Gruppenbild mit Uniform in Ägypten
17. Juli 2013Ägyptens Übergangspremier Hasem Al-Beblawi hat nicht lange gebraucht. Binnen weniger Tage versammelte er eine provisorische Regierungsmannschaft aus Experten um sich. Dabei ging der Posten des Vize-Premiers überraschend an Militärchef und Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi. Nach der Vereidigung stand Al-Sisi beim Gruppenbild mit Uniform in der ersten Reihe. Das weckt Befürchtungen, die Armee könnte nach dem Putsch gegen Präsident Mohammed Mursi vor zwei Wochen weiter die Zügel in der Hand behalten.
Die Politikwissenschaftlerin Sally Khalifa Isaac Atwan teilt diese Sorge jedoch nicht: "Als Regierung für eine Übergangszeit ist das okay", sagt die Professorin der Cairo-University im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Ministerriege bestehe aus ausgewiesenen Fachleuten und repräsentiere verschiedene politische Lager. Allein die Islamisten fehlten, weil sie sich weiter einer Zusammenarbeit verweigerten. Verteidigungsminister Al-Sisi befasse sich vorrangig mit allgemeinen Sicherheitsfragen und nicht mit der Tagespolitik. "Im Hinblick auf die Übergangsminister kann ich keinen Einfluss des Militärs erkennen", sagt die Kairoer Forscherin.
Auch der Politologe Hamadi El-Aouni von der Freien Universität Berlin glaubt nicht, dass Al-Sisi der eigentlich starke Mann im Kabinett sein wolle. Dessen Berufung zum Vize-Premier sei eher eine ehrenvolle Aufgabe als ein Kompetenzgewinn. "Stellvertreter in Ägypten haben nur einen protokollarischen Rang", erklärt El-Aouni.
Armee sieht sich als Hüter der nationalen Interessen
Dessen ungeachtet spielt die Armee durchaus eine zentrale Rolle am Nil. Natürlich sei die Haltung des Militärs wichtig für eine nationale Aussöhnung, für übergeordnete politische Themen und für die Sicherheit, meint Atwan. "Die Armee wollte mit ihrer Intervention Ägyptens nationale Sicherheit bewahren, die durch die Muslimbruderschaft kurz vor dem Zusammenbruch erschien", erläutert sie. Nach Einschätzung von El-Aouni sehen sich die Streitkräfte auch als Rückendeckung für die Polizei, die angesichts der andauernden Großdemonstrationen von Mursi-Anhängern überfordert sein könnten.
Die Armee hatte Mursi am 3. Juli aus dem Amt geputscht und führende Vertreter der Muslimbruderschaft festgenommen. Mursi war aus der islamistischen Bruderschaft hervorgegangen. Das Militär und viele liberale Ägypter hatten Mursi vorgeworfen, die eskalierende Spaltung der Gesellschaft in Religiöse und Nichtreligiöse angeheizt zu haben. Seit dem Umsturz richtet sich die Wut der Islamisten gegen die Armeeführung unter Al-Sisi. Auch nach der Vereidigung gab es wieder Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten, bei denen in Kairo mindestens sieben Menschen ums Leben kamen.
Militär will Wirtschaftsmacht bewahren
Jenseits des selbst definierten Schutzes nationaler Interessen haben die Streitkräfte auch ihre enorme Wirtschaftsmacht im Blick. "Sie halten einen großen Anteil – fast 40 Prozent – an der ägyptischen Volkswirtschaft", erklärt Atwan. Diese Wirtschaftsmacht will sich die Armee mit knapp einer halben Million Soldaten nicht durch Liberalisierungen oder Umstrukturierungen nehmen lassen. Allerdings war die Sorge um die Kontrolle über Fabriken, Urlaubsanlagen und Ländereien für das Militär laut Atwan kein Grund, die Regierung von Mursi aus dem Amt zu jagen. "Das war unter der Muslimbruderschaft bereits abgesichert", betont die Professorin.
Zur Hauptaufgabe der neuen Regierung gehört, die lahmende Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Premier Al-Beblawi ist Finanzexperte. Im 35-köpfigen Kabinett sitzen einige Minister, die bereits unter Mursi ihre Posten hatten. So bleiben der Innenminister und der Minister für Stromversorgung im Amt. Sie gehören allerdings nicht der Muslimbruderschaft an. In der neuen Regierung arbeiten drei Frauen, die die Ressorts für Gesundheit, Umwelt und Information leiten.
Ob sich die Muslimbrüder noch in die Arbeit der provisorischen Regierung einbinden lassen, ist fraglich. Sie bezeichnen das neue Kabinett als unrechtmäßig und beharren darauf, dass Mursi das gewählte Staatsoberhaupt sei. Der Berliner Politologe El-Aouni sieht für die islamistische Bruderschaft derzeit keinen Platz am Regierungstisch. Ihre Regierungsbilanz sei vernichtend: "Deren Phase war wirklich für Ägypten ganz schlimm", schimpft er. Nur nach einer Umwandlung in eine demokratische Partei ohne Religionsbezug, Parallelorganisationen und die herausragende Rolle des Bruderschaftsführers könnten sie Dialogpartner werden.