zu kommen."

Geldautomaten in Nikosia (Foto: dpa)
Mit Euros aus Brüssel befüllt: Geldautomaten in NikosiaBild: picture-alliance/dpa

Fernziel Wiedervereinigung

Präsident Christofias hat auch in Brüssel noch einmal das Ziel des Dialogversuchs mit der türkischen Seite bekräftigt, "die Wiedervereinigung unseres Landes und Volkes". Der letzte ernsthafte Versuch, das zu erreichen, war der Annan-Plan von 2004. Er scheiterte daran, dass eine große Mehrheit der griechischsprachigen Zyprer ihn ablehnten. Zu den Befürwortern gehörte der heutige Europaabgeordnete Ioannis Kasoulides: "Ich muss sagen, und Sie reden mit jemandem, der von der Aussicht auf eine Einigung begeistert war, dass ich tief enttäuscht bin. Ich kann unter den gegebenen Umständen nicht erkennen, dass eine Einigung in Sicht wäre." Der Grund, warum so viele seiner Landsleute damals den Plan abgelehnt haben, sei die Angst gewesen, die Türken würden sich nicht an ihre Verpflichtungen halten. "Wenn wir den Status Quo ändern, würden wir es tun, weil die Türkei akzeptieren würde, dass das Problem gelöst ist. Dann würde die Türkei ihre Streitkräfte von Zypern abziehen und Zypern erlauben, als unabhängiger, souveräner Staat zu funktionieren.“ Doch das sind Zukunftsträume. Während der Zeit der Ratspräsidentschaft wird der innerzyprische Dialog mit Sicherheit auf ganz kleiner Flamme kochen, und zwischen Zypern und der Türkei wird wohl weiter Funkstille herrschen.

Türkische Grenzanlage nahe Nikosia (AP Photo/Petros Karadjias)
Türkische Grenzanlage nahe NikosiaBild: AP