11 Dinge, die Sie über die 70. Berlinale wissen sollten
20. Februar 20201. Neues Leitungsduo sorgt für frischen Wind
70 Jahre wird die Berlinale in diesem Jahr - und steht vor einem Neuanfang. Nach 19 Jahren Dieter Kosslick beginnt mit dem Führungsduo Carlo Chatrian (Künstlerische Leitung) und Mariette Rissenbeek (Geschäftsführung) eine neue Ära. Das größte deutsche Filmfestival stellt sich neu auf: mit Spielstätten, Filmreihen, Diskussionsforen. Der Potsdamer Platz bleibt bewährtes Festivalzentrum, der Alexanderplatz kommt verstärkt hinzu. Insgesamt werden 340 neue Filme aufgeführt, damit speckt die Berlinale etwas ab. Doch die Kinofans haben trotzdem die Qual der Wahl: 13 Programm-Reihen zeigen Premieren.
2. Das Rennen um den Goldenen Bären
Das Herzstück der Berlinale bleibt der Wettbewerb. 18 Filme haben der Italiener Carlo Chatrian und sein Team zum Rennen um den Goldenen und die Silbernen Bären eingeladen. Filme aus Deutschland, West- und Osteuropa, den USA, Latein- und Mittelamerika, Südost-Asien und dem Iran präsentieren sich den Zuschauern und der Jury. Eine Mischung aus bekannten Regie-Stars aus aller Welt und Newcomern ringt um die Bären. Die Akzente im Wettbewerb dürften sich 2020 etwas verschieben: weniger Glamour und roter Teppich, dafür mehr Filmkunst und Entdeckungen.
3. Die internationale Jury
Der Brite Jeremy Irons wird in diesem Jahr die Jury leiten. Irons, der auf eine vierzigjährige erfolgreiche Karriere als Schauspieler zurückschauen kann, wurde 1991 mit dem Oscar für seine Rolle in "Die Affäre der Sunny von B." ausgezeichnet. Irons hat sowohl im Blockbuster-Kino Hollywoods Erfolg als auch im europäischen Autorenkino. Ihm zur Seite stehen in der Jury die Schauspielerinnen Bérénice Bejo (Argentinien/Frankreich) und der Italiener Luca Marinelli, die Regisseure Kenneth Lonergan (USA), Annemarie Jacir (Palästina) und Kleber Mendonca Filho (Brasilien) sowie die deutsche Produzentin Bettina Brokemper.
4. Mehr als nur Wettbewerb - die Berlinale-Reihen
Ein großer Irrtum wäre es, die Berlinale nur auf den Wettbewerb zu reduzieren. 18 Filme laufen dort, insgesamt feiern während der elf Berlinale-Tage aber 340 Filme Premiere. In den bewährten Sektionen "Forum", "Panorama", "Generation", "Retrospektive" etc. können sich die Besucher Filme aus allen Weltregionen anschauen, Kritisches und Unterhaltsames, Neues und Altes, Experimentelles und Publikumsfreundliches. Das "Forum" feiert in diesem Jahre sein 50. Jubiläum. Mit der von Carlo Chatrian eingeführten neuen Reihe "Encounters", in der auch Preise vergeben werden, hat sich der neue Chef Konkurrenz ins eigene Haus geholt.
5. Eröffnungsfilm außer Konkurrenz
Ganz bewusst hat sich Chatrian entschieden, die Berlinale in diesem Jahr nicht mit einem Wettbewerbsfilm zu eröffnen. Der stehe zu sehr im Fokus der Weltpresse, was einem Film auch schaden kann, sagte der Italiener vor Festivalbeginn. Und so läuft "My Salinger Year", eine kanadisch-irische Produktion mit Hollywood-Star Sigourney Weaver, ganz entspannt außer Konkurrenz. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Autorin, die sich mit dem Nachlass des berühmten Schriftstellers J.D. Salinger befasst und für eine etablierte Literaturagentin arbeitet. Die wird von "Alien"-Star Weaver gespielt. Die US-Amerikanerin dürfte dann auch der Top-Star am Eröffnungsabend auf dem roten Teppich sein.
6. Die Deutschen bei der Berlinale
Traditionell ist die Berlinale ein Schauplatz des deutschen Kinos. Dass mit einer in die Moderne transportierten Neuverfilmung des Romanklassikers "Berlin Alexanderplatz" ein Film über die Hauptstadt Weltpremiere bei der Berlinale feiert, ist ein Coup. Außerdem im Wettbewerb der neue Film von Kritiker-Liebling Christian Petzold ("Undine"), weitere deutsche Co-Produktionen und der Schweizer Film "Schwesterlein" mit den deutschen Stars Lars Eidinger und Nina Hoss. Darüber hinaus laufen deutsche Filme quer durch alle Sektionen, die "Perspektive Deutsches Kinos" stellt den Nachwuchs in den Fokus. Unterm Strich zeigt die 70. Berlinale 46 deutsche Filme bzw. Co-Produktionen.
