Chávez will die Kritiker der USA für sich gewinnen
25. August 2006Die Musik passt nicht recht zum Szenario: Mit knallrotem Hemd läuft Hugo Chávez aus der Ferne auf den Zuschauer zu. Um ihn herum nichts als Steppe. - Schnitt. - Vor einem Zaun aus Stacheldraht ist nun die achtköpfige Volksmusik-Gruppe zu sehen. Die Männer mit weißen Cowboy-Hüten spielen auf kleinen Gitarren. Eine Herde Kühe mit kantigen Beckenknochen erscheint im Hintergrund. - Wieder Schnitt. - Venezuelas Präsident singt mit.
Sonntags läuft in Venezuela "Aló Presidente" - "Hallo Präsident". Das ist Hugo Chavez' eigene Fernseh-Show, in der er sich ans venezolanische Volk wendet und dabei vor allem sich selbst inszeniert. Sechs Stunden nimmt er sich Zeit dafür. Er singt nicht nur, sondern spricht auch ein paar deutliche Worte über seinen Erz-Feind George W. Bush: "Um es dir in meinem schlechten Englisch zu sagen, meinem "bad english": You are a donkey Mister Danger! Du bist ein Esel! Come here, Mr. Danger! Feigling, Mörder, Völkermörder. You are the last. Du bist das Schlimmste, was dieser Planet je gesehen hat. Das Schlimmste trägt einen Namen und heißt: George W. Bush."
Gemeinsamkeiten der Gastgeber
Diesen Sonntag (27.8.) wird "Aló Presidente" allerdings entfallen. Denn Chávez ist unterwegs: Er gibt sich nicht mehr damit zufrieden, die lateinamerikanische Integration unter seiner Führung voranzubringen. Chávez sucht weiter reichende Allianzen, denn er will auf der weltpolitischen Bühne mitspielen. Dafür trifft er auf seiner zweiten großen Reise innerhalb kurzer Zeit wieder Staatsmänner, die weder demokratische Grundsätze noch Menschenrechte achten. Die Länder, die er bereist, könnten unterschiedlicher nicht sein: vor einigen Wochen waren es Weißrussland, Russland, Iran, Vietnam, Katar und Mali. Nun kommen China, Malaysia und Angola hinzu. Es gebe jedoch eine Gemeinsamkeit dieser Länder, sagt Anja Dargatz von der Friedrich-Ebert-Stiftung: "Auffällig ist die Distanz der meisten Länder zu den USA. Das ist sicherlich ein verbindendes Element, was den Zugang und die ersten Gespräche erleichtert und weswegen Hugo Chávez sich diese Länder ausgesucht hat."
Die tiefe Abneigung gegenüber Bush verbindet Chávez vor allem mit Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad und dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Das gemeinsame Feindbild USA öffne aber vor allem Türen für weitere Ziele, sagt Anja Dargatz. Diese seien wirtschaftlicher Natur: "Erstmal braucht er Absatzmärkte für seine Ressourcen. Hugo Chavez würde diese Länder nicht bereisen, wenn sie nicht auch wirtschaftlich für ihn interessant wären. Seine ganze Politik basiert auf dem Ressourcen-Reichtum."
Abhängig vom Kunden
Noch immer ist Venezuela vom Öl abhängig. 2005 kamen fast 90 Prozent der Export-Einnahmen aus dem Öl-Handel. Abnehmer findet Venezuela in erster Linie in Lateinamerika und auch beim Erzfeind in den USA. Sie sind nach wie vor wichtigster Absatzmarkt für venezolanisches Rohöl, sehr zum Leidwesen von Hugo Chávez.
Die hohen Ölpreise machen jedoch den Öl-Transport in ferne Länder rentabler. China könnte mehr Öl abnehmen als bisher und der Abhängigkeit vom US-Absatzmarkt etwas entgegenwirken. Um ein Viertel will Venezuela die Öl-Lieferung aufstocken, auf 200.000 Barrel pro Tag. Zum Vergleich: In die USA liefert das Andenland noch sieben Mal so viel.
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Seinen Amtskollegen Wladimir Putin bat Hugo Chávez, ihm beim Bau einer Gaspipeline zu helfen. Und Russlands Präsident zeigte sich beim Treffen der beiden Staatsmänner im Juni durchaus kooperativ.
Investitionen in die Infrastruktur, wie sie aus Russland, aus China, aber auch aus dem Iran angekündigt wurden, braucht Chávez. Noch immer hat Venezuela soziale Defizite, große Teile der Bevölkerung sind arm. Will sich Chávez innenpolitisch an der Macht halten, dann muss er seinem Land etwas bieten.
Waffenkauf
Für rund eine Milliarde Euro kaufte Hugo Chávez außerdem russische Waffen, um einen möglichen Angriff aus den USA abzuwehren, behauptet er. Ein vorgeschobener Grund, sagt Anja Dargatz, denn es passe in seine geostrategischen Pläne: "Das gehört sozusagen dazu, dass er Waffen kauft, um als Weltplayer wahrgenommen und ernst genommen zu werden. Wirtschaftliche und militärische Macht gehören zu einem machtvollen Land dazu und so verhält er sich."
Wenn es nach Chávez geht, soll seine Selbstinszenierung bald eine weit größere Plattform bekommen als nur das heimische Fernsehen. Venezuelas Präsident wünscht sich einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Im Oktober werden fünf der zehn nicht-ständigen Mitglieder neu gewählt. Der venezolanische Außenminister Ali Rodriguez gab schon einmal bekannt, dass Venezuela mehr Unterstützung von verschiedenen Organisationen und Ländern erhalte. Mehr als die 128 notwendigen Stimmen will er schon zusammenhaben. Mitbewerber um den nicht-ständigen Sitz für die lateinamerikanische Region ist Guatemala - der Wunschkandidat der USA.