Frank Schätzing wird 60
28. Mai 2017Nachmittags trifft man ihn oft im Café Wippenbeck in der Kölner Südstadt, nicht weit von seiner Wohnung. Seinen Laptop hat Frank Schätzing immer dabei, denn er sucht ständig nach neuen Ideen und informiert sich im Netz akribisch über wissenschaftliche, historische oder sonstige Hintergründe - je nachdem, worüber er gerade schreibt. Allein sein Bestseller "Der Schwarm" hat ihn fünf Jahre Recherche gekostet. "Ein Buch besteht zu achtzig Prozent aus harter Arbeit. Alles ohne Formel. Und meistens ohne Genialität", hat er gegenüber dem Magazin der Süddeutschen Zeitung einmal gesagt.
Er muss wohl alles richtig gemacht haben, denn der Öko-Thriller aus dem Jahr 2004 brachte es auf eine Gesamtauflage von 4,5 Millionen Exemplaren und wurde weltweit in 27 Sprachen übersetzt.
Vom Werbetexter zum Schriftsteller
Eigentlich hatte der gebürtiger Kölner, der am 28. Mai 1957 das Licht der Welt erblickte, gar keine Karriere als Schriftsteller im Sinn. Als Jugendlicher wollte er einmal Popmusiker werden - aber das wollen schließlich viele in dem Alter. Stattdessen studierte er Kommunikationswissenschaften, gründete mit Kollegen eine Werbeagentur und textete für internationale Agenturen.
Irgendwann hat es ihn dann gepackt. 1995 erschien sein erstes Buch, der historische Roman "Tod und Teufel". Darin geht es um einen liebenswerten Dieb, der beobachtet, wie jemand den Kölner Dombaumeister vom Gerüst stößt. Das Buch wird ein Erfolg. Nur ein Jahr später folgt "Mordshunger", ein amüsanter Krimi mit Rezepten von 15 Kölner Küchenchefs - und so ganz nebenbei erfährt man, dass Schätzing ein begeisterter Hobbykoch ist. Auch dieser Titel verkauft sich bestens. Es folgen "Die dunkle Seite", "Lautlos" und weitere Krimis, die alle in und um Köln spielen.
Doch Schätzing beschränkt sich nicht auf das Lokalkolorit, er will mehr und greift weltpolitische Themen auf. So tauchen in "Die dunkle Seite" mysteriöse Fremdenlegionäre auf, während "Lautlos" von einem geplanten Attentat gegen US-Präsidenten Bill Clinton handelt, der während des EU-G8-Doppelgipfels in Köln ermordet werden soll.
Mix aus Wissenschaft, Thriller und Science-Fiction
Mit "Der Schwarm" verlässt der Autor 2004 das Krimi-Genre und wagt sich auf neues Terrain. Zwei Jahre lang schreibt er an dem fast 1.000 Seiten dicken Opus. "Frank Schätzing inszeniert den Feldzug der Natur gegen den Menschen als atemberaubendes Schreckensszenario mit Tempo und Tiefgang", kündigt sein Verlag den Sciene-Fiction-Wissenschaftsthriller an. Das Buch schlägt ein wie eine Bombe und macht ihn weltweit berühmt.
Viele meinen, er habe eine Botschaft gegen die Zerstörung der Umwelt verfasst, um die Menschen aufzurütteln. Doch Schätzing lehnt solche Spekualtionen ab. "Ich habe nie Botschaften. Ich bin ja nicht der Messias. Ich will unterhalten und informieren."
So viel ist klar: Seit "Der Schwarm" ist Schätzing ein Garant für Quote und Auflage, und es hagelt Preise - nicht nur aus der Buchbranche. So erhält er unter anderem den Deutschen Meerespreis, weil er "sich durch ein besonderes Engagement für den Erhalt, Schutz oder die Vermittlung von Wissen um und über die Meere verdient gemacht hat."
Mainstream-Geschmack
Sein letztes Buch "Breaking News" von 2014 erzählt die Siedlungsgeschichte Israels, verknüpft mit dem Schicksal eines Kriegsreporters. Und es wird - natürlich - wieder ein Bestseller. Doch ein Erfolgsrezept für ein Buch gebe es nicht, betont der Autor. Das kennt er noch aus der Werbebranche: "Du kannst genau die gleichen Zutaten nehmen für eine Kampagne, die gleichen Muster, die gleiche Technik, die gleiche Story: Es funktioniert trotzdem nicht. Wenn alle auf den Zug aufspringen, ist der Trend schon wieder vorbei. Flops kann man so programmieren, Erfolge nicht."
Vielleicht liege es an seinem Mainstream-Geschmack, dass seine Bücher gut ankommen, sagte Schätzing einmal gegenüber dem Tagesspiegel: Was Unterhaltung angeht, ist mein Geschmack gehoben populär. Mit gut gemachten Hollywood-Blockbustern kann man mich kriegen. Das habe ich mit der Mehrheit gemeinsam, vielleicht ein Grund, warum viele mich lesen."
Schätzing kann mal aber nicht nur lesen, man kann ihn auch hören. Im Keller seiner Wohnung hat er ein schalldichtes Aufnahmestudio eingerichtet. Dort arbeitet er an den Hörbuch-Produktionen seiner Bücher. Geräusche und Töne zur Untermalung hat er von seinen Reisen mitgebracht. Oder er tüftelt an einer multimedial aufbereiteten Präsentation. "Kino für die Ohren" nennt er das, denn reine Lesungen sind nicht sein Ding. "Wenn ich eine Bühne zur Verfügung habe, nutze ich sie, um andere Sinne anzusprechen und den erzählerischen Kosmos meiner Geschichte zu erweitern."
Vielleicht kommt das Geburtstagskind ja bald mit einem neuen Erzählkosmos um die Ecke. In seinem Stammcafé jedenfalls sieht man ihn fleißig am Laptop tippen.