Celentano fordert Berlusconi heraus
7. November 2005Jeden Donnerstag sitzen in Italien rund zwölf Millionen Zuschauer vor dem Fernseher, um die neue Show des alternden Rocksängers Adriano Celentano zu sehen. Sie wollen ihn nicht unbedingt singen hören, sondern freuen sich auf die politischen Witze, die der 67-jährige Celentano über den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in seiner Show "Rockpolitik" reißt. Das ist neu auf den weitgehend gleichgeschalteten italienischen Fernsehkanälen, die der Medienunternehmer Berlusconi entweder besitzt oder über staatliche Gremien indirekt kontrolliert.
Bislang galt Kritik an Berlusconi als Majestätsbeleidigung. Darüber setzt sich Adriano Celentano nun ausgerechnet im ersten Programm des staatlichen Senders RAI hinweg. Die Italiener ergötzen sich vor allen daran, dass sich Celentano mit dem Komiker Roberto Benigni frech über den konservativen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi lustig macht.
"Ich möchte wieder mein eigenes Mikrofon"
Die in anderen europäischen Ländern eher harmlos wirkenden Scherze sind im Satire-entwöhnten Italien hochexploxiv. Silvio Berlusconi beklagte sich prompt, das Fernsehen greife systematisch die Arbeit seiner Regierung an. Im April 2002 hatte Berlusconi den beliebten linken Fernsehjournalisten Michele Santoro mundtot gemacht. Santoro kehrte in Adriano Celentanos "Rockpolitik" triumphierend als Studiogast auf den Bildschirm zurück: "Ich möchte wieder mein eigenes Mikrofon", forderte Santoro, der sogar sein Mandat als Europarlamentarier in Brüssel aufgab, um wieder Fernsehen machen zu können.
"Celentano macht Italien wieder zu einem freien Land, zumindest für einen Abend in der Woche", jubelt die linksliberale Tageszeitung "La Repubblica". Das rechte Lager fordert eine satirische Gegensendung, um die Ausgewogenheit wieder herzustellen. Schließlich herrscht in Italien Wahlkampf. In sechs Monaten wird das Parlament gewählt.
"Pressefreiheit durch einen Sänger einfordern"
Der Medienkritiker Aldo Grasso aus Mailand findet es bedenklich, dass nicht Journalisten, sondern ein Showmaster gegen die vermeintliche Zensur durch Berlusconis Medienmacht zu Felde zieht: "Leider sind wir in Italien dazu gezwungen, die Pressefreiheit durch einen Sänger einzufordern. Der macht dann seine Show und setzt sich über alles hinweg. Im Vorfeld hat sich Celentano absolute redaktionelle Unabhängigkeit ausbedungen. Meiner Meinung nach ist die Pressefreiheit aber zu wichtig, um sie zu einem Fernsehspektakel zu machen."
Der Programmdirektor von RAI Uno, Fabrizio del Noce, eigentlich ein Parteifreund Berlusconis, ist schon mal auf Tauchstation gegangen und hat sich für die Dauer der Sendung selbst suspendiert. In Italien fragt man sich nun, wie Silvio Berlusconi, der diverse private Kanäle besitzt und die staatlich RAI indirekt kontrolliert, reagieren wird. Die Zuschauer jedenfalls sind begeistert: "Celentano singt nicht nur gut, er nennt die Dinge einfach beim Namen." Wie lange noch, das ist die Frage.