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Äthiopien nach dem Tod von Meles Zenawi

Ludger Schadomsky21. August 2012

Äthiopien hat seinen starken Mann verloren. Doch kaum war der Tod von Äthiopiens langjährigem Ministerpräsidenten Meles Zenawi bestätigt, begann in Addis Abeba der Machtkampf um seine Nachfolge.

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Verstorbener Premierminister Meles Zenawi (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Premierminister werde zum äthiopischen Neujahrsfest am 11. September wieder auf den Beinen sein - das hatte Regierungssprecher Bereket Simon bis zuletzt Journalisten und Diplomaten mitgeteilt, die sich nach dem Gesundheitszustand von Meles Zenawi erkundigten. Doch so recht glauben wollte ihm niemand.

Der für gewöhnlich so umtriebige Meles, der nach äthiopischem Brauch mit seinem Vornamen angeredet wird, glänzte im Juli auf dem Gipfeltreffen der afrikanischen Staats- und Regierungschefs in der Hauptstadt Addis Abeba mit Abwesenheit. Seitdem verdichteten sich die Gerüchte um einen bevorstehenden Tod des schwer kranken 57-Jährigen. Am Vormittag trat nun Minister Bereket in Addis Abeba erneut vor die Weltpresse und bestätigte offiziell den Tod des Regierungschefs. Gerüchte über eine angebliche Lebensmittelvergiftung, die äthiopische Webseiten ins Spiel bringen, gelten als wenig glaubwürdig.

Nachfolger auf Zeit

Erstmals berichtete das äthiopische Staatsfernsehen ETV am Dienstag (21.08.2012) über das Thema. Zuvor war bereits eine Zeitung, die über den Gesundheitszustand des Premierministers spekuliert hatte, von den Behörden geschlossen worden.

Die Amtsgeschäfte übernimmt laut Verfassung zunächst der stellvertretende Ministerpräsident und Außenminister Hailemariam Desalegne. Der Wasseringenieur und frühere Meles-Berater gilt als durchaus ehrenwerter Technokrat, dem freilich die Durchsetzungskraft seines Ziehvaters fehlt. Als Angehöriger der Ethnie der Wolayta gehört er nicht der Volksgruppe der Tigreer und damit der Machtbasis von Meles an. Eine Kandidatur würde deshalb sowohl bei den Kadern der Tigreischen Volksbefreiungsfront (TPLF) als auch beim mächtigen Militär auf wenig Gegenliebe stoßen.

Portrait von Äthiopiens Außenminister Hailemariam Desalegne (Foto: CC-BY-SA- World Economic Forum)
Übernimmt die Regierungsgeschäfte: Außenminister DesalegneBild: CC-BY-SA- World Economic Forum

Machtkampf in Addis Abeba

Ob die einflussreiche orthodoxe Kirche zudem erstmalig einen Protestanten in der Geschichte Äthiopiens an der Spitze der Regierung unterstützen würde, steht zumindest in Frage. Auch ist zu erwarten, dass die Oromo ein Wörtchen mitreden möchten. Sie sind zahlenmäßig zwar die größte Volksgruppe des Landes, politisch aber unterrepräsentiert. Selbst der ihnen zugedachte Posten des Staatspräsidenten hat lediglich zeremoniellen Charakter. Und schließlich könnten auch die jüngst entflammten Auseinandersetzungen zwischen Äthiopiens Muslimen und der Regierung ihren Schatten auf die Kandidatenkür werfen.

Premierminister Meles Zenawi mit seiner Frau Azeb Mesfin (Foto: AP/dapd)
Nachfolgerin? Meles' Witwe Azeb MesfinBild: dapd

Glaubt man äthiopischen Diaspora-Quellen, tobt hinter den Kulissen bereits ein Machtkampf um die Nachfolge. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten dabei der Gesundheitsminister und Meles-Vertraute Tewodros Adhanom sowie der Karrierediplomat und TPLF-Intimus Berhane Gebre Kristos. Auch Meles Witwe, die Geschäftsfrau Azeb Mesfin, die als Mitglied des allgewaltigen neunköpfigen Politbüros der Regierungskoalition ein Vermögen anhäufte und immer wieder mit Korruption in Verbindung gebracht wurde, wird als Nachfolgerin gehandelt. Allerdings werden ihr keine Chancen eingeräumt.

Folgen auch über Äthiopen hinaus

Auch für die regionale Dynamik am unruhigen Horn von Afrika hat der Tod von Meles Konsequenzen: Neben Sudan spielt die Hegemonialmacht Äthiopien im anarchischen Somalia eine wichtige Rolle, wo sie Truppenkontingente im Kampf gegen die islamistischen Al Shabaab-Milizen stellt. Die kontroversen Verhandlungen mit Ägypten um die Anrainerrechte am Nilwasser, in die sich Meles persönlich eingeschaltet hatte, wird nun ein anderer führen müssen. "Aber die spannendste Frage ist natürlich die, ob der Tod von Meles eine dramatische Veränderung im Verhältnis mit Eritrea bringt", weiß Sally Healy, Äthiopien-Kennerin am Rift Valley Institute in London. Sie spielt an auf die Dauerfehde zwischen den ehemals verbündeten Guerillakämpfern Meles und dem autoritären Präsidenten Eritreas Afewerki. Seit dem verlustreichen Grenzkrieg zwischen 1998 und 2000 ist das Verhältnis zwischen beiden Ländern äußerst angespannt.

Die Stimmung der Nachbarn fasste am Dienstag der Premierminister des strategischen Partners und Nachbarn Kenia, Raila Odinga, so zusammen: "Wir fürchten um die Stabilität in Äthiopien. Ich weiß nicht, ob das Land ausreichend auf eine Nachfolge vorbereitet ist."

Kenias Präsident Kibaki und Meles Zenawi (Foto: rtr)
Hegemon am Horn von Afrika: Meles mit Kenias Präsident KibakiBild: Reuters

Wie auch immer Meles' Verdienste in Äthiopien angesichts der Kritik von Menschenrechtsgruppen und der Opposition zu würdigen sind: Mit seinem Tod verliert Afrika ein ebenso wortgewaltiges wie strategisch kluges Sprachrohr, das den Kontinent auf Klimakonferenzen ebenso gut wie auf G20-Treffen vertreten und die afrikanische Good-Governance-Initiative NEPAD vorangetrieben hat. Ob Meles' Nachfolger oder gar Südafrikas umstrittener Präsident Jacob Zuma diese Lücke wird füllen können, darf zumindest bezweifelt werden.

Quo vadis Äthiopien?

Jakkie Cilliers, Direktor des südafrikanischen Instituts für Sicherheitsstudien (ISS), sieht im Tod von Meles sogar etwas Positives: "Er bleibt nicht am Stuhl kleben wie Museveni oder Mugabe - solange, bis er sein Land ins Zwielicht geführt hat. Dies ist auch eine Chance für Äthiopien".

Nach dem Tod des langjährigen Regierungschefs stehen Äthiopien in diesen Tagen zwei richtungsweisende Entscheidungen ins Haus: Am Donnerstag (23.08.2012) wird der jüngst verstorbene Patriarch der ebenso einflussreichen wie konservativen äthiopisch-orthodoxen Amtskirche, Abune Paulos, beigesetzt. Auch seine Nachfolge ist ein Politikum und wird von den Äthiopiern mit Spannung erwartet.