China stärkt seine Patent-Muskeln
8. März 2018China beschleunigt seine Aufholjagd bei Innovationen. Wie das Europäische Patentamt am Mittwoch bekanntgab, hat erstmals ein chinesisches Unternehmen die meisten Patente in Europa eingereicht.
Der Telekommunikationsausrüster Huawei lag mit 2398 Patentanmeldungen auf Platz eins. Auf den zweiten Platz kam der deutsche Elektrokonzern Siemens, gefolgt von den südkoreanischen Anbietern LG und Samsung sowie dem US-Chipersteller Qualcomm.
Auch in der Länder-Rangliste macht China Boden gut und schaffte es in Europa erstmals auf den fünften Platz, hinter den USA, Deutschland, Japan und Frankreich, so die Behörde in Brüssel.
Weltweit liegt China bei Patentanmeldungen allerdings schon seit 2011 auf dem Spitzenplatz. Das liegt daran, dass der Großteil der Patente im eigenen Land angemeldet wird.
China liegt vorn
Neu ist, dass in China zuletzt mehr Patente angemeldet wurden, als in den USA, der Europäischen Union (EU), Japan und Südkorea zusammen. Das geht aus einem Bericht der World Intellectual Property Organization (WIPO) hervor, der sich auf Zahlen von 2016 stützt.
"Nicht jedes angemeldete Patent wird erteilt, und nicht jedes erteilte Patent findet Anwendung in der Wirtschaft", sagt Carsten Fink, Chefökonom der WIPO, die zu den Vereinten Nationen gehört und ihren Sitz in Genf hat. "Auch sind einige Patente mehr wert als andere", so Fink zur DW. "Insofern sollte man bei den Zahlen vorsichtig sein."
Und doch haben die Zahlen eine klare Botschaft, glaubt Fink: "Sie zeigen die wachsende Innovationskraft in China. Das sieht man auch, wenn man sich Daten zu Forschungs- und Entwicklungsausgaben anschaut, oder die Veröffentlichung von Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften oder die Investitionen ins Humankapital."
Innovation als Regierungsziel
Die Entwicklung passt zum erklärten Ziel der chinesischen Regierung, die Wirtschaft des Landes umzubauen - weg von der Werkbank der Welt, hin zu Innovationsführerschaft und einer Stärkung des Binnenmarktes.
Die meisten Patentanmeldungen in China kommen aus dem Bereich der digitalen Kommunikation. "Firmen wie Huawei oder ZTE gehören in China zu den führenden Patentanmeldern", sagt Fink.
Auch international gehört die digitale Kommunikation zu den stärksten Patentfeldern, noch vor Medizintechnik und Pharma. Mehr Patente kamen nur aus der Computertechnik, dem Maschinenbau und der Messtechnik.
Angesichts der gewaltigen Größe Chinas verzerren absolute Angaben allerdings das Bild. Andere Ranglisten setzen die Patentzahlen daher ins Verhältnis zur Wirtschaftskraft oder der Größe der Bevölkerung. Hier ist China nicht mehr ganz so dominant, doch auch diese Rankings zeigen, dass das Land aufholt.
So liegt China auf Platz zwei, nach Südkorea, wenn man die Zahl der Patentanmeldungen pro 100 Milliarden US-Dollar Bruttoinlandsprodukt berechnet. Setzt man sie ins Verhältnis zu Einwohnerzahl, liegt China auf Rang sechs, mit ähnlichen Werten wie Deutschland, USA und die Schweiz.
Guy Standing, Wirtschaftsprofessor an der SOAS University of London, sieht in Chinas zunehmener Stärke bei Patenten auch einen Erklärung für die aktuellen protektionistischen Tendenzen in der US-Wirtschaftspolitik unter Präsident Trump.
Internationaler Patentschutz
Die USA seien in der Vergangenheit die treibende Kraft gewesen, den Patentschutz im internationalen Handel zu etablieren, etwa durch das TRIPS-Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO oder entsprechende Passagen in Freihandelsabkommen.
Entstanden ist ein System, das nach Ansicht Standings der US-Wirtschaft lange genützt habe. Allerdings verleihe es Patenthaltern übergroße Macht. Als Beispiel nennt er die fünf großen US-Tech-Firmen Facebook, Amazon, Google-Mutter Alphabet, Apple und Microsoft.
In den vergangenen zehn Jahren hätten diese fünf insgesamt 519 Firmen übernommen und damit nicht nur Konkurrenten aus dem Feld geräumt, sondern gleichzeitig Patente erworben, die ihnen "monopolistische Einnahmen" garantieren.
Wer ist der Dschungelkönig?
Doch abgesehen von wenigen Tech-Superstars seien die USA insgesamt ins Hintertreffen geraten. "Das ist die Ironie dabei: Wenn Trump jetzt gegen China keilt und dem Land Patentrechtsverletzungen vorwirft, dann zeigt das nur, dass die USA hier ihre dominante Rolle verloren haben", so Standing zur DW. "Plötzlich ist China ein Konkurrent auf Augenhöhe, und die USA sind nicht mehr der König im Dschungel."
Nun entfalte sich eine faszinierende Phase der globalen Machtverschiebung. Nach Ansicht Standings versuche Trump verzweifelt, die Rolle des Dschungelkönigs zurückzuerobern, notfalls mit protektionistischen Maßnahmen - mit dem Ziel, China einen ähnlichen Aufstieg zu erschweren.
"Aber ich glaube nicht, dass das klappt", sagt Standing. "China ist einfach zu groß, zu dynamisch und strategisch zu gut positioniert in der Weltwirtschaft, als dass die USA damit Erfolg haben können."