Algerier lassen nicht locker
1. November 2019In Algerien sind so viele Demonstranten auf den Straßen wie lange nicht mehr. Allein in der Hauptstadt Algier protestieren Zehntausende gegen die Machtelite des Landes und die geplante Präsidentschaftswahl. Das Stadtzentrum ist voll von Menschen, die den Rücktritt der gesamten politischen Führung und unabhängige Institutionen fordern. Auch in vielen anderen Städten des Landes versammelten sich Tausende Demonstranten.
Die algerischen Behörden hatten versucht, die Proteste einzudämmen. Die Metro in Algier ist geschlossen, sämtliche Züge in Richtung Hauptstadt wurden eingestellt. Bereits tags zuvor hatte die Polizei auf den Zufahrtsstraßen nach Algier Straßensperren errichtet. Protestteilnehmer schliefen auf offener Straße oder protestierten bereits in der Nacht. Deshalb wurden mehrere Dutzend Demonstranten festgenommen.
Mit langem Atem
Es ist bereits der 37. Freitag in Folge, an dem es zu Massenprotesten in dem nordafrikanischen Land kommt. Die Demonstrationen hatten im Februar begonnen und Anfang April zum Rücktritt von Langzeitpräsident Abdelaziz Bouteflika geführt. Auch das in Algerien mächtige Militär, das Bouteflika vor 20 Jahren mit an die Macht gebracht hatte, hatte sich angesichts des Drucks der Demonstranten schließlich von Bouteflika abgewandt. Für den Sommer angesetzte Neuwahlen sind allerdings zunächst auf Dezember verschoben.
In einer Rede an die Nation rief Übergangspräsident Abdelkader Bensalah die Algerier auf, zur Wahl zu gehen. Zahlreiche Oppositionsgruppen hatten bereits angekündigt, die Wahl zu boykottieren: "Keine Wahlen unter der Kontrolle der Bande!", riefen Demonstranten.
"Geschichte wiederholt sich"
Die massenhaften Proteste an diesem Freitag waren bereits länger angekündigt, denn vor genau 65 Jahren begann der Unabhängigkeitskampf gegen die französischen Kolonialherren. Folgerichtig gedenken die Demonstranten auch zwei Revolutionen: dem Kampf gegen Frankreich und dem Kampf gegen die alten Eliten des zurückgetretenen Präsidenten Bouteflika. "Die Geschichte wiederholt sich", war auf dem Plakat eines Demonstranten zu lesen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron twitterte Grüße und Gratulationen an die Algerier: "Ich zolle Respekt ihrem Geist der Verantwortung in dieser wichtigen Zeit für die Zukunft." Außenminister Jean-Yves Le Drian betonte, Frankreichs einziger Wunsch an diesem Tag sei, dass die Algerier gemeinsam den Weg zu einem demokratischen Übergang fänden.
Es wird erwartet, dass die Wahlkommission an diesem Wochenende die endgültige Liste der zugelassenen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl bekanntgeben wird.
rb/kle (afp, dpa)