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#besonderehelden: Debatte um Clips über Corona-Faulpelze

18. November 2020

Die Bundesregierung ermahnt junge Leute mit kurzen Filmen zum Distanzhalten. Die Botschaft geht weltweit viral, erntet aber auch viel Kritik.

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Ein betagter Mann hält eine asiatische Frau im Arm. Ein Filmstill der Corona-Kampagne der Bundesregierung
Mit diesen besonderen Helden wirbt die Bundesregierung fürs Zu-Hause-BleibenBild: Bundespresseamt/dpa/picture alliance

Kennen Sie Anton Lehmann oder Tobias Schneider? Sie haben als junge Studenten den Lockdown im Winter 2020 überstanden. Das ist schon lange her. Im Moment machen die beiden Corona-Veteranen weltweit von sich reden. Sie sind um die 80 Jahre alt und erzählen uns, ihren Enkeln, wie sich die schicksalhaften Lockdown-Monate angefühlt haben. Die Krise mühelos zu überwinden, war für sie kinderleicht. Sie mussten nicht viel dafür tun. Oder besser: Sie haben nichts getan. Im Videoclip #besonderehelden der Bundesregierung geben sie nostalgisch Tipps aus der Zukunft. 1. Zu Hause bleiben. 2. Mut zur Faulheit. 3. Auf dem Sofa lümmeln, Hähnchen-Schenkel im Bett essen, kalte Raviolis beim Zocken am Computer verdrücken. Oder in Anton Lehmanns Worten: "faul wie die Waschbären" sein.

Corona-Videos ernten Häme und Beifall

Aus den phlegmatischen Studis der Pandemie sind später altgediente Grauschläfen der "Waffe Geduld" geworden. Arriviert, elegant, in Würde gealtert, führen sie ihr Leben in gedimmten Wohnzimmern, hinter gediegenen Gardinen und sitzen entspannt auf Polstermöbeln im Retro-Stil - so stellen es die kurzen Filme dar. Eine Stubenhockerin ist übrigens auch mit von der Partie im partylosen Lümmelleben, sie trägt den Namen Louise Lehmann.

Die Strahlkraft der Clips ist beeindruckend groß und reicht sogar bis Nordamerika. Kein Geringerer als Justin Trudeau, Kanadas Premierminister, retweetet begeistert die Video-Clips der Bundesregierung, die es inzwischen auch mit englischen Untertiteln gibt. Die französische Rundfunkanstalt France 24 nahm #besonderehelden in ihre Bestenliste der "cleveren Covid-19 Werbevideos" auf und sogar die New York Times erwähnte sie in ihrem Podcast "The Daily" in der Episode "Warum in Europa die Kurve abflacht". Die altehrwürdige BBC bewirbt sie ebenfalls auf ihrer Internetseite und wundert sich über den erstaunlichen Humor der Deutschen. Auch Politikerinnen wie die Sozialdemokratin Sawsan Chebli twitterten:

Aber nicht alle User sind so freudetrunken, sondern fragen kritisch: Wer sind diese betagten Grauhaarigen, die für eine ganze Generation sprechen dürfen? Wo sind die alleinerziehenden Mütter? Was ist mit dem osteuropäischen Putzmann? Mit Menschen, die gerade echte Existenzsorgen durchleben? Welche Gesellschaft soll das bitte abbilden?

Einige User meinen, dass sich der Clip über die Sofastudis nur an eine kleine, akademische Zielgruppe richte.

Andere - darunter Historiker - kritisieren die Vergleiche mit dem Zweiten Weltkrieg. "Sie verspotten nicht nur die Toten des Zweiten Weltkriegs, sondern auch die Menschen, die die Front überlebt haben und darüber sprechen konnten", schrieb ein anderer Nutzer.

Fehlende Selbstkritik der Corona-Kampagne

Tatsächlich stellt sich die Frage, wen die Bundesregierung eigentlich erziehen möchte. Tragen die Partyfeiernden die Schuld dafür, wenn die Pandemie nicht stoppt? Wie wäre es mal mit Selbstkritik? Wo bleiben die Videos über eine fehlgeleitete Wirtschaftspolitik oder die Zerstörung von Naturräumen, die auch weiterhin die Ausbreitung ähnlicher Viren begünstigen? Es gäbe noch viele weitere Aspekte, die für eine ganze Serie von Videos reichen würden. Diese Versäumnisse schmälern allerdings nicht die Botschaft der Clips: #stayhome. Bleiben Sie zu Hause!

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion