Rumänien Krise
1. Februar 2012
Zum ersten Mal seit dem Sturz des kommunistischen Regimes 1989 ist in Rumänien ein Ex-Ministerpräsident zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Der Oberste Gerichtshof in Bukarest verhängte Anfang der Woche (30.01.2012) gegen den früheren sozialdemokratischen Regierungschef Adrian Nastase eine zweijährige Gefängnisstrafe wegen illegaler Parteienfinanzierung. Die Anklage hatte Nastase vorgeworfen, seinen Präsidentschafts-Wahlkampf 2004 mit getarnten Spenden in Höhe von rund 1,7 Millionen Euro finanziert zu haben. Nastase kündigte Berufung gegen das Urteil an, das aus seiner Sicht ein "Ergebnis politischen Drucks auf die Richter" sei.
Das Urteil ist eine absolute Premiere in dem Land, das trotz seines EU-Beitritts vor fünf Jahren wegen erheblicher Defizite im Justizwesen und bei der Korruptionsbekämpfung ständig unter Beobachtung der EU-Behörden steht. Mehrmals hat die EU den Verantwortlichen in Bukarest vorgeworfen, nicht entschieden genug gegen die Korruption im öffentlichen Sektor vorzugehen. Sogar der Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum wurde wegen dieser Defizite verschoben.
Bürger sind unzufrieden
In Zeiten politischer und wirtschaftlicher Normalität hätte der Richterspruch gegen einen korrupten früheren Regierungschef für wesentlich mehr Aufsehen in Bukarest gesorgt. Doch der seit Jahren schwelende Parteienstreit und dazu noch die tiefe Wirtschaftskrise haben den Frust der Bürger in eine andere Richtung gelenkt. Immer mehr Menschen fordern die Absetzung der konservativen Regierung und des immer unbeliebteren Staatspräsidenten Traian Basescu. Der knallharte Sparkurs, der sowohl von Brüssel als auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gelobt wird, trieb in den letzten Wochen Tausende Demonstranten auf die Straßen. Regierungschef Emil Boc von der Demokratisch-Liberalen Partei (PDL) entließ zwar - auch auf Druck der Bevölkerung - seinen Außenminister wegen dessen abfälligen Bemerkungen über die Demonstranten, doch die Proteste wurden fortgesetzt.
Die sozial-liberale Opposition witterte Morgenluft und forderte erneut - wie schon häufig zuvor - die Absetzung des Präsidenten und vorgezogene Neuwahlen. Als erste politische Maßnahme kündigten die in einem Zweckbündnis (USL - Sozial-Liberale Union) zusammengewachsenen Sozialdemokraten (PSD) und National-Liberalen (PNL) einen Boykott des Parlaments an. Erste liberale Abgeordnete legten sogar ihr Mandat nieder und hoffen, dadurch die Auflösung des Parlaments herbeizuführen.
Ex-König an der Spitze der Beliebtheitsskala
Die Opposition sieht sich in ihren Bestrebungen gestärkt durch eine aktuelle Umfrage, in der die beiden Vorsitzenden des Bündnisses - Victor Ponta, PSD, und Crin Antonescu, PNL - an zweiter und dritter Stelle mit 25 und 22 Prozent der Stimmen liegen. Basescu und sein Premierminister Emil Boc stehen mit acht und sieben Prozent schlechter da als je zuvor. Erschreckend in diesem Stimmungsbarometer ist der Aufstieg des ultranationalistischen Europarlamentariers Corneliu Vadim Tudor auf Platz 4. Einsame Spitze in der Beliebtheits-Skala der rumänischen Politiker ist der 90-jährige frühere König des Landes, Michael I., mit fast 37 Prozent - ein klares Zeichen gegen das gesamte politische Establishment.
Der Ex-Monarch scheint für viele Rumänen die letzte Integrationsfigur zu sein, die das Land - 22 Jahre nach dem blutigen Sturz des Diktators Nicolae Ceausescu - noch retten kann. Die post-kommunistische politische Klasse gilt vielen nicht nur als korrupt, sondern zunehmend als unfähig, die Dauerkrise in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu lösen. Eine öffentliche Debatte wurde losgetreten, ob die konstitutionelle Monarchie - wie in Skandinavien oder Großbritannien - nicht auch für Rumänien eine bessere Variante wäre als der gegenwärtige Mix aus parlamentarischer und Präsidial-Republik. Auch wenn sich keine Mehrheit für die Monarchie finden wird: Die Menschen in Rumänien wünschen sich ein Ende des politischen Machtkampfes und vor allem eine spürbare Linderung der Folgen der Sparpolitik die sie ertragen müssen.
Autor: Robert Schwartz
Redaktion: Zoran Arbutina