1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Berliner Berghain bittet wieder zum Tanz

5. März 2022

Nach langer Coronapause hat der berühmte Berliner Techno-Club "Berghain" wieder geöffnet. Die ersten Einnahmen gehen an Hilfsorganisationen, die sich in der Ukraine einsetzen.

https://p.dw.com/p/40zpo
Außenansicht des Berghain. Großes klassizistisches Gebäude vor blauem Himmel, ein Radfahrer fährt Richtung Eingang.
Das "Berghain" beeindruckt nicht nur von innen, sondern auch von außenBild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Die Clubs in Deutschland dürfen wieder öffnen -  die Coronaregeln sind gelockert worden. Das tanzwütige Publikum wird zu Tausenden in die Locations strömen und feiern - und das allein in Berlin in mindestens 30 Clubs für einen guten Zweck. Die Clubbesitzer werden Teile ihrer Einnahmen spenden - und auch ihre Gäste auffordern, dies zu tun. Mit dabei ist der Technoclub "Berghain". Der Betreiber hat angekündigt, die Einnahmen der ersten "Klubnacht" nach der Wiederöffnung (Samstag, den 5.3. ab 23:59) an Organisationen zu spenden, die sich unter anderem für queere Menschen in der Ukraine einsetzen. Für die Wiederöffnung waren einige Gäste sogar aus Spanien angereist. (Video auf Englisch)

Das "Berghain" ist einer der berühmtesten Clubs der Welt. Ein massiges klassizistisches Gebäude steht da mitten auf einem großen Gelände im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Die optimale Party-Location - weil keiner drumherum wohnt. Das ehemalige Ost-Berliner Heizkraftwerk ist seit 2004 Sehnsuchtsort von Partygängern aus der ganzen Welt.

Das "Berghain" ist die Fortsetzung der Berliner Techno-Club-Geschichte, die Anfang der 1990er in zahlreichen Kellern und leeren Fabrikgebäuden begann. Nach dem Mauerfall bot gerade der Untergrund des ehemaligen Ost-Berlins sehr gefragte Orte, um zu feiern. Der Soundtrack dazu war schweißtreibend, wild und stark: Techno-House.

Vom "Tresor" bis zum "Berghain"

Der berühmteste Berliner Club der 1990er-Jahre war der "Tresor": Ein freistehender Bau auf dem damals noch leeren Potsdamer Platz, im Niemandsland zwischen dem alten Osten und dem alten Westen, ein Keller mit den rostigen Schließfächern der ehemaligen Wertheim-Bank, Gitterstäben, einem unerbittlichen Stroboskop-Gewitter und ebenso unerbittlichen Beats.

Blick in den verwaisten Club "Tresor". Der Club hatte viele vergitterte Nischen.
Der "Tresor" musste seine Pforten schließenBild: Giesemann/Schulz

Hier entstand der Berliner Techno-Mythos. Auch Läden wie der "Bunker" oder der "Eimer" gehören zur Clubgeschichte der Hauptstadt. Viele haben die 1990er-Jahre nicht überlebt. Ein Club jedoch überdauerte die Jahrtausendwende. 1999 gegründet, gilt das "Ostgut" als Vorgänger des "Berghain". Hier kulminierte das gesamte Berliner Clubleben zu einzigartigen Partys, wo grenzenlose - auch sexuelle - Freiheit zelebriert wurde.

2003 musste das "Ostgut" einer Mehrzweckarena weichen. Die Betreiber suchten ein neues Gebäude, wurden schnell fündig unter eröffneten im Dezember 2004 das "Berghain". Schnell wurde es in der ganzen Welt bekannt und hat dadurch einen hohen Kultstatus erreicht.

Reinkommen ist schwer, Nichtreinkommen ist einfach

Wer rein will, steht stundenlang in einer Schlange. Wer rein darf - das steht in den Sternen. Die Türsteher sind unberechenbar - man spricht von der "härtesten Tür Berlins".

Die Oberaufsicht führt Sven Marquardt, tätowiert und gepierct, "nebenbei" ein erfolgreicher Fotograf. Dieser Mann, oft schon interviewt, lässt sich kein Geheimnis entlocken. Er bleibt undurchdringlich - so wie seine Tür. Viele haben schon in Blogs und Artikeln versucht herauszubekommen, was man tun muss, um ins Berghain zu gelangen. Schwarz tragen? Netzstrümpfe? Cool bleiben? Nicht zu viel grinsen? Sonnenbrille? High Heels oder Sneaker? Alleine, zu zweit oder in einer Gruppe? Schwul, lesbisch, queer oder hetero?

