9 von 10 Menschen atmen schlechte Luft
27. September 2016Die Luftverschmutzung steht schon heute in Zusammenhang mit jedem neunten Todesfall in der Welt. Und die Prognose sieht schlecht aus - denn in vielen Regionen wird nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Luftqualität immer schlimmer.
Die WHO-Studie zu Gesundheitsschäden durch Luftverschmutzung wurde am Dienstag (27. September 2016) in Genf veröffentlicht. Demnach sind Abgase von Fahrzeugen, Kohlekraftwerken und Waldrodung die größte Risikofaktoren für die Gesundheit: 92 Prozent der globalen Bevölkerung atmen mit Feinstaub belastete Außenluft, die über dem WHO-Grenzwert liegt.
Ein zusätzliches Gesundheitsrisiko ist laut der Studie außerdem die Innenluft. Sie wird vor allem durch das Verbrennen von Holz und Kohle fürs Kochen und Heizen oder Kerosinlampen stark belastet.
Nach Angaben der WHO hängen rund drei Millionen Todesfälle pro Jahr weltweit mit verschmutzter Außenluft zusammen und etwa 3,5 Millionen Todesfälle mit verschmutzter Innenluft. Insgesamt gab es im Jahr 2012 somit schätzungsweise 6,5 Millionen Todesfälle durch Luftverschmutzung - also 11,6 Prozent aller Todesfälle weltweit. Die neuen Daten "sollten uns alle große Sorgen machen", meint Maria Neira, Leiterin der WHO-Abteilung für öffentliche Gesundheit und Umwelt.
Notstand für den Gesundheitsschutz
Die Luftverschmutzung ist laut WHO in ärmeren Ländern meist viel stärker als in hochentwickelten Ländern. Dennoch treffen die Gesundheitsrisiken durch schlechte Luft "praktisch alle Länder in der Welt und alle Teile der Gesellschaft", so Neira. "Es gibt einen Notstand im Gesundheitswesen. Man kann gar nicht schnell genug damit anfangen, die Luftverschmutzung zu", fügt Neira hinzu. Sie forderte die Regierungen auf, die Anzahl der Fahrzeuge auf der Straße zu begrenzen, das Abfallmanagement zu verbessern, und saubere Brennstoffe fürs Kochen zu fördern.
Fast 90 Prozent der durch Luftverschmutzung bedingten Todesfälle ereignen sich laut Studie in Ländern mit niedrigen und mittlerem Einkommensklassen und fast zwei Drittel davon in Südostasien und Westpazifik. Fast alle dieser Todesfälle sind auf nicht übertragbare Krankheiten zurückzuführen - vor allem auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung oder Lungenkrebs.
Daneben verursacht die Luftverschmutzung auch mehr Erkrankungen der Atemwege.
Gefährliche Feinstaubpartikel
Nach Angaben der WHO liegt der akzeptable Grenzwert für die besonders gefährlichen und kleinen Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer bei zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Dieser Pegel werde jedoch routinemäßig überschritten, fand die WHO-Studie auf Grundlage von mehr als 3000 Vermessungsdaten weltweit heraus.
Kleinste, in der Luft schwebende, Partikel enthalten Schadstoffe wie Sulfat, Nitrate und Ruß. Am Ruß binden sich verschiedene toxische Chemikalien - zum Beispiel polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH), die als krebserregend bekannt sind, sowie toxische Metalle und anorganische Salze.
Ruß wird somit zu einer gefährlichen Chemikalie, die tief in die Lunge und damit ins Blut und ins Herz-Kreislauf-System eindringt. Die Folgerisiken für die Gesundheit reichen von Asthma über Herzerkrankungen bis zu Lungenkrebs.
Nach Angaben der WHO, "gibt es keine Hinweise auf ein sicheres Niveau der Feinstaubaussetzung oder eine Schwelle, unterhalb der keine schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit auftreten".
Dramatischer Handlungsbedarf
Die WHO setzt sich für schnelle und konsequente Maßnahmen ein, um Quellen der Luftverschmutzung zu reduzieren: "Wir sind hier mit einer der größten Umwelt- und Gesundheitskrisen der Welt konfrontiert", betont Carlos Dora, Koordinator der öffentlichen Gesundheit- und Umweltabteilung der WHO.
Nach seiner Einschätzung seien zudem einige Schutzmaßnahmen gegen die Luftverschmutzung nicht effektiv. Als Beispiel nennt er die täglichen Luftqualitätsmeldungen in Peking, die vor extremer Luftverschmutzung warnen. An Tagen mit besonders schlechter Luft Zuhause zu bleiben, sei wenig hilfreich. Und auch gebe es "keine schlüssige Beweise", dass Filtermasken eine effektive Gesundheitsmaßnahme sind, so Dora.
Luftverschmutzung müsse laut Bericht vor allem an der Quelle reduziert werden: Je früher die Verbrennung mit fossilen Brennstoffen in der Welt endet, desto besser sei dies für den Gesundheitsschutz, lautet das zentrale Fazit der WHO.