Überfall auf Journalistin weiter ungeklärt
9. Januar 2014Die Ermittlungen bezüglich des Überfalls auf die regierungskritische Journalistin Tetiana Chornovol verlaufen nur schleppend, kritisieren ukrainische Oppositionelle. Pawlo Petrenko, Abgeordneter der Vaterlands-Partei, wirft den Behörden vor, an einer wirklichen Aufklärung nicht interessiert zu sein. "Die Polizei versucht den Fall so darzustellen, als würde es sich bei den Tätern um irgendwelche Rowdys handeln und Tatiana Chornovol sei einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Aber dieses Verbrechen ist ganz klar politisch motiviert", sagte Petrenko der Deutschen Welle. Er betonte, Chornovol gehöre zu den Organisatoren der proeuropäischen Demonstrationen auf dem Maidan, dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz. Ferner habe die Journalistin illegale Einnahmen des Generalstaatsanwalts und des Innenministers aufgedeckt.
Die Journalistin und Aktivistin Tetiana Chornovol war in der Nacht zum 25. Dezember auf einer Autobahn nahe Kiew von Unbekannten überfallen und brutal zusammengeschlagen worden. Die junge Frau ist für ihre kritischen Artikel bekannt und hat mit einem Video über ihre politische Arbeit auch an dem Projekt der Deutschen Welle "Alle Macht dem Volk" teilgenommen.
Fakten werden "übersehen"
Fünf Verdächtige seien bereits festgenommen worden, nach einem weiteren werde gefahndet, berichtete am 30. Dezember bei einem Treffen mit den Botschaftern der USA und der EU der Leiter der Hauptermittlungsabteilung im ukrainischen Innenministerium, Mykola Tschyntschyn. Mehr als 50 Zeugen seien befragt und 20 Gutachten in Auftrag gegeben worden. Auch seien die Fahrzeuge des Opfers und der Verdächtigen beschlagnahmt worden. Gesichtet würden noch Aufnahmen von Überwachungskameras auf der Autobahn, wo sich der Überfall ereignete.
Auf die Ermittlungen der Behörden wollen sich die Oppositionellen aber nicht verlassen. Man werde ein Team aus ehemaligen hochrangigen Polizeibeamten bilden, das parallele Untersuchungen des Überfalls auf Chornovol durchführen werde, berichtete Petrenko. Diese Gruppe solle den Kern eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses bilden, den die Opposition gleich nach der Winterpause einrichten wolle. Petrenko zufolge prüfen die oppositionellen Ermittler aber schon jetzt alle Beweise, die den Behörden vorliegen. Schon bald will die Opposition ihre Ergebnisse veröffentlichen.
Die Polizei "übersehe" Fakten, die der offiziellen Version widersprechen, wonach es sich bei den Tätern nur um Rowdys gehandelt habe, kritisiert auch Ihor Luzenko. Der stellvertretende Kommandeur der von den Demonstranten errichteten Zeltstadt auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatzes sagte der DW, er wollte nicht voreilig alle ihm vorliegenden Fakten offenlegen. Er sagte lediglich, in jener Nacht sei Chornovol nicht nur von einem, sondern von mehreren Fahrzeugen verfolgt worden. "Wenn die Aussagen der Verdächtigen wahr sind, müssen sie mit den Aufzeichnungen der Überwachungskameras übereinstimmen. Jedoch ist derzeit darüber nichts bekannt", so Luzenko.
Ermittler unter Druck?
Auch Menschenrechtler fordern eine gründliche Untersuchung des Überfalls auf die Journalistin Chornovol. Jewhen Sacharow, Leiter der Menschenrechtsgruppe in Charkiw, sagte der DW, er sei empört darüber, dass die Polizei sogar versuche, die Opposition für die Tat verantwortlich zu machen. "Behauptungen von Polizeibeamten, wonach die Klitschko-Brüder Verbindungen zu kriminellen Kreisen unterhielten, sind unwahr. Dagegen sollte man juristisch vorgehen", so Sacharow. Seiner Ansicht nach lassen sich die Ermittler des Innenministeriums nicht von rechtsstaatlichen Prinzipien leiten. Sie stünden unter dem Druck ihrer Vorgesetzten und seien nicht frei in ihren Entscheidungen. "Die Ermittler haben einfach nicht die Möglichkeit, unparteiisch allen Spuren und Motiven nachzugehen", unterstrich der Menschenrechtler.
Mykola Kosyrjew von der Ukrainischen Helsinki-Gruppe meint, der Überfall auf Chornovol sei eine Form von Zensur, zu der die Staatsmacht jetzt greife. "In der Sowjetzeit gab es eine spezielle Zensur-Stelle, die alle Publikationen überprüfte und die Veröffentlichung von regierungskritischen Meinungen nicht zuließ", sagte der Menschenrechtler. Ihm zufolge "wendet das heute herrschende Regime in der Ukraine physische Gewalt und Repressionen gegen Journalisten als eine Form von Zensur an". Das solle allen anderen Journalisten deutlich machen, dass ihnen das gleiche passieren könne, so Kosyrjew.