Corona: Protein-Impfstoffe als globale Hoffnungsträger
26. November 2021Einige Ungeimpfte haben sich bisher nicht impfen lassen, weil sie den wirksamen, aber neuartigen mRNA-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna oder den Vektorimpfstoffen von AstraZeneca und Johnson & Johnson misstrauen. Sie warten stattdessen auf proteinbasierte Corona-Impfstoffe, weil diese Technik bereits seit Jahrzehnten sehr zuverlässig zum Schutz vor Grippe, Tetanus oder Keuchhusten eingesetzt wird.
Die ersten Corona-Proteinimpfstoffe werden wohl in einigen Wochen in der EU zugelassen. Sie bieten ebenfalls einen guten Schutz gegen das Coronavirus, aber sie verursachen noch weniger Nebenwirkungen als die bereits zugelassenen Impfstoffe.
Für globale Impfkampagne dringend benötigt
Vor allem aber werden Proteinimpfungen dringend weltweit für die Impfkampagnen benötigt. Denn die reichen Länder sind aktuell so sehr mit Auffrischungsimpfungen und dem Schließen der Impflücken beschäftigt, dass allzu oft vergessen wird, dass in den einkommensschwachen Ländern nur ein Bruchteil der Bevölkerung geimpft wurde.
Hier könnten proteinbasierte Impfstoffe einen extrem wichtigen Beitrag leisten, denn sie sind vergleichsweise günstig zu produzieren und sie lassen sich bei 2 bis 8°C deutlich unkomplizierter transportieren und lagern als die tiefgekühlten mRNA-Impfstoffe. Außerdem könnten die proteinbasierten Impfstoffe in näherer Zukunft auch gleich im globalen Süden hergestellt werden. All dies könnte sich bei Impfkampagnen in strukturschwachen Regionen als sehr nützlich erweisen.
Vielversprechende Kandidaten
Die Entwicklung eines solchen proteinbasierten Corona-Impfstoffs hat länger gedauert. Aber Mitte November hat das US-Pharmaunternehmen Novavax bei der zuständigen europäischen Arzneimittelbehörde EMA eine Marktzulassung für die EU beantragt. Bis Ende des Jahres ist der Zulassungsantrag für die USA geplant. Bei einer positiven Prüfung durch die EMA könnte die Marktzulassung in der EU bereits in den kommenden Wochen erfolgen.
In Indonesien hat Novavax bereits seit Anfang November eine Notfall-Zulassung, in Großbritannien, Kanada und Australien werden die Anträge noch geprüft.
Novavax hat zwar im Moment bei den Zulassungsverfahren die Nase vorn, aber auch andere Impfstoffhersteller wie der indische Pharmakonzern Biological E und der chinesische Konkurrent Clover Biopharmaceuticals werden in nächster Zeit entsprechende Anträge stellen, dicht gefolgt von dem britisch-französischen Pharmariesen Sanofi-GlaxoSmithKline, dem kanadischen Unternehmen Medicago und dem südkoreanischen Pharmakonzern sk bioscience.
Entwickelt werden proteinbasierte Impfstoffe allerdings in vielen Ländern und in einigen Ländern wie Kuba, Russland und Taiwan sind proteinbasierte Impfstoffe längst ein zentraler Pfeiler der nationalen Impfkampagnen.
Wie unterscheiden sich proteinbasierte Impfstoffe?
Proteinbasierte Corona-Impfstoffe enthalten einen winzigen Partikel des markanten Spike-Proteins. Das Immunsystem reagiert auf die Proteine im Impfstoff, und zwar deutlich schneller, weil der Körper ― anders als bei anderen Impfstoffen ― diese Spikeproteine nicht erst noch produzieren muss.
Novavax z.B. enthält keine abgetöteten Coronaviren. Vielmehr wurden mittels rekombinanter Nanopartikeltechnologie kleinste Partikel des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 im Labor nachgebaut. Daraus wird in Insektenzellen (Herbst-Heerwurm) ein Nanopartikel hergestellt, den unser Immunsystem für das eigentliche Virus hält (virus like particle) und entsprechend reagiert.
Da die so entstandenen Nanopartikel im Gegensatz etwa zu den mRNA-Impfstoffen keine Erbsubstanzen enthalten, verursachen proteinbasierte Impfstoffe auch seltener Nebenwirkungen. Allerdings fällt auch die Impfantwort schwächer aus.
Verstärkte Wirkung durch Adjuvanzien
Um die Impfantwort zu verstärken, werden den Impfstoffen deshalb Wirkverstärker, sogenannte Adjuvanzien, zugefügt. Bei Novavax besteht das Adjuvans aus Nanopartikeln, die aus Saponinen (also ein Seifenbaumextrakt) und aus Phospholipiden (Membranbestandteilen) bestehen.
Bestimmte Adjuvanzien wie z.B. Aluminiumsalze sind nach Auffassung von Impfgegnern gesundheitsschädlich. Allerdings wurde in entsprechenden Metastudien kein Zusammenhang zu schweren Nebenwirkungen oder Allergien nachgewiesen.
