Bauern wollen weniger Kühe
22. Juli 2009Wer als Milchbauer lebt, ist von Begeisterung über die Marktlage weit entfernt. Sie sitzen in der Kostenfalle, weil die Preise für Energie und Futter ungebremst in die Höhe schießen, während sie für ihre Erzeugnisse nicht wesentlich mehr bekommen. Deshalb sollen nach Meinung von Helmut Born, dem Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Milchbauern finanziell unterstützt werden, wenn sie in den Vorruhestand gehen oder ihren Betrieb umstellen wollen und deshalb ihre Milchkühe zum Schlachter bringen. Laut Born soll das Geld aus bislang nicht genutzten EU-Agrarmitteln kommen. Benötigt würden einmalig zwischen 400 und 600 Millionen Euro. Am Mittwoch (22.07.2009) will die EU-Kommission eine Marktanalyse zum Milchmarkt vorlegen. Darin ist laut Born der Vorschlag enthalten, die Zahl der Milchkühe europaweit zu reduzieren.
Milch-Produzenten stimmen zu
Die europäischen Parlamentarier streben in etwa das an, was auch das "European Milkboard", das ist eine europaweite Vereinigung mehrerer Landesorganisationen von Milchviehhaltern, fordert: eine Reduzierung der Quote um fünf Prozent, um Preise aufzufangen, die seit 2007 um bis zu 50 Prozent gesunken sind. Die Milch-Produzenten halten die Position des EU-Parlaments für interessant und wollen sie mit Aktionen unterstützen, damit das Parlament die Kommission unter Druck setzen kann. Das "Milkboard" will daher am Mittwoch wieder in Brüssel demonstrieren.
Der Kampf wird schwierig, da die Milchbauern gegenüber der Kommission nicht geschlossen auftreten. Einige, vor allem Großbetriebe, sind für eine Erhöhung der Produktion und eine größere Liberalisierung des Sektors. Der Milchbauer Bernd Schmitz, kommentiert die Lage so: "Mit Milchpreisen von 20 Cent kann weder ein kleiner noch ein großer Betrieb überleben. Familienbetriebe zehren an ihren Substanzen und Großbetriebe können ihre Mitarbeiter nicht bezahlen. 20 Cent sind der Ruin für alle Betriebe in allen Größen." Die Milchbauern bekommen derzeit rund 25 Cent pro Liter Milch. Nötig wären nach Branchenangaben 40 Cent.
Der Bauernverband ist bislang gegen solche Schlachtungen gewesen, sagte Born. Er sprach von einer "Ausnahmesituation": "Auch wir sind überrascht worden von der Heftigkeit der Finanz- und Wirtschaftskrise und deren Folgen in die Märkte hinein", erklärte er. Nach dem aktuellen Konjunkturbarometer des Verbandes bewerten die deutschen Bauern ihre gegenwärtige wirtschaftliche Lage deutlich schlechter als noch im Frühjahr dieses Jahres. Vor allem die Stimmung unter den Milchbauern ist wegen der niedrigen Milchpreise auf einem Tiefpunkt angekommen.
30 Millionen Milchkühe europaweit
Born erklärte zudem, Deutschlands Milchbauern produzierten in einem hohen Maße für den Export. Jedoch hätten vor allem die Staaten der früheren Sowjetunion und die Öl exportierenden Schwellenländer ihre Milchimporte drastisch eingeschränkt. Wenn kurzfristig die Zahl der Milchkühe sinke, könne Druck vom Milchmarkt genommen werden. Laut Born gibt es europaweit etwa 30 Millionen Milchkühe. Würden etwa eineinhalb Millionen Tiere geschlachtet und gleichzeitig Maßnahmen zur Belebung der Milchnachfrage ergriffen, müsse es "den Kick geben, um aus dem tiefen Tal wieder herauszukommen", sagte der Generalsekretär.
Laut Born könnten pro Kuh, die vom Markt verschwindet, rund 500 Euro gezahlt werden. Hinzu kommt der Betrag, den der Landwirt vom Schlachter bekommt. Er betrage gegenwärtig 800 bis 900 Euro pro Kuh. Wenn sich die Situation auf dem Milchmarkt kurzfristig nicht ändere, käme es laut Born wahrscheinlich zu einem "echten Milchbauernsterben". Bereits heute gäben europaweit jährlich zwischen drei bis vier Prozent der Milcherzeuger auf. Dies reiche aber nicht aus, um die Situation zu entspannen. Im bundesweiten Durchschnitt bekommen die Milchbauern nach Verbandsangaben derzeit etwa 22 Cent pro Liter Milch.
Handelskonzerne haben tatsächlich eine große Marktmacht gegenüber den meist mittelständisch organisierten Molkereien. Doch dass die Preise wieder fallen, ist nicht Manchester-Kapitalismus, sondern simple Marktmechanik: Die Nachfrage der Konsumenten fiel wegen der höheren Preise für Milchprodukte, zugleich erhöhte sich das Angebot trotz der europäischen Milchquoten. Auf den Preis drückt ferner, dass die Exporte von Milchpulver schrumpften, weil der Euro sich gegenüber dem Dollar verteuerte.
Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, kommentiert die Lage der Milchviehhalter so: "Entscheidend für die deutschen Milchbauern ist, dass Maßnahmen ergriffen werden, um die Märkte zu entlasten. Die Preis- und Einkommenssituation ist katastrophal und endlich werden Vorschläge gemacht, die hoffen lassen, dass sich Märkte verbessern und die Preise anziehen und damit die Milchbauern gerettet werden." (mbö/ch/sam/dpa)