EU enttäuscht über Gewalt in Kiew
11. Dezember 2013"Ich bin immer noch in Kiew." Mit diesem Satz meldete sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Morgen (11.12.2013) per Mitteilungsdienst "Twitter", nachdem die Polizei in der ukrainischen Hauptstadt das Rathaus und Zufahrtsstraßen geräumt hatte. Ashton wandte sich, wohl als Ermutigung gedacht, direkt an die Demonstranten. "Ich war unter Euch auf dem Maidan-Platz und war sehr beeindruckt von der Entschlossenheit, mit der die Ukrainer für eine europäische Perspektive ihres Landes demonstrieren", schrieb Catherne Ashton.
Am Dienstag Abend war Ashton mit einer schweren Limousine an den Rand des Maidan-Platz gefahren worden, den Tausende Demonstranten besetzt halten. Zu Fuß ging sie über den Platz, umringt von Leibwächtern und Reportern. Der Tross hatte Mühe, sich auf dem Platz fortzubewegen. "Sie wurde gefeiert wie ein Rockstar", twitterte ein Beobachter. Einige Stunden nach diesem Auftritt kam es zu gewalttätigen Übergriffen auf dem Platz. Die Polizei soll Demonstranten und Studenten verprügelt haben. Dazu schrieb die EU-Außenbeauftragte in einer Stellungsnahme: "Die Behörden hätten nicht im Schutze der Nacht handeln müssen, um Gewalt gegenüber der Gesellschaft anzuwenden. Der Dialog mit den politischen Kräften und der Gesellschaft ist immer besser als der Einsatz von Gewalt." Der Sprecher der EU-Kommission, Olivier Bailly, sagte in Brüssel, Catherine Ashton sei "extrem enttäuscht", vor allem, weil sie nur Stunden zuvor mit Präsident Janukowitsch gesprochen hatte.
Am Mittwoch Nachmittag traf sich Ashton zum zweiten Mal binnen 24 Stunden mit Janukowitsch. Der Präsident habe eine rasche Lösung der Krise angekündigt, sagte Ashton der Agentur Interfax zufolge. Ihre wichtigste Aufgabe sehe sie darin, einen Dialog zwischen Regierung und Opposition herzustellen.
Ashton verhandelt mit Präsident und Opposition
Auf dem Maidan hatte die EU-Außenbauftragte in der Nacht zum Mittwoch in dem von Demonstranten besetzten Gewerkschaftshaus mit den drei Oppositionsführer der Ukraine gesprochen, darunter Vitali Klitschko. Öffentliche Äußerungen nach dem Treffen gab es nicht. Vitali Klitschko hatte zuvor den Rücktritt des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gefordert. "Kompromisse mit Halsabschneidern und Diktatoren kann es nicht geben. Man muss sie loswerden. Und heute ist die Frage Nummer eins eindeutig der Rücktritt Janukowitsch und seiner ganzen verfaulten Regierung", sagte Klitschko nach Berichten von Nachrichtenagenturen.
Für ein Gespräch mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton hatte sich Präsident Janukowitsch am Dienstag mehr als drei Stunden Zeit genommen. Janukowitsch empfing Ashton lächelnd mit freundlichem Händedruck. Ergebnisse dieses Treffens wurden nicht bekannt. Ashton sagte hinterher nur: "Wir haben über alles gesprochen, was wichtig ist." Am Tag nach dem Gespräch kündigte Janukowitsch an, dass er eine Delegation für dringende Gespräche über die Assoziationsvereinbarung zwischen der Ukraine und der Europäischen Union nach Brüssel entsenden wird. Zuvor hatte sich Janukowitsch mit den drei früheren ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko, Leonid Kutschma und Leonid Krawtschu beraten.
"Unsere Absichten sind sehr einfach: Wir möchten die Bedingungen erreichen, welche für die Ukraine, die ukrainischen Rohstoffproduzenten und die Menschen in der Ukraine jetzt richtig sind", sagte Janukowitsch und gab gleichzeitig auch ein Amnestieangebot bekannt, welches für alle gelte, die an den Protesten beteiligt seien. Janukowitsch führte aus, dass er die Tür nach Europa immer offen gehalten habe, doch die Konditionen müssten richtig sein.
"Kein Bieter-Wettbewerb um die Gunst der Ukraine"
Der Premierminister der Ukraine, Mykola Azarov, präzisierte diese Forderung am Mittwoch. Er sagte, die Ukraine verlange einen Kredit von 20 Milliarden Euro von der Europäischen Union, bevor sie das Partnerschaftsabkommen unterschreiben könne.
Die EU-Kommission wies die ukrainischen Forderungen nach mehr finanziellen Hilfen aus Brüssel zurück. "Wir lassen uns nicht auf ein Spiel mit Zahlen und einen Wettbewerb mit Zahlen ein. Wir glauben, dass der Wohlstand und die Zukunft der Ukraine nicht in einer Art Ausschreibung bestimmt werden kann, in der der höchste Bieter dann den Zuschlag bekommt", so Oliver Bailly, der Sprecher der Kommission am Mittwoch. Bundesaußenminister (FDP) Guido Westerwelle stellte klar, dass materielle Fragen in den jahrelangen Verhandlungen mit Kiew besprochen worden seien. Er könne nicht akzeptieren, dass jetzt "Preise hochgetrieben werden".
Angeblich hatte der ukrainische Präsident Janukowitsch in seinen Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Kreditlinie von 20 Milliarden Euro erhalten. Janukowitsch hatte der EU mit Hinweis auf wirtschaftliche Zwänge und die Partnerschaft mit Russland beim Gipfeltreffen in Vilnius im November die kalte Schulter gezeigt.