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Christian Seifert: Vom Milliarden-Dealer zum Krisen-Manager

Herbert Schalling
13. Mai 2020

Die Bundesliga setzt die wegen der Corona-Krise unterbrochene Saison fort - als erste der großen Ligen in Europa. Auch ein persönlicher Erfolg für DFL-Boss Christian Seifert, der den Deal aushandelte. Aber hält er auch?

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Coronavirus - DFL Christian Seifert
DFL-Vorstand Christian Seifert handelte den Neustart der Bundesliga ausBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Christian Seifert wirkt sichtbar mitgenommen in diesen Tagen. Die letzten Wochen haben dem Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga ziemlich viel abverlangt. Am zweiten März-Wochenende zwang das Corona-Virus auch den Fußball in die Knie. Für Seifert begann an diesem Tag der Krisenfall. Er tat alles dafür, die Saison noch zu retten. Mitgliederversammlungen aller 36 Profi-Vereine der beiden Bundesligen, dazu Gespräche mit Politikern und Experten, viele Interviews für Zeitungen und Fernsehstationen. In der größten Krise wurde Christian Seifert zum Gesicht des deutschen Fußballs.

Seifert war vor der Krise längst nicht allen Fußballfans bekannt. Stetige Medienpräsenz war bisher nicht seine Sache. Der 51-Jährige zieht lieber im Hintergrund die Fäden - und das durchaus erfolgreich. Besonders bei der Vermarktung der Ware Bundesliga-Fußball erarbeite sich Seifert einen Ruf als „Milliarden-Dealer", der die Interessen der Vereine vertritt und zugleich auch die Unterschiede zwischen kleinen und großen Vereinen ausbalancieren kann. Seit seinem Einstieg 2005 nahm die DFL durch den Verkauf ihrer TV-Rechte zehn Milliarden Euro ein. Der aktuelle Vertrag (gültig noch bis Sommer 2021) bringt der Liga 1,4 Milliarden Euro pro Saison.

Das brachte Seifert einerseits Anerkennung in Form von Job-Angeboten aus der Premier League und von US-Sportkonzernen, andererseits auch harsche Kritik. Er treibe die Kommerzialisierung auf Kosten von Fan-Interessen voran, warfen ihm Teile der organisierten Anhänger vor. Diesen Kritikern schleuderte er dann schon mal Sätze entgegen wie diesen. "Der Profifußball hat großen wirtschaftlichen Erfolg und er muss aufhören, sich dafür zu rechtfertigen". Sätze, die manch einer als eine Form der Überheblichkeit interpretierte. 

Karriere neben statt auf dem Fußballplatz 

Für manche erfüllt Christian Seifert das Klischee des smarten Geschäftsmanns. Stets tritt er mit Hemd, Jackett und Krawatte auf. Auf Fußball-Puristen wirkt er wie ein Fremdkörper im eher hemdsärmelig-kumpeligen Ball-Business. Aber davon sollte sich man nicht täuschen lassen: Seifert, der im süddeutschen Rastatt geboren wurde, kennt und liebt den Fußball. Seit Kindertagen ist er Fan von Borussia Mönchengladbach. Seifert stammt aus einer fußballbegeisterten Familie. Ein Großvater spielte in Freiburg, ein Onkel schaffte es als Profi bis in die zweite belgische Liga. Bei ihm selbst reichte es nicht zur großen Karriere auf dem grünen Rasen. "Man hat dann schon erkannt, dass der liebe Gott einem da Grenzen gesetzt hat", lautet seine Erkenntnis.