Langwierige Entwicklung
Bevor mRNA-Impfstoffe durch die Corona-Pandemie ihren Durchbruch feierten, galten proteinbasierte Impfstoffe als eine besonders zukunftsweisende, ausgereifte Technik, sagt Prof. Dr. Carlos Alberto Guzman, der Leiter der Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig: "Proteinbasierte Impfungen sind einfach sehr gut bekannt, werden in der Regel besser toleriert, und es gibt da keine großen Fragezeichen. Ein Nachteil ist, dass die Entwicklung von proteinbasierten (Impfstoffen) länger dauert als bei Vektoren- oder mRNA-Impfstoffen."
In der Tat war schon zu Beginn der Pandemie klar, dass die Entwicklung von proteinbasierten Impfstoffen gegen das neue Coronavirus dauern würde. Denn es braucht einfach Zeit, die Bauanleitung für ein Spike-Protein in den aus Mikroben, Säugetieren, Insekten oder Pflanzen gewonnenen Zellen zu integrieren. Die letzten Monate haben gezeigt, wie aufwändig es ist, die gereinigten Proteine so anzupassen, dass sie wirklich fehlerfrei im großen Maßstab produziert werden können.
Leider sind auch den großen Pharmakonzernen bei der Entwicklung und Testung vermeidbare Fehler unterlaufen, die sie teilweise um Monate zurückgeworfen haben. Aber wenn die Entwicklung und die nötigen klinischen Tests erst einmal abgeschlossen sind, dann sind diese proteinbasierten Impfstoffe ernstzunehmende Konkurrenten für die bereits etablieren Vektor- und mRNA-Impfstoffe.
Wie wirksam sind Corona-Proteinimpfstoffe?
Proteinbasierte Impfstoffe sind nicht nur günstiger und leichter zu transportieren, sondern auch effektiv. Mit einer Gesamtwirksamkeit von 90,4% liege der Impfstoff von Novavax laut Unternehmensangaben mit den mRNA-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna etwa gleich auf. Diese Zahlen stammen allerdings aus der Mitte des Jahres aus den USA und Mexiko.
Bei einer britischen Studie, bei der bereits die Alpha Variante kursierte, kam Novavax auf eine Wirksamkeit von 83 Prozent. Bei einer zeitgleich stattfindenden Studie in Südafrika lag die Wirksamkeit durch die Beta-Variante nur noch bei ca. 50 Prozent. Und bei der Delta- oder My-Variante sähe es vermutlich noch finsterer aus. Aber wenn sich die Varianten weiter so aggressiv ausbreiten, wird die Effektivität auch bei allen vorhanden Vakzinen weiter abnehmen. Deshalb braucht es den Booster.
Doppelter Schutz vor SARS-CoV-2 und Influenza
Schlauerweise kann der Novavax-Impfstoff auch als Kombinationsimpfstoff verabreicht werden, der gleichzeitig vor dem Coronavirus und der saisonalen Grippe schützen soll. Das könnte sich als clevere Strategie erweisen, denn dann müsste man nicht mehr zwischen den Impfungen warten und könnte sich gleich gegen beides impfen lassen.
In einer Studie wurden die beiden Impfstoffe allerdings noch mit zwei Spritzen gegeben. Laut Guzman "stellt der kürzlich erschienene Preprint des Novavax-Protein-COVID-19-Impfstoffs NVX-CoV2373 einen Durchbruch dar. Er liefert den ersten Nachweis, dass ein COVID-Impfstoff gleichzeitig mit einem saisonalen Influenza-Impfstoff in zwei verschiedenen Armen verabreicht werden kann, ohne dessen Wirksamkeit zu beeinträchtigen."
Zentrale Rolle in der globalen Impfkampagne
Auch wenn viele europäische Länder angesichts der hohen Infektionszahlen sehr mit sich selbst beschäftigt sind, bleiben sie der globalen Pandemiebekämpfung verpflichtet.
Deutschland zum Beispiel hat bislang 107 Millionen Impfdosen an die internationale Impfstoffplattform COVAX abgegeben, die bislang 144 Länder und Regionen mit insgesamt über 504 Millionen Impfstoffdosen u.a. von AstraZeneca, Johnson & Johnson, Moderna, und BioNTech versorgt hat. Insgesamt will Deutschland mindestens 175 Millionen Dosen an Schwellen- und Entwicklungsländer abgeben. Damit ist es laut Auswärtigem Amt weltweit der zweitgrößte Spender.
Die Europäische Union will mindestens 500 Millionen Dosen Impfstoffe abgeben, die USA spendeten bislang circa 252 Millionen Dosen. Die G7-Staaten wollen gemeinsam mindestens 870 Millionen Dosen bis Ende 2022 zur Verfügung stellen.
Neben den vorhandenen Impfstoffen werden bei Impfkampagnen in strukturschwachen Regionen nach Zulassung dann aber wohl vor allem proteinbasierte Impfstoffe zum Einsatz kommen. Novavax zum Beispiel hat COVAX bereits über eine Milliarde Dosen zugesagt.
Laut dem Unternehmen könnten monatlich zunächst 100 Millionen Impfdosen und später sogar 150 Millionen Impfdosen pro Monat hergestellt werden. "Viele unserer ersten Dosen werden in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen gehen, und das war von Anfang an das Ziel", sagte Novavax-Chef Stanley Erck zur Beantragung der Notfallzulassung bei der EMA.