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China, die USA und der Krieg gegen den Terror

Erning Zhu4. September 2006

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben zwar zu einer gewissen Annäherung zwischen dem Reich der Mitte und den USA geführt, doch im Kern ist das Verhältnis weiterhin von Misstrauen und Ängsten dominiert.

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Hu Jintao zu Besuch in Washington (April 2006)Bild: AP
USA Spionage Flugzeug in China
Notgelandeter US-Aufklärer - Anlass für diplomatische VerstimmungenBild: AP

Die China-Politik der USA bewegt sich seit Jahrzehnten, je nach weltpolitischer Lage, Stärke der bilateralen Konflikte und Stimmungswechseln im Inland zwischen den beiden Polen des Einbindens ("engagement") und Eindämmens ("containment"). Zu beobachten war, dass jede neue US-Regierung nach Amtsantritt zunächst eher konfrontativ mit China umging, um einige Zeit danach zu einem eher pragmatisch-kooperativen Ansatz zu wechseln. Während Präsident Clinton in seiner zweiten Amtszeit 1997 China in den Status eines "strategischen Partners" erhob, stufte George W. Bush in seinem Präsidentschaftswahlkampf das Reich der Mitte zum "strategischen Konkurrenten" zurück. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern erfuhren dann infolge der Kollision eines US-Aufklärungsfliegers mit einem chinesischen Kampfflugzeuges über dem südchinesischen Meer im April 2001 eine weitere wesentliche Verschlechterung.

US-Chinesischer Dialog
Jiang Zemin beim Abschiedsbesuch in Washington (Oktober 2002)Bild: AP

Vor diesem Hintergrund war es sehr bemerkenswert, dass der damalige chinesische Partei- und Staatschef Jiang Zemin unmittelbar nach dem Terroranschlag am 11. September 2001 zum Telefon griff, um gegenüber Präsident Bush nicht nur sein Bedauern und seine Verurteilung der Terroranschläge zum Ausdruck zu bringen. Er sagte darüber hinaus Chinas aktive Unterstützung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu. Diese Entscheidung der chinesischen Führung war intern mit Risiken verbunden. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich noch immer eine starke anti-amerikanische Stimmung, insbesondere unter den Jugendlichen, in China virulent. Sie fand beispielsweise in zahlreichen Beiträgen im Internet ihren Niederschlag, in denen die Autoren meinten, der 11. September sei die Quittung für die US-Machtpolitik und ihre selbsternannte Rolle als Weltpolizist.

Ein Neubeginn?

Jiang Zemin sah jedoch in der Herausforderung des Terroranschlags eine neue Chance, das Verhältnis zwischen China und Amerika zu verbessern. Er ging davon aus, dass sein Land langfristig nicht auf die Kooperation mit USA verzichten kann, wenn Chinas Modernisierung erfolgreich vorangetrieben werden soll – und darin sieht die chinesische Staatsführung ihre Hauptaufgabe. Um sie zu erfüllen, hat die chinesische Führung "drei Kräften" den Kampf angesagt: Separatismus, Terrorismus und Extremismus. China hofft natürlich auch, als Mitglied der Allianz gegen den internationalen Terrorismus mehr Verständnis für sein hartes Vorgehen zu finden, vor allem im nordwestlichen Landesteil Xinjiang, wo mehr als die Hälfte der 18 Millionen Einwohner Muslime sind. Erst in den 1990er Jahren war es dort zu Hunderten von Unruhen gekommen. Aber auch für seinen Kampf gegen den Separatismus in Taiwan und die Falungong-Bewegung wollte Peking auf diesem Wege unter der Überschrift "Kampf gegen den Terrorismus" internationale Legitimität gewinnen

Aber auch Bush suchte offenbar Chinas Unterstützung, nicht nur im UN-Sicherheitsrat, wo China ein Veto-Recht hat, sondern auch bei konkreten Aktionen im Anti-Terror-Kampf. So konnte China etwa in Pakistan bei der Bekämpfung der Taliban und in weiteren Fällen hilfreich sein. Bush zeigt seinerseits gegenüber den Chinesen Entgegenkommen und setzte im August 2002 eine uigurische Gruppierung, das "East Turkistan Islamic Movement", auf die Terror-Liste. Chinas Hoffnung, aus der gemeinsamen Terrorbekämpfung Kapital für seine eigene Politik zu schlagen, entpuppte sich im weiteren Verlauf freilich als Utopie.

