Coronavirus wirft Schatten auf Olympia
4. Februar 2020Chinas staatliche Anti-Doping-Agentur (CHINADA) setzt knapp sechs Monate vor den Olympischen Spielen in Tokio "vorübergehend" seine Dopingkontrollen aus. Dieser Schritt ist eine Reaktion auf die Coronavirus-Epidemie. "Wir sind in der augenblicklichen Situation vorsichtig, um Athleten oder Kontrollbeamte nicht zu gefährden", meldete die Internationale Test-Agentur (ITA). "Obwohl die Bedeutung von Anti-Doping-Aktivitäten anerkannt wird, liegt die Priorität auf der Aufrechterhaltung der öffentlichen Gesundheit für alle."
Die CHINADA werde ihre Tests "nach und nach wieder aufnehmen, sobald sich die Situation verbessert", sagte die ITA und fügte hinzu, dass geprüft werde, ob "private Anbieter" Tests durchführen könnten. "Wir sind noch sechs Monate von den Spielen in Tokio entfernt", sagte eine ITA-Sprecherin. "Es ist in der Tat wahrscheinlich, dass dies Auswirkungen auf die Testmissionen in China haben wird und Lösungen gefunden werden müssen."
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) beobachtet den Fortgang in China. "Wir unterstützen die CHINADA bei der Umsetzung eines Plans, der die Integrität des Anti-Doping-Programms in China aufrechterhalten wird", sagte ein WADA-Sprecher.
Es sei Aufgabe von Anti-Doping-Organisationen wie ITA und CHINADA, sicherzustellen, dass "die Athleten trotz des Ausbruchs weiterhin ordnungsgemäß getestet werden". Im Jahr 2017 war man laut WADA mit mehr als 10.000 Tests drittfleißigste nationale Agentur nach Deutschland und Großbritannien.
Sorge in Tokio
Der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, bezeichnete das neuartige Virus als "das größte Risiko auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Tokio". "Das ist ein ernst zu nehmendes Problem", so Hörmann weiter, "weil es keinen anderen Bereich im Leben gibt, der mehr vom internationalen Austausch lebt als der Sport." Ebenfalls vom Coronavirus alarmiert, schlägt Tokios Gouverneurin rund ein halbes Jahr vor Olympia Alarm: "Wir müssen den neuen Coronavirus energisch angehen, um ihn einzudämmen oder wir werden es bereuen", mahnte Yuriko Koike. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) stehe "mit der Weltgesundheitsorganisation WHO und seinen eigenen Experten in Verbindung", teilte das IOC auf Anfrage mit. "Maßnahmen gegen ansteckende Krankheiten sind ein wichtiger Bestandteil der Pläne für Tokio 2020, um sichere Spiele zu bieten."
In Japan sind bisher 20 Fälle des neuen Erregers bestätigt worden. Aus Angst vor weiteren Ansteckungen mit der Lungenkrankheit werden bereits drastische Maßnahmen ergriffen. Eine Absage der Olympischen Spiele, die am 24. Juli beginnen sollen, wird bislang aber nicht in Erwägung gezogen.
Absagen bei Leichtathleten und Skifahrern
In China sind dagegen bereits sportliche Großveranstaltungen abgesagt worden: So wurden die Spiele in der asiatischen Fußball-Champions-League, an denen chinesische Vereine beteiligt sind, verschoben. Das für den 21. März geplante Formel-E-Rennen im chinesischen Sanya ist abgesagt worden. Auch die Leichtathletik-Hallen-WM wird nicht wie geplant vom 13. bis 15. März in Nanjing stattfinden. Zudem hat der Internationale Skiverband FIS die für den 15. und 16. Februar geplanten alpinen Weltcup-Rennen der Männer in Yanqing abgesagt. "Es ist sehr bedauerlich, dass wir zu dieser schwierigen Entscheidung gezwungen wurden, da es sich um den ersten FIS-Ski-Weltcup in China überhaupt und den ersten offiziellen Test für Olympia 2022 in Peking handelt", sagte FIS-Präsident Gian Franco Kasper.
