Report: Börsenboom treibt Geldvermögen
23. September 2020Boomende Aktienmärkte haben 2019 das Vermögen der Menschen rund um den Globus nach Berechnungen der Allianz in Summe kräftig steigen lassen. Weltweit habe das Bruttogeldvermögen der privaten Haushalte zum Vorjahr um 9,7 Prozent auf 192 Billionen Euro zugelegt, teilte der Versicherungskonzern am Mittwoch mit. Dies sei das stärkste Wachstum seit dem Jahr 2005 gewesen. Allerdings: Die Kluft zwischen reichen und armen Ländern hat sich den Angaben zufolge wieder vergrößert, der Löwenanteil von rund 84 Prozent des Vermögens ist im Besitz der reichsten zehn Prozent weltweit.
Angesichts der Tatsache, dass das Jahr 2019 von sozialen Unruhen, eskalierenden Handelskonflikten und einer industriellen Rezession geprägt war, ist diese Entwicklung laut der Allianz-Studie mehr als erstaunlich. Doch als die Zentralbanken einen Kursschwenk hin zu einer breit angelegten geldpolitischen Lockerung vollzogen, führte dies zu einem kräftigen Plus von 25 Prozent der Aktienmärkte, losgelöst von den Fundamentaldaten.
Aktienmärkte losgelöst von Fundamentaldaten
In der Folge wurde dadurch auch das Geldvermögen kräftig angehoben: Allein die Anlageklasse der Wertpapiere nahm 2019 um satte 13,7 Prozent zu - nie war das Wachstum im 21. Jahrhundert stärker. Die Wachstumsraten der beiden anderen Hauptanlageklassen waren niedriger, aber immer noch beeindruckend: Versicherungen und Pensionen erreichten ein Plus von 8,1 Prozent, was hauptsächlich auf den Anstieg der zugrundeliegenden Vermögenswerte zurückzuführen ist, und die Bankeinlagen stiegen um 6,4 Prozent. Tatsächlich verzeichneten alle Anlageklassen ein Wachstum, das deutlich über ihrem langfristigen Durchschnitt seit der Grossen Finanzkrise (GFC) lag.
Eine weitere Besonderheit des Jahres 2019: Über all die Jahre hinweg wurde die regionale Wachstumsrangliste von den Schwellenländern dominiert. Nicht so im Jahr 2019. Die Regionen, die das schnellste Wachstum verzeichneten, waren bei weitem die reichsten: Nordamerika und Ozeanien, wo das Brutto-Geldvermögen der Haushalte um jeweils rekordverdächtige 11,9% zunahm. Infolgedessen konnten die Schwellenländer das dritte Jahr in Folge nicht schneller als die reicheren Länder wachsen. Der Aufholprozess ist ins Stocken geraten.
Corona-Hilfspakete schützen Vermögen
Die Corona-Krise dürfte nach Einschätzung der Allianz-Volkswirte dem Vermögenswachstum keinen Abbruch tun: Die Hilfspakete von Staaten und Zentralbanken schirmten die Vermögen "vor den Folgen einer Welt in Unordnung ab". Es sei daher sehr wahrscheinlich, dass das private Geldvermögen das Jahr der Pandemie mit einem Plus abschließen werde.
"Im Moment hat die Geldpolitik die Lage gerettet", sagte Ludovic Subran, Chefökonom der Allianz. "Aber wir sollten uns nichts vormachen. Null- und Negativzinsen sind ein süsses Gift. Sie untergraben die Vermögensbildung und verschärfen die soziale Ungleichheit, da Vermögenseigentümer satte Mitnahmegewinne einstreichen können. Das ist nicht nachhaltig. Den Tag zu retten ist nicht dasselbe wie die Zukunft zu gewinnen. Dafür brauchen wir mehr denn je Strukturreformen nach Covid-19, um die Grundlagen für ein inklusives Wachstum zu schaffen".
Deutschland auf Platz 18
Für die elfte Ausgabe ihres "Global Wealth Report" hat die Allianz Daten zu Geldvermögen und Verschuldung privater Haushalte in 57 Staaten zusammengetragen. Berücksichtigt wurden Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapiere sowie Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionsfonds, nicht jedoch Immobilien.
Abzüglich von Schulden erhöhte sich das Geldvermögen der Haushalte in den untersuchten Staaten 2019 um 11,1 Prozent auf netto 146 Billionen Euro. In Deutschland stieg das Brutto-Geldvermögen nach Allianz-Angaben um 7,2 Prozent auf gut 6,66 Billionen Euro. Dies sei der stärkste Anstieg seit der Jahrhundertwende. Beim Netto-Geldvermögen pro Kopf - also abzüglich Schulden - blieb Deutschland demnach mit knapp 57.100 Euro in der Rangliste der 20 reichsten Länder weltweit auf Platz 18.
ul/hb (dpa, ots)