Baerbock, Laschet, Scholz und Micky Maus
20. September 2021Nur noch eine Woche, dann wird in Deutschland der Bundestag neu gewählt und in der Folge auch die Regierung. 40 Prozent der Wahlberechtigten wissen derzeit noch nicht, wen sie am kommenden Sonntag wählen sollen. CDU-Kanzlerin Angela Merkel tritt nicht mehr an. Sie beerben wollen für die Grünen Annalena Baerbock, für CDU und CSU Armin Laschet und für die SPD Olaf Scholz. Die drei Kanzlerkandidaten standen am Sonntagabend zum dritten Mal in Folge für 90 Minuten gemeinsam vor der Kamera.
Rote Ohren bekam Olaf Scholz diesmal nicht. Das passiert dem ansonsten stets äußerst beherrschten SPD-Politker, wenn er zornig wird. Vor einer Woche war das der Fall, beim zweiten sogenannten TV-Triell. Da wurde Scholz von seinem CDU-Kontrahenten Armin Laschet heftig wegen Verfehlungen in der Geldwäsche-Aufsichtsbehörde FIU attackiert. Als Finanzminister trage er dafür die Verantwortung, ducke sich aber weg. Es folgte ein minutenlanger Schlagabtausch, in dem sich der SPD-Politiker heftig wehrte und dabei zusehends genervt wirkte.
Weitgegend ruhig und sachlich
Das nunmehr dritte Triell verlief deutlich weniger hitzig. Was sicherlich auch daran lag, dass die staatanwaltlichen Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Aufsicht, die vor zehn Tagen in einer Durchsuchung des Bundesfinanzministeriums gipfelten und an diesem Montag den Finanzausschuss des Deutschen Bundestags beschäftigen werden, nur kurz zur Sprache kamen.
Stattdessen konzentrierten sich die beiden Moderatorinnen, die für die Privatsender ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins durch die Sendung führten, fast ausschließlich auf die Themen soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Corona-Politik und Digitalisierung. Außen- und Sicherheitspolitik war kein Thema des Triells, auch die Europapolitik kam nicht zur Sprache.
Insbesondere in sozialen Fragen zeigte sich an mehreren Stellen Übereinstimmung zwischen Olaf Scholz und Annalena Baerbock, die ohnehin keinen Hehl daraus machen, dass sie auf ein gemeinsames Regierungsbündnis hoffen. Ob mit der FDP oder der Linkspartei als drittem Partner, das ließen die beiden offen.
Die Schere zwischen Arm und Reich
SPD und Grüne wollen den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen und Familien und Kinder finanziell besserstellen. Das komme zehn Millionen Erwerbstätigen in Deutschland zugute, so Scholz. Fünf Prozent der Arbeitnehmer können sich zum Teil nur noch mit zwei Jobs finanziell über Wasser halten. In einem Einspielfilm wurde das Beispiel einer alleinerziehenden Mutter gezeigt, die 50 Stunden pro Woche als Postbotin und an einer Tankstelle arbeitet. Für ihre Tochter hat sie kaum Zeit.
Die CDU ist gegen eine Anhebung des Mindestlohns. Löhne seien Sache der Tarifpartner, also der Arbeitgeber und der Gewerkschaften, so Armin Laschet. Es sei "nicht angemessen", wenn die Politik sich einmische.
Erneuerbare Energien ausbauen
Das Thema Klimawandel eröffnete Moderatorin Linda Zervakis damit, dass sie ein Comic-Heft von Micky Maus aus dem Jahr 1993 hervorzog, in dem es um die Abholzung der Regenwälder ging. "Vor über 30 Jahren hat sich die Micky Maus schon mit dem Klimawandel beschäftigt", sagte Zervakis und fügte an Laschet gerichtet hinzu, dass in der CDU anscheinend nicht so oft Micky Maus gelesen worden sei. Der konterte zwar, dass 1993 bereits ein CDU-Politiker als Umweltminister das Thema auf der Tagesordnung gehabt habe, konnte beim Thema Klimaschutz allerdings deutlich weniger punkten als seine grüne Kontrahentin.
Baerbock bekräftigte ihre Forderung nacheiner Klimaregierung. Erforderlich sei ein Ende von Verbrennungsmotoren ab 2030 sowie ein früherer Ausstieg aus der Kohleverstromung. "Sie können nicht auf der einen Seite sagen, wir halten uns an das Pariser Klimaabkommen und auf der anderen Seite noch 17 Jahre in der Kohleverstromung bleiben", hielt sie Laschet und Scholz vor.
Laschet erwiderte, man hätte aus der Kohle früher aussteigen müssen als aus dem Atomstrom. Das sei ein Fehler gewesen. SPD-Kandidat Scholz mahnte, in den kommenden 25 Jahren müsse die deutsche Industrie klimaneutral werden. Dazu müssten leistungsfähige Netze ausgebaut und die erneuerbaren Energien deutlich gefördert werden. Als Kanzler habe er vor, im ersten Regierungsjahr die Ausbauziele verbindlich festzulegen.
Scholz war für 42 Prozent der Zuschauer Sieger
Kurz vor Schluss der Sendung versucht Armin Laschet doch noch, den Finanzskandal zu thematisieren. Die Gelegenheit ergab sich, als die Moderatorinnen die Kandidaten baten, sich gegenseitig eine Frage zu stellen. Laschet fragte Baerbock, was sie von Scholz an diesem Montag bei dessen Aussage im Finanzausschuss des Bundestags zu den laufenden Geldwäsche-Ermittlungen erwarte. Die grüne Kandidatin antwortete nur: "Dass volle Transparenz erfolgt." Nichts, womit Scholz aus der Reserve zu locken gewesen wäre.
Wesentlich neue Erkenntnisse brachte die neunzigminütige Sendung am Ende nicht. Laschet, Scholz und Baerbock wiederholten weitgehend ihre Positionen aus zahlreichen Wahlkampfreden und aus den beiden vorherigen Triells. Am Ende urteilten in einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa 42 Prozent der Befragten, dass Olaf Scholz die Diskussion gewonnen habe. 27 Prozent sahen Armin Laschet vorne, 25 Prozent Annalena Baerbock.