Brisanter Besuch Macrons auf Korsika
6. Februar 2018- Frankreichs Staatschef besucht erstmals Korsika
- Die Reise gilt angesichts wachsenden Nationalismus auf der Insel als "sensibel"
- In Paris herrscht Angst vor einem "katalonischen Szenario"
Sein erster Besuch auf Korsika fällt in eine Phase wachsenden Einflusses der gemäßigten Nationalisten auf der Mittelmeer-Insel. Angesichts des verbissenen Ringens der Korsen für größere Autonomie versprach Emmanuel Macron in der Hauptstadt Ajaccio einen offenen Dialog, wies aber auch zentrale Forderungen der Separatisten zurück. Macrons zweitägige Visite sei eine der sensibelsten Reisen seit seinem Amtsantritt, zitierte die Pariser Zeitung "Le Figaro" einen Vertrauten des Staatschefs.
Symbolträchtiges Datum
Auf den Tag genau 20 Jahre nach der Ermordung des französischen Präfekten Claude Érignac durch korsische Extremisten weihte Macron in Ajaccio einen Platz ein, der den Namen des Spitzenbeamten trägt. Korsika sei "durch dieses Verbrechen beschmutzt worden", beklagte der Präsident. Zwei Jahrzehnte nach der Tat gelte es jetzt, eine Zukunft für die Insel zu entwerfen, "ohne dem Ansinnen nachzugeben, sie aus dem Schoß der Republik zu lösen".
Forderungen nach einer Freilassung bekannter Häftlinge wies Macron zurück. Eine Amnestie für die wegen Mordes an Érignac verurteilen Korsen komme für ihn und die "Justiz der Republik" nicht in Frage. Ein solcher Akt wie im Februar 1998 sei Terror und habe "mit Befreiungskampf nichts zu tun".
Die Häftlingsfrage gilt auf Korsika als Politikum: Die Nationalisten fordern unter anderem die Freilassung von Yvan Colonna, der in Südfrankreich wegen des Mordes an Érignac eine lebenslange Haftstrafe verbüßt. Colonna hat die Tat stets bestritten. Er gehört zu rund zehn Gefangenen, die vielen Korsen als politische Häftlinge gelten.
An der Gedenkfeier für den ermordeten Präfekten nahm auch der Präsident des korsischen Exekutivrats, Gilles Simeoni, teil. Er war früher Colonnas Anwalt und steht an der Spitze des nationalistischen Bündnisses Pè a Corsica (Für Korsika), das bei der Regionalwahl im Dezember die absolute Mehrheit holte. Ziel ist ein Autonomiestatus, eine Unabhängigkeit für die Heimatinsel des früheren Kaisers Napoleon von Frankreich strebt das Bündnis aber nicht an.
"Die korsische Frage"
Separatisten hatten auf der beliebten Ferieninsel jahrzehntelang mit Gewalt für ihre Forderungen gekämpft. 2014 legte die Untergrundorganisation FLNC die Waffen nieder. Etwa zeitgleich gewannen gemäßigte Nationalisten politisch an Bedeutung und pochten auf Zugeständnisse. Tausende Demonstranten waren am Sonntag im Vorfeld des Marcon-Besuchs für mehr Eigenständigkeit vom Pariser Zentralstaat auf die Straße gegangen. Die Nationalisten drängen auf eine größere Unabhängigkeit sowie auf eine gleichberechtigte Anerkennung der korsischen Sprache.
Die Gelegenheit sei noch nie so günstig gewesen, um aus der "Logik des Konflikts" herauszukommen, hatte Exekutivratschef Simeoni erklärt. In Paris gelten manche korsische Erwartungen aber schlicht als inakzeptabel. Zwar erscheint Macron grundsätzlich geneigt, Regionen mehr Entscheidungsspielraum zu geben. Eine Sonderrolle Korsikas in der Verfassung dürfte es aber kaum geben. Zu groß sei die Furcht vor einem "katalonischen Szenario", hieß es in der Presse.
SC/jj (afp, APE, rtr, dpa)