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Verdacht als Erfassungsgrund

1. Dezember 2006

Der Bundestag hat die umstrittene Anti-Terror-Datei beschlossen, in der vom kommenden Jahr an Informationen über Verdächtige zentral gespeichert werden sollen. Die Oppositions-Fraktionen lehnen die Datei ab.

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Eine Mitarbeiterin des BKA im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin schaut sich Al-Kaida-Videos an (Archiv)
Mitarbeiterin des BKA im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin (Archiv)Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble während seiner Rede über die Datei
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble während seiner Rede über die DateiBild: AP

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist zufrieden. Obwohl einige Datenschützer und Rechtsexperten bei einer Anhörung im Bundestag Bedenken geäußert hatten, sprach sich die Mehrheit der Abgeordneten für die beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelte Anti-Terror-Datei aus. Zugriff werden 38 Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder haben: Polizei, Kriminalämter, Verfassungsschützer, der Militärische Abschirmdienst (MAD), Bundesnachrichtendienst (BND) und das Zollkriminalamt. Sie alle sind verpflichtet, ihre Erkenntnisse beizusteuern. Eine Ausnahme gilt für die Geheimdienste, wenn sie den Schutz ihrer Quellen für gefährdet halten.

Religionszugehörigkeit wird gespeichert

Gegner der zentralen Datensammlung und des vielfältigen Zugriffs kritisieren, das in Deutschland geltende Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst werde ausgehebelt und Bürgerrechte würden eingeschränkt. Innenminister Schäuble hält diesen Vorwurf für unzutreffend: "Wenn Sie die freiheitliche Ordnung unseres Landes bewahren wollen - worüber wir uns hoffentlich alle einig sind - dann muss dieser Rechtsstaat in der Lage sein, den Bürgerinnen und Bürgern ein hinreichendes Maß an Sicherheit zu gewährleisten."

Überwachungskamera am Berliner Hauptbahnhof
Überwachungskamera am Berliner HauptbahnhofBild: picture-alliance/ dpa

Genau das aber werde scheibchenweise praktiziert, meint der Innenpolitiker der Linksfraktion, Jan Korte, und verweist auf die möglichen Informationen, die in der Anti-Terror-Datei gespeichert werden dürfen: Neben Waffenbesitz und der Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen sind das Angaben zum Beruf, über Reisebewegungen, Bank- und Telekommunikationsdaten, Kontaktpersonen und - was Korte besonders empört - die Religionszugehörigkeit. "Was soll das, was hat das darin zu suchen?", fragt er. "Das ist doch natürlich wieder mal eine völlige Stigmatisierung, die hier vorgenommen wird. Und es trifft, wie immer im Kampf gegen den Terrorismus, in erster Linie die Migrantinnen und Migranten in diesem Land. Deswegen lehnen wir es ab."

"Unkontrollierbarer Zugriff"

Der Innenexperte der Grünen, Wolfgang Wieland, befürchtet einen unkontrollierbaren Zugriff auf die gesammelten Informationen. Zwar handelt es sich um eine so genannte Index-Datei mit wenigen Angaben zur Identifikation verdächtiger Personen. Darüber hinaus gehende Erkenntnisse sollen zwar nur auf Antrag eingesehen werden können, doch in Ausnahmefällen gelten Eilfall-Regelungen. Praktisch laufe das auf eine Volltext-Datei hinaus, meint Wieland.

Abgesehen davon könnten Attentats-Pläne, wie die der so genannten Kofferbomber im Sommer dieses Jahres auch künftig nicht verhindert werden. "Der Anschlag von Köln, den nur ein Zufall verhindert hat, hätte durch eine Anti-Terror-Datei nicht verhindert werden können."

Keine Bürger-Beteiligung

Auch Vertreter der Regierungs-Fraktionen CDU/CSU und SPD räumten ein, hundertprozentige Sicherheit könne es nicht geben. Aber, sagte der Sozialdemokrat Dieter Wiefelspütz, der Terrorismus sei eine akute Gefahr in Deutschland: "Deswegen haben wir die verdammte Pflicht, das Menschenmögliche zu tun, um die Sicherheit unseres Landes und unserer Bürgerinnen und Bürger zu verbessern."

Diese Einschätzung teilt der FDP-Innenpolitiker Max Stadler, kommt aber zu anderen Schlussfolgerungen. Unter anderem der, dass die Anti-Terror-Gesetze aus der Perspektive der darin erfassten Bürger überprüft werden müssten. Bislang evaluiert das Innenministerium selbst seine eigenen Gesetze.