Portraitfoto des Berghain-Türsteher Sven Marquardt. Marquadt trägt eine dunkle Sonnenbrille, er trägt ein schwarzes Oberteil, an Händen und im Gesicht ist er tätowiert.
Sven Marquardt ist nicht nur Berlins berühmtester Türsteher, sondern auch ein exzellenter PorträtfotografBild: picture-alliance/dpa/J.Carstensen

Es gibt kein sicheres Rezept fürs Reinkommen. Aber viele fürs Nichtreinkommen: Auch wenn das "Berghain" in allen Touristenbroschüren als Hotspot angepriesen wird, ist für den normalen Touristen, der hier nur mal gucken kommen will, kein Durchkommen. Mit den Türstehern diskutieren und lamentieren ist zwecklos. Junggesellenabschiede sind ebenso chancenlos wie Kegelclubs oder andere feierwütige Grüppchen, die sich schon in der Schlange betrinken und Stimmungslieder singen. Das Berghain ist weder Ballermann (Partylocation auf Mallorca, Anmerk. d. Red.) noch Zoo, sondern ein Underground-Club, und das will es auch bleiben.

What happens in "Berghain", stays in "Berghain"

Fotos sind nicht erlaubt. An der Tür werden die Handykameras abgeklebt. Wer trotzdem beim Fotografieren erwischt wird, bekommt Ärger und fliegt raus. Denn außer Knipsen ist hier alles gestattet. Jeder soll sich frei und unbeobachtet fühlen.

Club Berghain in Berlin, Blick vom DJ-Pult aus auf die Tanzfläche, wo tanzende  Menschen schemenhaft zu sehen sind.
Bilder wie diese aus dem Inneren des "Berghain" dürfen ohne ausdrückliche Genehmigung nicht gemacht werdenBild: picture-alliance/schroewig

Es gibt mehrere Dancefloors in verschiedenen Räumlichkeiten - Orte, an denen die Gäste sich ausleben können. Ins "Berghain" geht man nicht nur zum Tanzen. Hier kann man einfach Mensch sein, auch sehr schräg und sehr speziell. Legenden ranken sich um ausschweifende Sexpartys und wilden Drogenkonsum - darin steckt auch ein bisschen Wahrheit. Was geschieht, geschieht - und verlässt die Wände des "Berghain" nicht.

Kunst im Techno-Tempel

Kein Wunder, dass der Club so begehrt ist. Als das "Berghain" zu Beginn der Corona-Pandemie schließen musste, ging es den Betreibern wie vielen anderen Gastronomen auch - das wird schon werden. Fehlanzeige. Die Clubs blieben geschlossen. Alle mussten sich was einfallen lassen. Die Betreiber des Berghain taten sich mit Christian Boros und seiner Frau Karen Boros zusammen. Sie betreiben eine private Sammlung zeitgenössischer Kunst im ehemaligen Techno-Bunker. Zusammen schlugen sie einen neuen Weg in der Krise ein und organisierten eine Ausstellung im "Berghain".

Ein Mensch steht vor einer dunkel-türkisen Videoprojektion an den Betonwänden des Berghain, Berlin.
Das "Berghain" als Ort der KunstBild: Jakob Kudsk Steensen

Und so öffnete der Kult-Club im September 2020 seine sonst so undurchdringliche Tür für Kunstliebhaber: Die Gruppenausstellung "Studio Berlin" zeigte 115 Berliner Künstler, die durch die Pandemie keine Möglichkeiten hatten, ihre Werke zu präsentieren.

Der Club präsentiert in seinen vielen unterschiedlichen Räumlichkeiten schon seit Jahren auch andere Veranstaltungen. So gehörte er vor der Pandemie zu den Schauplätzen der Berlin Fashion Week oder ließ etwa 2013 das Berliner Staatsballet in der großen, 18 Meter hohen Halle performen.

Tänzer performen in den dunklen Räumlichkeiten des Berghain. Die Wände sind aus Beton, die Beleuchtung ist kalt.
Eine eher ungewöhnliche Location für das Berliner StaatsballettBild: Kay Nietfeld/dpa/picture-alliance

Eintritt nur mit 2G+

Eintritt erhalten nur Geimpfte und Genesene, die zusätzlich einen tagesaktuellen negativen Test (kein Selbsttest) vorweisen können, also gilt die 2G+-Regel. Es herrscht keine Maskenpflicht. 

Besuchern ist es nicht möglich, im Voraus online Eintrittskarten zu bestellen. Alle müssen sich in die Schlange stellen und viel Geduld mitbringen - denn diesmal werden nicht nur Gesichter und Kleidung kontrolliert, sondern auch die digitalen Impfnachweise und Personalausweise. Genaues ist auf der Berghain-Webseite zu lesen. Für alle gilt: Nicht traurig sein, wenn sie nicht am Türsteher vorbei kommen - sondern es einfach beim nächsten Mal wieder versuchen. 

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online