Blutige Eskalation in der Ukraine
23. Januar 2014Zehntausende Regierungsgegner harren im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew aus, um die drohende Räumung ihres Protestlagers auf dem zentralen Maidan-Platz zu verhindern. Innerhalb weniger Stunden erhöhten sie die Barrikaden um den Unabhängigkeitsplatz durch mit Schnee gefüllte Säcke, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Hunderte Menschen schleppten in Plastiktüten Pflastersteine auf den Maiden. Auch in dieser Nacht brannten wieder die aus Autoreifen aufgebauten Barrikaden. Die Polizei setzte Tränengas, Gummigeschoße und Blendgranaten ein, Demonstranten warfen Molotow-Cocktails und Steine. Die Oppositionsführer hatten zuvor ihre Anhänger aufgerufen, auf den Maidan zu kommen, um eine Räumung des Platzes durch die Sicherheitskräfte zu verhindern.
Auf der unweit des Maidan gelegenen Gruschewski-Straße gab es in der Nacht Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und vielen radikalen Regierungsgegnern.
Bei den Ausschreitungen am Mittwoch hatte es erstmals Tote gegeben. Die Opposition spricht von sieben Totesopfern. Die Polizei bestätigte drei Tote. Ärzte berichten von Hunderten Verletzten.
Opposition will nicht weichen
Auch auf diplomatischer Ebene verschärfte sich der Konflikt. Ein dreistündiges Krisentreffen der Oppositionsführer Vitali Klitschko, Arseni Jazenjuk und Oleg Tjagnibok mit Präsident Präsident Viktor Janukowitsch und Justizministerin Jelena Lukasch blieb ohne greifbares Ergebnis. An diesem Donnerstag gibt es weitere Gespräche.
Nach dem ersten Spitzentreffen im Präsidentenpalast stellten die sichtlich enttäuschten Oppositionspolitiker auf dem Maidan ein 24-stündiges Ultimatum an Janukowitsch. Binnen dieser Frist solle Janukowitsch zurücktreten, verlangten sie. Wenn der Staatschef ihnen nicht entgegenkomme, werde die Opposition nach Ablauf der Frist zum Angriff übergehen. Einen anderen Ausweg gebe es nicht, sagte Ex-Boxweltmeister Klitschko in einer scharfen Rede auf dem Maidan. Gleichzeitig rief er die Menge zur Zurückhaltung bis Donnerstagabend auf. Die Sicherheitskräfte forderte er auf, zur Opposition überzulaufen.
Die seit Ende November andauernden Proteste gegen die Regierung waren in den vergangenen Tagen immer mehr in offene Gewalt umgeschlagen. Auslöser für die Wut der Demonstranten war ein neu verabschiedetes Gesetzespaket, mit dem das Demonstrationsrecht deutlich beschnitten wurde. Es ermöglicht unter anderem Haft- und Geldstrafen für vermummte Demonstranten und das ungenehmigte Aufbauen von Protestcamps. Für die Blockade öffentlicher Gebäude drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Allein am Sonntag gingen mehr als 100.000 Ukrainer auf die Straße, um gegen die vom Parlament verabschiedete Einschränkung des Demonstrationsrechts zu demonstrieren.
Ursprünglicher Hintergrund der regierungskritischen Proteste ist die Entscheidung von Präsident Janukowitsch, ein mit der europäischen Union ausgehandeltes Assoziierungsabkommen nicht zu unterzeichnen und sein Land stattdessen wieder enger an Russland zu binden.
qu/nis (afp, dpa, rtr)