Zündfunke Corona: Gewalt gegen Journalisten
9. Mai 2020In Deutschland wächst der Widerstand gegen die von der Bundesregierung beschlossenen Corona-Maßnahmen. Die Einschränkungen der Grundrechte seien zu massiv, sagen Kritiker. Viele befürchten gar eine drohende Impfpflicht - für einen Corona-Impfstoff, der noch nicht existiert. In Stuttgart versammelten sich am vergangenen Samstag bei der bisher größten Kundgebung laut den Veranstaltern rund 5000 Menschen. Die Polizei beschrieb die Demonstration als weitgehend friedlich.
Doch nicht immer verlaufen die Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen gewaltfrei. Vor allem für Journalisten, die über die Proteste berichten wollen, wird es mitunter bedrohlich. In Berlin wurden innerhalb weniger Tage zwei Kamerateams des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angegriffen. Mitarbeiter des TV-Senders ZDF hatten am 1. Mai für die satirische Heute-Show eine sogenannte "Hygiene-Demonstration" gefilmt. Kurz darauf wurde das Team - womöglich gezielt - von rund 15 vermummten Personen angegriffen und teilweise erheblich verletzt. Medienberichten zufolge sollen die Angreifer Metallstangen und Totschläger verwendet haben. Der Vorfall rief deutschlandweit Bestürzung hervor. Der Generalsekretär der konservativen CDU, Paul Ziemiak, schrieb auf Twitter, er sei fassungslos über den Angriff.
Bei den "Hygiene-Demos", von denen das ZDF berichtete, fand sich zuletzt eine ungewöhnliche Mischung von Protestierenden ein: Rechtspopulisten und Rechtsextreme standen da mit linken Kapitalismuskritikern und Impfgegnern zusammen. Auch Verschwörungstheoretiker mischten sich unter die Demonstranten. Zum Fall des Angriffs auf die ZDF-Mitarbeiter ermittelt inzwischen der Staatsschutz. Sechs Personen konnten kurz nach dem Angriff in der Nähe des Tatorts festgenommen werden. Nach polizeilichen Erkenntnissen könnten sie der linken Szene angehören. Allerdings sei die Aufklärung der Tat schwierig, gab die Polizei bekannt, da die Zeugenaussagen sich teilweise widersprächen.
Nur einen Tag vor der Attacke auf die Journalisten, also am 30. April, veröffentlichte der ehemalige Moderator des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) Ken Jebsen auf seiner Website "KenFM", auf der er regelmäßig Verschwörungstheorien verbreitet, einen Kommentar. Ein Autor mit dem Namen Bernhard Loyen schreibt darin, er habe durch "Zufall in Erfahrung" bringen können, das ZDF wolle auf der geplanten Demonstration "gezielt Verpeilte und Verstrahlte rauspicken, um sie für das dürstende ZDF-Publikum vorzuführen". So gelte bei den öffentlich-rechtlichen Medien jeder, der auf die Straße gehe, als "Verschwörungstheoretiker, Verpeilter oder Nazi oder alles drei in individueller Mischung". Bernhard Loyen nutzt dann seinen Kommentar noch für einen Aufruf: "Widerstand. Der Widerstand muss wachsen. Jetzt."
Medien als Teil einer Verschwörungstheorie
Noch in derselben Woche kam es in Berlin zu einem weiteren Angriff auf Medienvertreter. Bei einer Versammlung vor dem Berliner Reichstagsgebäude mit rund 400 Teilnehmern löste sich einer der Demonstranten aus der Menge und versuchte Polizeiangaben zufolge nach einem Tonassistenten der ARD zu treten. Dabei habe er die Mikrofon-Angel getroffen, die gegen den Kopf des Kameramannes schlug. Gegen den 46-jährigen Angreifer liege eine Strafanzeige wegen Körperverletzung vor. Videos des Vorfalls auf Twitter zeigen, dass die Polizei schnell reagierte und den Angreifer festnahm.
Zu der Versammlung aufgerufen hatte der Koch Attila Hildmann. Hildmann fiel jüngst immer wieder mit der Verbreitung von Verschwörungstheorien auf - etwa mit der Aussage, der Microsoft-Gründer Bill Gates stecke hinter der Verbreitung des Coronavirus. Auf seiner Facebook-Seite teilt Hildmann auch regelmäßig gegen "die Medien" aus. So schreibt er in einem Posting, man solle "in keinem Fall" den Aussagen oder Bildern in den Medien vertrauen. Diese seien "eine Inszenierung, um die Machtergreifung zu vereinfachen".
Eine Aussage, die bei seinen Anhängern auf fruchtbaren Boden zu fallen scheint: Dem Angriff auf das ARD-Team auf der von ihm initiierten Demonstration gingen "Lügenpresse"-Rufe voraus. Auch nach der Attacke solidarisierten sich die Demonstranten mit dem Angreifer und forderten die Polizei auf, ihn freizulassen. Der deutsche Außenminister Heiko Maas äußerte sich nach dem Vorfall auf Twitter. Wer Journalisten angreife, richte sich gegen die Demokratie.
Kritische Berichterstattung nicht erwünscht
Journalisten geraten nicht nur durch physische Angriffe im Umfeld der Corona-Kritiker unter Druck. Auch in Stuttgart, wo die größte friedliche Demo gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland stattfand, gehört Medienschelte zum Protest-Programm. Besonders der Organisator der Demonstration, der Unternehmer Michael Ballweg, kritisiert Medienanstalten wie ARD und RTL für ihre in seinen Augen einseitige und fehlerhafte Berichterstattung. So hätten die Sender die Demonstranten fälschlicherweise als Impfgegner, Pegida-Anhänger und Verschwörungstheoretiker bezeichnet.
Ballweg fordert deshalb ARD und RTL auf, ihre Berichterstattung zu korrigieren und bestimmte Bilder der Demonstrationen zu zeigen, die bestätigen sollen, dass sie mit ihren Bericht falsch lägen. Andernfalls werde er die Medienvertreter aus künftigen Versammlungen ausschließen. Schon jetzt müssen alle Journalisten, die mit Ballweg und seinen Mitstreitern sprechen wollen, online ein Formular ausfüllen: Darin verpflichten sich die Journalisten, "wahrheitsgemäß, unparteiisch und vollständig zu berichten". Dieses Formular müsse auch zu den Demonstrationen mitgebracht und vorgelegt werden.
Ballweg bezieht sich in seinen Reden bei Demonstrationen in Stuttgart und in seinen Youtube-Videos häufig auf das Grundgesetz. Vor allem Artikel 5 erwähnt er immer wieder: Der garantiert die Meinungsfreiheit in Deutschland. Auch dazu müssen sich Journalisten in dem Anmelde-Formular bekennen. Besonders zu dem Zusatz: "Eine Zensur findet nicht statt." Mit diesem Grundgesetzartikel hat wohl kein Journalist ein Problem.
Eher mit Ballweg. Denn der scheint nicht zu wissen: Neben dem Grundgesetz mit Artikel 5 existiert im deutschen Recht auch das Versammlungsgesetz mit seinem Paragrafen 6, Absatz 2. Darin ist festgehalten, dass niemand Journalisten mit einem gültigen Presseausweis von öffentlichen Versammlungen ausschließen darf.