Der ewige Arjen Robben
18. Mai 2019Arjen Robben schaute schon die ganze Zeit zu dem Eingang und wartete auf die jungen Damen mit den überdimensionalen Biergläsern in der Hand. Kaum hatte die erste Trägerin den Rasen der Münchner Arena betreten, sprintete der 35-Jährige ihr wie zu seinen besten Zeiten entgegen und schnappte sich das erste Glas.
Robben schaute dann kurz, nahm Kurs auf Niko Kovac, der ihm den Rücken zugewandt hatte und leerte das Glas mit Weizenbier über dem völlig überraschten Trainer der Münchner aus. Vielleicht war das eine kleine, augenzwinkernde Rache, weil Kovac ihn fast 70 Minuten lang hatte auf der Ersatzbank schmoren lassen. Und wenn der Niederländer etwas nicht mag, dann zuschauen, wenn andere Fußball spielen, obwohl er mitmischen könnte.
Kovac musste erst einmal tief durchatmen und schüttelte sich das Bier aus Haaren und Anziehsachen. Der siebte Meistertitel der Münchner in Folge und der erste für Kovac als Bayern-Trainer wollte natürlich gefeiert werden. Und doch stand dieser Tag des neuerlichen bayerischen Triumphes vielmehr im Zeichen des Abschieds. Das 5:1 gegen die zeitweise völlig überforderte Mannschaft von Eintracht Frankfurt war schließlich das letzte Heimspiel von "Robbery".
Emotionalste Meisterfeier seit langem
Die berüchtigte Flügelzange der Münchner, bestehend aus Robben und Franck Ribéry, die über ein Jahrzehnt das Spiel des deutschen, mit nun 29 Titeln dekorierten Rekordmeisters bestimmt haben, nahm Abschied. Dass die beiden nach ihren Einwechslungen die letzten zwei Treffer der Partie erzielt hatten, war das gelungene Ende einer Ära, die nicht nur den Münchner Fußball, sondern die gesamte Bundesliga mit tempo- und trickreichem Spiel geprägt hatte.
Es war die emotionalste Meisterfeier der Münchner seit langem, was allerdings nicht allein mit der Titel-Entscheidung am letzten Spieltag der Saison zu tun hatte. In den vergangenen Jahren war der Titel schon einige Spieltage früher vergeben, doch besonders berührt waren die 75.000 Zuschauer vom Abschied ihrer zwei großen Lieblinge.
"Danke. Mia san mia", brüllte der Franzose Ribéry ins Stadion-Mikro, der Südkurve der Arena entgegen, wo die treuesten Bayern-Fans stehen. Dabei liefen Ribery Tränen aus den Augen. Als dann noch seine Frau zu ihm kam und ihn sanft streichelte, brach die Stimme des Franzosen endgültig, und er bekam keinen Ton mehr heraus.
Das 100. Tor bleibt Robben verwehrt
Auch der Niederländer Robben hat "diese Zeit in München für immer ins Herz geschlossen", ließ er die Anhänger via Mikrofon und mit breitem Grinsen voller Stolz und Freude wissen. Dabei hätte er sich eigentlich auch ein wenig ärgern können. 99 Tore hat Robben in seiner Zeit beim FC Bayern erzielt. Und auch das 100. hatte er gegen Frankfurt kurz vor Schluss auf dem Fuß, doch Torhüter Kevin Trapp verbaute ihm dieses Erfolgserlebnis mit einem starken Reflex.
Ein Umstand, der Robben im Normalfall wohl einige Stunden Schlaf gekostet hätte. Aber dieser Samstag war kein ganz normaler Bundesliga-Nachmittag. "Das ist nicht wichtig", sagte Robben deshalb später geradezu generös. Er, Robben, der normalerweise gar nicht genug bekommen kann von Angriffen und Toren. Er, der einst - in seiner Anfangszeit in München - als "Alleinikov" von seinen Teamkollegen verschrien war, weil er allzu egozentrisch mit dem Ball agierte, war mit sich selbst an diesem Frühlingstag in der bayerischen Landeshauptstadt ungewohnt nachsichtig.
Robben denkt an den nächsten Titel
Robben wäre aber nicht er selbst, wenn er nicht auch in einem solch besonderen Moment schon wieder an das nächste Spiel, den nächsten Titel denken würde. "Es war Wahnsinn. Heute feiern wir alle zusammen und nächste Woche setzen wir noch einen drauf", sagte Robben und blickte damit bereits auf das DFB-Pokalfinale in Berlin gegen RB Leipzig.
Dort will er unbedingt wieder dabei sein und am liebsten auch das entscheidende Tor erzielen. Wie es nach dem Pokal-Wochenende mit seiner Karriere weitergeht, ließ der Niederländer am Ende offen. "Ich weiß es nicht", sagte Robben. Dass er ganz mit dem Fußballspielen aufhört, ist nach dem kurzen, aber beeindruckenden Auftritt gegen die Frankfurter und unter Beachtung seines unbändigen Ehrgeizes nur sehr schwer vorstellbar.