Der erste Test in Iowa
3. Januar 2012Noch nie, so sagen die Experten, habe es ein so großes Kandidatenfeld gegeben, bei dem ein Favorit so schwer auszumachen sei. Noch Anfang Dezember war es Newt Gingrich, der sich im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner siegessicher gab: "Ich werde der Kandidat sein", erklärte er dem US-Fernsehsender ABC. Bei einem Blick auf die Meinungsumfragen sei das doch wohl ganz klar, fuhr er fort. Der zum dritten Mal verheiratete Republikaner gilt als intelligenter und brillanter Stratege mit großen Ideen, aber gleichzeitig unberechenbar. Es fehlt ihm die Unterstützung der konservativen Basis der Partei. Und so erlebte Gingrich nur kurze Zeit später, dass eine umfangreiche negative Wahlkampagne seiner Rivalen Früchte trug und auch sein Stern in der Gunst der Wähler in Iowa wieder sank.
Sein Nachfolger im Rennen der Republikaner: Rick Santorum. Der 56-jährige frühere Senator aus Pennsylvania galt noch bis vor kurzem als chancenlos, und betrachtet man die Nation als Ganzes, hat sich daran wohl wenig geändert. In Iowa aber hat der Erzkonservative, der Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe strikt ablehnt, einen umfangreichen Wahlkampf betrieben, der sich auszahlen könnte. Denn konservative Werte kommen an bei den republikanischen Wählern in dem Farmstaat im Herzen Amerikas. Santorum vertritt sie glaubhaft. Als er seine Kandidatur verkündete, erklärte er: "Das grundsätzliche Ziel der USA ist es, zu garantieren, dass jeder Mensch frei ist." Dieses Grundrecht, erklärte er weiter, sei derzeit in Gefahr, und zwar mehr als jemals zuvor. "Eine Gruppe von Leuten, angeführt von Präsident Obama, glaubt, dass Amerikas Stärke in der Regierung liegt und nicht seinen Menschen."
Wieso Iowa?
Durch seinen ersten Platz in der Reihe der Vorwahlen hat Iowa einen besonderen Stellenwert. 1972 hatte es sich zufällig so ergeben - und seitdem besteht Iowa auf dem Privileg. Simon Conway, populärer konservativer Radiomoderator in der Hauptstadt Iowas, Des Moines, erklärte in einer Telefonkonferenz des Foreign Press Centers, die überschaubare Größe des Bundesstaates rechtfertige den besonderen Status: "Wir sind groß genug, um bedeutsam zu sein, aber klein genug, dass Kandidaten, die nur wenig Geld haben, hier einen Eindruck hinterlassen können."
Manche Kandidaten setzen sich zum Ziel, alle 99 Bezirke des Bundesstaates persönlich zu besuchen. "Wenn man das in Texas, Kalifornien oder Florida versuchen würde", so Conway, "würde das schwierig und würde vor allem den beliebten Kandidaten gelingen, die viel Geld zur Verfügung haben." Dann aber würde es nicht mehr um Politik sondern um Geld gehen.
Dennoch ist das ländliche Iowa nicht repräsentativ für den Rest des Landes. Über 92 Prozent der rund drei Millionen Einwohner sind weiß, landesweit sind es gerade 72 Prozent. Zur Wahl gehen nur ein Bruchteil. Die tatsächliche Zahl ist schwer vorherzusagen, vermutlich sind es einige Hunderttausend. Sie bestimmen also, wer als erster im Rennen um die Präsidentschaft Schlagzeilen macht. Und legen Wert auf konservative Werte, die sich bei den Wählern im Rest des Landes – vor allem bei den für den Wahlerfolg so wichtigen unabhängigen Wählern – als Ballast erweisen können.