7. Die Berlinale - ein politisches Festival
Die Berlinale gilt seit jeher als das "politischste" unter den großen drei Festivals (Berlin - Cannes - Venedig). Das dürfte sich auch unter der neuen Leitung nicht ändern. Ein Blick aufs aktuelle Programm 2020 zeigt zahlreiche Filme zum aktuellen Weltgeschehen, brisante Dokumentationen, aber auch zu historischen Themen. Vier Beispiele: Im Wettbewerb läuft der Dokumentarfilm "Irradiés" von Rithy Panh über die Massaker in Kambodscha. Für Diskussionsstoff dürfte der neue Film des Iraners Mohammad Rasoulof "There is no Evil" sorgen. Ob Rasoulof zur Berlinale ausreisen darf, ist noch nicht sicher. Außerdem zeigt die Berlinale die Serie "Hillary" über Hillary Clinton und die US-Produktion "Speer goes to Hollywood" über den nationalsozialistischen Politiker und Architekten Albert Speer.
8. Stars, roter Teppich und Hollywood
Auch wenn Carlo Chatrian nicht als Mann des "roten Teppichs" gilt, ihm Auftritte im Rampenlicht weniger liegen als Dieter Kosslick - für Star-Power wird natürlich auch bei der 70. Berlinale gesorgt. Das größte Staraufkommen aus Hollywood dürfte es beim Film der Britin Sally Potter "The Roads not Taken" geben, in dem Javier Bardem, Elle Fanning, Salma Hayek und Laura Linney mitspielen. Willem Dafoe soll seinen neuen Film "Siberia" persönlich vorstellen. Zum Auftakt wird Signourey Weaver erwartet. Später auch Hillary Clinton. Und vielleicht kommt auch Johnny Depp. Dazu kommen wie immer alle deutschen Top-Stars, aber auch aus Asien werden viele Schauspielgrößen erwartet.
9. Frauenpower bei den Berliner Filmfestspielen
"Die Berlinale legt Wert auf Transparenz bei der Geschlechterverteilung im Berlinale-Programm", heißt es offiziell von der Berlinale. Akribisch wird aufgelistet, wieviele Frauen zum Beispiel im Bereich Regie beteiligt waren: "Im öffentlichen Berlinale-Programm 2020 laufen insgesamt 340 Filme. An diesen Filmen waren 362 Personen im Bereich Regie beteiligt, davon 137 Regisseurinnen und 206 Regisseure." Die Berlinale ist - im Vergleich zu den anderen großen Festivals - auf einem guten Weg. In den Leitungs- und Auswahlgremien kommt das Berliner Festival sogar auf einen noch besseren Schnitt. Und: Zwei große Auszeichnungen der Berlinale, die schon vor Beginn feststehen, gehen an Frauen: Helen Mirren erhält den Ehren-Bären, Ulrike Ulrike Ottinger die Berlinale-Kamera.
10. Die Berlinale - auch ein Arbeitsfestival
Die Berlinale ist nicht nur ein Festival für Zuschauer, Kritiker und Cineasten. Sie ist auch ein Arbeitsfestival. Beim "Europäischen Filmmarket" werden Filme ver- und gekauft: Über 500 Aussteller aus 62 Ländern bieten ihre Ware an, rund 1100 Einkäufer aus aller Welt werden erwartet. Der "World Cinema Fund" stellt Projekte und Filme aus Regionen vor, die sonst nicht im Fokus des Weltkinos stehen und gefördert wurden. Auch der "Berlinale Co-Production Market" informiert über neueste Produktionen, die mit Hilfe der Berlinale entstanden. Und bei den "Berlinale Talents" kommt der Filmnachwuchs aus aller Welt zusammen - und zeigt die Zukunft des Kinos.
11. Diskussionen um Nazi-Vergangenheit des ersten Berlinale-Chefs
Rund drei Wochen vor Beginn der 70. Berlinale ist das Festival von einer historischen Debatte eingeholt worden. Nach Zeitungsrecherchen war der erste und langjährige Festival-Leiter Alfred Bauer ein überzeugter Nationalsozialist. Bauer, der die Berlinale von ihrem Beginn im Jahr 1951 bis 1976 leitete, hatte diese Tätigkeit stets verharmlost. Von 1942 an war Bauer Referent der "Reichsfilm-Intendanz" und so in zentraler Stelle an der Filmpolitik der Nazis beteiligt. Auch das Festival selbst hatte sich für die braune Vergangenheit ihres Gründungsdirektors offenbar nie interessiert. Nun soll der "Fall Bauer" von einer unabhängigen Expertenkommission aufgearbeitet werden. Ein nach dem Gründungsdirektor benannter Preis wurde ausgesetzt. Das Thema könnte während der 70. Berlinale noch für Gesprächsstoff sorgen.