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Das Weltverbesserer-Telefon 2.0

Maximiliane Koschyk20. August 2015

Das Fairphone will nachhaltig sein - für seine Verbraucher und Produzenten. Über 60.000 Geräte wurden bereits verkauft, jetzt kommt eine neue Version auf den Markt. Doch wie fair ist es wirklich?

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Module des Fairphone 2
Bild: Fairphone

Es gibt es: Das Smartphone, dessen zerbrochener Bildschirm einen nicht gleich verzweifeln lässt. Mit nur ein paar Handgriffen lassen sich ein kaputtes Display austauschen oder ein neuer Akku einsetzen. Fairphone heißt das Gerät. Sein Erfinder will nicht nur die Lebensdauer von Mobiltelefonen verlängern, sondern auch die Arbeitsbedingungen bei seinen Produzenten verbessern.

Seit Jahren kritisieren Organisationen wie China Labour Watch die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in den Fabriken. Auch der der Abbau von sogenannten Konfliktmetallen ist für die Industrie ein großes Problem. Sie werden für die Elektronik der Geräte benötigt. Coltan etwa wird vor allem im rohstoffreichen Kongo abgebaut. In dem Land herrscht seit langem ein Bürgerkrieg, der auch mit dem Profit aus dem Coltanabbau finanziert wird. Zudem werden in den Minen Kinder zur Arbeit gezwungen. All das soll es bei der Produktion des Fairphones nicht geben.

Konfliktfreie Kalimbi-Mine Kongo
Konfliktfreie Kalimbi-Mine im KongoBild: DW/J. van Loon

Nichts ist so fair wie es heißt

Was vor zwei Jahren noch ein Traum für Weltverbesserer war, kann man jetzt kaufen. "Das Fairphone ist ein echtes Telefon, ein echtes Produkt, es existiert wirklich", sagt Bas van Abel. Er ist der Erfinder des Fairphones und Chef des gleichnamigen Herstellers aus den Niederlanden. Es klingt fast, als könne er es selbst nicht glauben, als wäre das alles zu schön um war zu sein. Ein bisschen ist es das auch.

Auch wenn die über 60.000 verkauften Geräte noch lange nicht an die Zahlen der Marktführer herankommen, für van Abel war das erste Fairphone war ein großer Erfolg. Im November soll die zweite Version auf den Markt kommen. Doch das Fairphone ist nicht so fair, wie es sein Name suggeriert. "Es hätte unsere Marke zerstört, wenn wir behauptet hätten, das Telefon sei zu Hundert Prozent fair", sagt van Abel. "Wir wollten eine Diskussion entfachen, darüber was fair ist und was nicht." Bei dem Namen Fairphone würde man sich doch fragen, was falsch sei mit seinem Telefon, erklärt van Abel das Konzept: "Es ist nicht das Endprodukt, sondern der Anfang eines Fortschritts."

Stattdessen soll durch das eben etwas fairere Telefon ein Schritt nach dem anderen das ganze Wirtschaftssystem um das Produkt herum umgekrempelt werden. "Wir wollten zeigen, dass es eine Bedarf für ethische Elektronik gibt", sagt van Abel. Das sich die Arbeitsbedingungen für jene am obersten Ende der Produktionskette ändern mussten, war klar. Aber auch stromabwärts, beim Käufer sollte ein Umdenken stattfinden.

Der Kunde muss Hand anlegen

Hersteller und Verbraucher seien für die Nutzdauer eines Telefons gemeinsam verantwortlich. "Ich nenne es die psychologische Lebensdauer eines Telefons", sagt van Abel. "Als Hersteller können wir eine Geschichte erzählen, die Produktionsketten offenlegen und zeigen, wo das Produkt herkommt." Am Ende aber entscheide der Konsument, ob er ein kaputtes Telefon reparieren oder wegwerfen will.

Fairphone CEO Bas van Abel
Fairphone-CEO Bas van AbelBild: Fairphone

Durch die modularen Bausteine lassen sich bei einem defekten Fairphone viele Schäden selbst beheben. Zum Beispiel abgenutzte Akkus, die bei vielen Geräten fest eingebaut sind und sich nicht austauschen lassen. Beim Fairphone kann der Besitzer die Komponenten einfach nachbestellen, anstatt das kaputte Telefon komplett zu entsorgen. "Wenn wir bewirken können, dass Leute ihre Telefone fünf statt zwei Jahre benutzen, dann müssen auch weniger Telefone produziert werden."

Stromaufwärts in der Produktionskette gestaltet sich der Wandel schwieriger. Wie viele Hersteller entschied sich Fairphone für China als Produktionsstandort und wollte zeigen, dass man es auch vor Ort besser machen kann. Der Fortschritt ist mühsam: Für die Produktion des Fairphones wird wöchentlich bis zu 60 Stunden gearbeitet, bei einem Mindestlohn von 1050 Yuan (148 Euro) pro Monat. Ein Sozialfonds aus den Gewinnen soll die Arbeiter zusätzlich unterstützen. Auch die Metalle Gold, Zinn und Coltan kommen aus konfliktfreien Minen. Die Herkunft der einzelnen Rohstoffe legt das Unternehmen auf seiner Internetseite offen.

Der Finanzierungsprozess des Unternehmens ist ebenfalls transparent. Damit jedes Gerät seine Herstellung wert ist, wird erst ab einer bestimmten Bestellmenge produziert. So konnte man unabhängig von Investoren bleiben. Der Gewinn aus dem Verkauf des ersten Fairphone nutzten die Hersteller, um das neue Telefon komplett selbst zu entwerfen.

Davon profitiert auch der Verbraucher: Damit ein langlebiges Telefon auf Dauer attraktiv für seinen Nutzer ist, muss es sich entlang neuer Bedürfnisse entwickeln können. Beim ersten Fairphone erlaubte der Chiphersteller nicht die Offenlegung des Quellcodes, das ist jetzt aber möglich. Auch das Betriebssystem soll sich zukünftig leichter aktualisieren lassen. Es wird bereits mit der neusten Android-Version Lollipop geliefert. Auch für den schnellen Datenverkehr via 4G/LTE ist es gerüstet.

Der Spitzenreiter der Weltverbesserer

Das neue Fairphone steht nicht nur für den Anfang einer Entwicklung, es führt diese an. Denn es ist nicht das einzige nachhaltige Telefon: Auch große Konzerne versuchen sich daran. Der Elektronik-Riese Samsung brachte zeitgleich sein Smartphone Galaxy S4 als nachhaltig zertifiziertes Smartphone auf den Markt. Doch an den Standard des Fairphones kommen derartig zertifizierte Telefone bei weitem nicht heran, ergab jetzt eine Studie der Organisation Good Electronics.

Nicht nur das gute Gewissen, sondern auch der Spieltrieb interessiert die Konkurrenz am Fairphone. Ein Telefon zum Selberbauen - die Idee an sich löste im Internet einen Begeisterungssturm aus. Die Bastelfreude der Telefonnutzer erkannte auch Internetkonzern Google. Bereits dieses Jahr wollte es ein eigenes modulares Smartphone vorstellen, aber das Zusammenstecken dauert wohl noch etwas. Wie das Entwicklerteam auf seinem Twitter-Account verlauten ließ, soll "Project Ara" nun erst im kommenden Jahr fertig sein.