Ständig wechselnde Favoriten
Dabei hatte in Iowa bisher tatsächlich nahezu jeder Kandidat seine Sternstunde. Zuerst lag Michele Bachmann in der Gunst der Wähler vorn. Die 55-jährige Kongressabgeordnete aus Minnesota wurde aber als zu substanzlos befunden. Es folgte: Der Texanische Gouverneur Rick Perry. Doch einige verheerende Auftritte unter anderem bei Fernsehdebatten bestärkten die Zweifel, dass der 61-Jährige für die große Bühne nicht geeignet ist. Seine Anhänger liefen zu Herman Cain über. Doch der 66-jährige ehemalige Pizza-Ketten-Manager musste seine Kampagne bereits beenden, nachdem Vorwürfe von sexuellen Belästigungen gegenüber Angestellten und eine außereheliche Affäre bekannt wurden.
Einzige beständige Größe: Mitt Romney. Der 64-jährige ehemalige Gouverneur von Massachusetts gilt als zu liberal. Er hat in seinem Bundesstaat eine Krankenversicherung eingeführt, die der nationalen von Präsident Obama sehr ähnlich ist, und gegen die die Republikaner Sturm laufen. Er bemüht sich seitdem um so mehr um ein konservatives Image – was sein Image als Wendehals verstärkt. Es gibt wohl kein Thema, bei dem er seine Meinung nicht geändert hat. Außerdem ist er als Mormone den konservativen Christen suspekt. Doch Romney hat bisher die glatteste Vorstellung abgeliefert.
Der Beständige und der Unbequeme liegen vorne
Mitt Romney hat sich in den Fernsehdebatten souverän gegeben und bisher keinen Schnitzer erlaubt. Es ist bereits sein zweiter Anlauf im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur. Romney hat also Erfahrung. Das macht gelassen. In seinen Wahlkampfauftritten greift Mitt Romney auch weniger seine Rivalen sondern direkt Präsident Obama an: "In diesem Wahlkampf geht es um unsere Werte", sagt er bei einem Fernsehinterview und fährt fort: "Ich glaube, dass dieses Land in eine sehr unglückliche und zerstörerische Richtung geführt wird, von einem Präsidenten, der die Wirtschaft und das Land nicht wirklich versteht." Er könne Amerika wieder flott machen, verspricht er. Romney gilt as derjenige, der Präsident Obama tatsächlich schlagen könnte. Ein entscheidendes Plus, das für viele Wähler entscheidend ist.
Doch in Iowa gibt es noch einen anderen Kandidaten, der gute Umfragewerte erzielt und das Feld aufmischen könnte: Ron Paul. Der 76-jährige texanische Abgeordnete gilt als Exot: Er vertritt die Schule der Libertär-Konservativen. Auch er will den Einfluss des Staates auf ein Minimum begrenzen, hat aber in vielen Bereichen besondere Ansichten, die vielen traditionell Konservativen zu weit gehen.
So hat er sich gegen die Kriege in Irak und Afghanistan ausgesprochen und will, dass sich die USA international zurückhalten. Bei einem Wahlkampfauftritt in Des Moines sagte er: "Unser Land ist bankrott, wir können unsere Rechnungen nicht bezahlen, wir borgen immer weiter Geld, geben es immer weiter aus, drucken immer mehr Geld – aber wir können unsere weltweiten Einsätze nicht aufrecht erhalten." Deswegen, seine Schlussfolgerung, "müssen wir uns unsere Außenpolitik sehr genau ansehen und überlegen, ob wir in 130 Ländern mit 900 Stützpunkten präsent sein müssen." Seiner Ansicht nach sind dies zu viele, "es ist Zeit, von den meisten dieser Orte nach Hause zu kommen." Für Paul ist es der dritte Anlauf. Seine großen Vorteile: Er hat Erfahrung, Geld und sehr treue und zahlreiche Anhänger, die vor allem in Iowa sehr aktiv sind.
Doch wie auch immer das Rennen am 3. Januar ausgeht: Der Sieger steht damit noch lange nicht fest. Nur in ungefähr der Hälfte der Fälle setzen die Wähler in Iowa auf den Präsidentschaftskandidaten einer Partei. Beim letzten Mal hat es bei den Demokraten geklappt: hier gewann der jetzige Präsident Barack Obama. Bei den Republikanern aber gewann 2008 Mike Huckabee, der letztlich von John McCain um Längen geschlagen wurde. Doch es geht ja weiter. Die nächsten Vorwahlen sind schon eine Woche später, in New Hampshire.
Autor: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Rob Mudge