Falun Gong Sekte protestiert
Terroristen? Falungong-AnhängerBild: AP

Zwischen dem 11. September 2001 und Ende 2002 fanden drei persönliche Treffen zwischen Jiang Zemin und Bush statt. Das hat offenkundig zumindest zu einer Verbesserung der Rhetorik und der Atmosphäre in den beiderseitigen Beziehungen beigetragen. Zu diesem Zeitpunkt sprach die US-Regierung von einer "offenen, konstruktiven Partnerschaft" mit China. Die Komponente "Einbindung" schien Vorrang vor der "Eindämmung" zu gewinnen.

Nach fünf Jahren ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Lesen Sie weiter auf den nächsten Seite.

Neubelebte Befürchtungen

Fünf Jahre nach den Anschlägen auf New York und Washington ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Wissenschaftliche Beobachter meinen, diese fiele für China nicht besonders positiv aus. Einen Vertrauenszuwachs in den USA konnte China in diesen Jahren nicht verbuchen. In der US- Bevölkerung wird China weiterhin als größter Herausforderer der Weltmachtstellung des Landes wahrgenommen. Der Kongress bereitet einen Gesetzentwurf vor, der auf alle "Made in China"-Produkte einen Strafzoll von 27 Prozent verhängen soll. Im State Department wurden die China-kundigen Abteilungsleiter ausgewechselt.

Vor dem 11. September beschränkte sich die amerikanische Militärpräsenz auf die Region östlich von China, vor allem Japan, Korea und einige südostasiatische Länder. Jetzt sieht sich China auch im Westen mit GIs konfrontiert. Zwar wurde im Juli 2006 das in Usbekistan stationierte Kontingent zurückgezogen, aber die Einheiten in Kirgisien und Afghanistan sind geblieben. Die Stationierung der US-Truppen in Zentralasien wurde im Vorfeld mit Russland abgesprochen, während China überhaupt nicht konsultiert wurde. Schon kurz nach dem 11. September 2001 hat Ministerpräsident Koizumi vier japanische Kriegsschiffe in den Indischen Ozean geschickt. Damit verabschiedet sich Japan faktisch vom Prinzip der Nichtbeteiligung an den aktiven Maßnahmen der kollektiven Verteidigung in der Region. Über die schrittweise Preisgabe der Friedensverfassung Japans gibt es in China viel Verärgerung, aber auch das Bewusstsein, dass Gegenmaßnahmen nicht möglich sind.

US-Präsident Bush auf Asienreise Mongolei
China fürchtet Einkreisung: Bush in der Mongolei (November 2005)Bild: AP

Zu alledem hat Washington auch noch die Beschränkung für den Verkauf von Waffensystemen nach Indien aufgehoben, während sie für China weiterhin gilt. Indien und die USA vereinbarten eine Kooperation in den strategisch wichtigen Bereichen der zivilen Nukleartechnologie und Raumfahrt, obwohl Neu Delhi das Abkommen über die Nicht-Verbreitung von Atomwaffen bis heute nicht unterzeichnet hat. Weiterhin haben sich die USA verpflichtet, vietnamesische Soldaten auszubilden. Bush hat als erster amerikanischer Präsident die Mongolei besucht, dem Land eine Militärhilfe von 20 Millionen US-Dollar jährlich zugesagt und darüber hinaus auch noch gemeinsame mongolisch-amerikanische Militärmanöver vereinbart.

Infolgedessen sieht sich China heute an fast allen seinen Grenzen durch amerikanische Militäraktivitäten herausgefordert. Kein Wunder also, dass die chinesische Furcht vor einer Einkreisung des Landes durch die Supermacht USA fünf Jahre nach dem 11. September lebendiger ist denn je.