Fussball, Bundesliga | Borussia Mönchengladbach - 1. FC Köln
Bundesliga ohne Zuschauer - ein ungewohntes Bild Bild: imago images/U. Kraft

Seine Vielseitigkeit auf dem Rasen - er spielte Stürmer und Libero - zeigte er auch als späterer Verhandlungsführer und Strippenzieher. Sie dürfte ihm auch in den aktuellen Krisen-Gesprächen dienlich gewesen sein. Wobei er da weniger seine Stärken im Angriff, sondern mehr die als geschickter Verteidiger ausgespielt haben dürfte. Mit einer bis dahin nicht gekannten Portion Demut machte der DFL-Chef der Politik und der Öffentlichkeit deutlich, dass das Produkt Fußball zwar eine Handvoll junger Fußballspieler reich macht, aber auch Arbeit und Auskommen für mindestens 56.000 weitere Menschen garantiere. Bei seiner Überzeugungsarbeit dürfte Christian Seifert eine andere Fähigkeit von Nutzen gewesen sein. Sein Interesse an Physik und Technik ermögliche es ihm, "sehr stark in Prozessen und Strukturen zu denken", erklärte er schon vor Jahren. Das helfe ihm, "in komplexen Situationen den Überblick zu bewahren". 

Der Profifußball muss sich ändern - nach Corona 

Der aktuell ausgebremste, wilde und schier unaufhaltsame Aufstieg des Profifußballs in immer höhere Geld-Sphären hat Christian Seifert offenbar nachdenklich gemacht. In seine Statements und Interviews zur Fortsetzung der Bundesliga hat er zuletzt manchen Satz eingestreut, der hellhörig macht. In einer Taskforce "Zukunft Profifußball" möchte er mit Experten ausloten, wie es mit dem Fußball weiter gehen sollte. Die exorbitanten Geldflüsse sind schon lange ein Thema: intern, aber vor allem in der kritischen Öffentlichkeit. 

Durch die Corona-Krise ist die Turbokapitalisierung des deutschen Lieblingssports wieder stärker in den Fokus gerückt. Seifert weiß um die Fallhöhe des Sports, dem die Herzen zufliegen, aber der auch eine große gesellschaftliche Verantwortung hat. "Wenn es möglich ist, Managergehälter zu deckeln, dann muss es auch möglich sein, Gehälter von Beratern und Spielern zu deckeln", sagte Seifert in einem FAZ-Interview.  

Fußball Übertragung
Fußball ist eine Ware, die verkauft wird. Aber fallen nun die Preise?Bild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch

Auch eine Gehaltsobergrenze, wie es sie in verschiedenen US-Profiligen gibt, bringt Seifert wieder ins Spiel. Vor einigen Jahren scheiterte ein Versuch des ehemaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini, Spielergehälter und Beraterhonorare zu begrenzen, am EU-Recht. Möglicherweise könnten die politisch Verantwortlichen jetzt umdenken. "Dann gebe ich Ihnen Brief und Siegel, dass UEFA-Präsident Aleksander Ceferin zur EU fährt und ich bin der Erste, der ihn begleitet." Seifert tritt sowohl als Kapitalismus-Förderer als auch als -Kritiker auf. Kann das gut gehen?

Seifert muss sich messen lassen

Eine solche Diskussion über Fehlentwicklungen anzustoßen, in einer Branche, die vor Corona boomte und in der viele Player danach streben, nach der Krise so schnell wie möglich zum alten Stand zurück zu kehren, birgt Gefahren. Denn Seifert muss sich an seinen Aussagen messen lassen. In dieser Krise nimmt er seine Rolle wahr: Seifert erklärt, lobbyiert und handelt. 

Er erkennt die Chance in der aktuellen Situation. "Doch wenn wir jetzt den Mut und die Ausdauer haben (...), dann kann aus dieser Krise etwas Positives entstehen", gibt sich Seifert überzeugt. Das schnelle Comeback im Vergleich zur Konkurrenz könnte die Bundesliga im Vergleich mit der Premier League ein stück näher heranrücken. Dort droht aktuell die Rückzahlung eines hohen Millionenbetrages (rund 387 Millionen Euro) an die TV-Sender. Die Bundesliga wird - wenn der Spielbetrieb bis zum Saisonende fortgesetzt werden kann - größeren Schaden wohl abwenden können und möglicherweise als Gewinner aus der Krise hervorgehen.