Den deutschen Fahrern wie Thomas Dreßen hätte es ohnehin freigestanden, selbst über die Teilnahme zu entscheiden, betonte Stefan Schwarzbach vom deutschen Skiverband (DSV) gegenüber der DW, bevor die FIS-Entscheidung fiel: "So haben wir es in vergleichbaren Fällen gehandhabt. Wir stimmen uns üblicherweise mit der medizinischen Kommission des DOSB ab, die uns und den Sportlern solchen Situationen eine Einschätzung gibt."
Dabei wäre das Infektionsrisiko gar nicht die größte Sorge gewesen. Verband, Teams und beteiligte Ski-Firmen hatten eher gefürchtet, dass während der Wettkämpfe eine Situation eintreten könnte, in der die Teams nicht mehr aus dem Land reisen dürften. Da die Wettkämpfe abgesagt sind, muss man sich diese Gedanken nun nicht mehr machen.
Experte: Strikte Regelungen zur Bekämpfung des Virus sinnvoll
Ein Szenario, das nicht von der Hand zu weisen ist, weil die chinesische Regierung, anders als 2002 beim Ausbruch von SARS, mit demonstrativer Entschlossenheit den Ausbruch der Lungenkrankheit bekämpft und unter anderem strikte Reisebeschränkungen verhängt hat. Sportveranstaltungen wie die für Februar geplanten asiatischen Hallenmeisterschaften in der Leichtathletik in Hangzhou wurden abgesagt, einige weitere in andere Länder verlegt. Ein richtiger Schritt aus Sicht von Professor Martin Exner. "Die chinesischen Behörden haben sich zu sehr weitgehenden Maßnahmen entschlossen, weil davon auszugehen ist, dass wir noch nicht viel über Quelle und Übertragung der Krankheit wissen", erklärt der Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Uniklinik in Bonn, "Menschenansammlungen, wie zum Beispiel in einem Stadion, sind erst einmal zu vermeiden. Das sind bewährte Maßnahmen."
Zum jetzigen Zeitpunkt sei das Risiko einer Ausbreitung groß, so Exner, und solange kein Impfstoff oder eine wirksame Therapie gefunden sei, gelte es mit den klassischen Maßnahmen der Hygiene die Krankheit einzudämmen. "Dabei ist die Weltgesundheitsorganisation WHO eine ganz entscheidende Institution", unterstreicht der Experte. Auf Basis deren Risikoeinschätzung treffen auch die Sportverbände ihre Entscheidungen. Entwarnung könne es erst geben, wenn die Zahl der Infektionen stagniere oder sinke, "aber dieser Punkt ist derzeit nicht abzusehen."
Das Virus und der Traum von Olympia
Dass Behörden und WHO-Experten aufmerksam sind, um die Krankheit in Schach zu halten, hält Sportmediziner Dr. Michael Fritz für wichtig, sieht aber für große Virusangst keinen Anlass. "Was wir bis jetzt über die Krankheit wissen, lässt den Schluss zu, dass sie nicht schwerwiegender verläuft oder tödlicher ist als die normale Grippe", erklärt Fritz. Während der letzten schweren Grippewelle im Winter 2017/18 waren allein in Deutschland rund 25.000 Menschen gestorben. "Trotzdem wurde kein einziger Bundesliga-Spieltag abgesagt, obwohl da auch jeweils zehntausende Fans im Stadion sind", gibt Fritz zu bedenken.
Warum dagegen Athletinnen und Athleten einen Infekt mit dem Coronavirus fürchten, ist klar. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen, für die meisten ein absolutes Karriere-Highlight, wäre in Gefahr. Ein Infekt würde die Vorbereitung komplett aus der Bahn werfen, oder könnte sogar langfristige Folgen haben. "Solche schwerwiegenden Viruserkrankungen können eine Herzmuskelentzündung auslösen", erklärt Sportmediziner Fritz. Es dauere mitunter lange, um danach wieder die volle Leistungsfähigkeit zu erreichen.