Abstimmen, auflösen und neu wählen in Europa
25. August 2005
In FRANKREICH kann der Präsident die Nationalversammlung prinzipiell auflösen, wann es ihm passt. Er muss zuvor die Präsidenten der beiden Parlamentskammern konsultieren, die Entscheidung liegt jedoch bei ihm. Der jetzige Staatschef Jacques Chirac machte im Jahr 1997 von diesem Recht Gebrauch in der Hoffnung, seine Parlamentsmehrheit zu stärken. Die Rechnung ging jedoch nicht auf: Die oppositionellen Sozialisten errangen die Mehrheit, Chirac musste einen sozialistischen Regierungschef ernennen und sich fünf Jahre lang im Wesentlichen auf die Außenpolitik beschränken.
In GROSSBRITANNIEN löst das königliche Staatsoberhaupt das Parlament auf und hat dazu - rein theoretisch - jederzeit das Recht. In der Praxis geschieht dies jedoch stets auf Wunsch der Premierministers. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Regierungschef im Parlament keine Mehrheit mehr hat und vorgezogene Neuwahlen wünscht. Innerhalb der maximal fünf Jahre dauernden Legislaturperiode kann der Premier aber auch aus wahltaktischen Erwägungen um die Parlamentsauflösung und Neuwahlen bitten.
In ÖSTERREICH wird das Parlament entweder vom Präsidenten oder von den Abgeordneten selbst aufgelöst. Das Staatsoberhaupt, das nur über sehr begrenzte politische Kompetenzen verfügt, löst in der Praxis das Parlament nur auf Wunsch des Regierungschefs auf. Für die Selbstauflösung reicht eine einfache Mehrheit.
In POLEN kann nicht nur der Präsident, sondern auch das Parlament selbst die Auflösung beschließen, um vorgezogene Neuwahlen herbeizuführen. Zur Selbstauflösung wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Nach dem Sturz der polnischen Regierung im vergangenen Jahr versuchte der provisorische Regierungschef Marek Belka in drei Wahlgängen, ein Votum zur Selbstauflösung herbeizuführen. Die notwendige Mehrheit kam nicht zustande - jetzt muss er weiterregieren bis zur regulären Wahl.
In SPANIEN obliegt es ebenfalls dem Staatsoberhaupt, also dem Monarchen, das Parlament aufzulösen. Da der König formal keine politische Macht hat, erfolgt der Schritt auch hier auf Wunsch des Regierungschefs, wenn dieser über keine Mehrheit mehr verfügt. (afp)