Der Libanon ohne syrische Truppen
26. April 2005Endlich sind sie weg ...
"Sie waren noch nicht einmal um die letzte Kurve verschwunden, da haben wir schon auf den Straßen getanzt", sagt Mariam Madschsub strahlend. "Endlich konnten wir sagen, was wir wollten, und sie konnten nichts mehr dagegen machen." Der letzte Lastwagen mit den syrischen Soldaten war gerade abgefahren, da begann Madschsub damit, die Spuren der Vergangenheit zu tilgen. Ihre Kinder, Neffen und Nichten setzten libanesische Flaggen auf den verlassenen Posten direkt neben ihrem Haus in dem kleinen Dorf im Bekaa-Tal, die Wände wurden weiß getüncht.
Personeller Wechsel
Mit dem Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon steht das Land vor einer Neuorientierung der Beziehungen zu dem mächtigen Nachbarn. Am Tag vor dem offiziellen Ende der syrischen Truppenpräsenz hat der libanesische Sicherheitschef Dschamil al-Sajjed seinen Rücktritt eingereicht. "Sicherheitschefs werden für gewöhnlich von der Politik ernannt und sie werden ausgetauscht, wenn sie sich ändert", schrieb Sajjed in seinem Rücktrittsgesuch.
Sajjed galt seit 1990 als der mächtigste Sicherheitschef im Land und hatte großen Einfluss auf den Wiederaufbau der Sicherheitsorgane. Kritiker warfen ihm jedoch vor, sich als enger Verbündeter Syriens in die libanesische Politik einzumischen. Die syrischen Soldaten können sich auch noch bis zum 31. Mai frei in Libanon bewegen. Syrien steht international stark unter Druck, besonders durch die USA, Saudi-Arabien und Frankreich, die nach der Ermordung des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri auf dem Abzug der syrischen Truppen bestanden hatten.
Eine Ära endet
Die Hintergründe des Attentats auf Hariri sind nach wie vor ungeklärt, die Opposition wirft Syrien vor, darin verwickelt zu sein. Unterstützung erfährt Syrien im Libanon vor allem deshalb, weil die syrischen Truppen maßgeblich daran beteiligt waren, den Bürgerkrieg zu beenden, der zwischen 1975 und 1990 im Libanon tobte. Syrien galt seit dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs 1990 als Ordnungsmacht im Libanon. Zeitweise waren 40.000 syrische Soldaten im Libanon stationiert.
Normalität kehrt ein
Die Bewohner der Dörfer dort interessiert das alles im Moment wenig. Sie genießen es, dass sie zum Beispiel ihre Schafe auf dem Gelände der ehemaligen syrischen Stützpunkte weiden lassen können. "Freiheit ist wunderbar", sagt der 58-jährige Salim Rabah, der nur 500 Meter von einem ehemaligen syrischen Stützpunkt entfernt lebt. Der 25-jährige Bauer Anwar Scharkijjah kritisiert die Art und Weise des Abzugs. "Die Syrer haben den Bürgerkrieg beendet. Sie waren wichtig für die Stabilität des Landes", sagt Scharkijjah. "Wir wollten, dass sie gehen. Aber sie hätten es ehrenhafter tun sollen." (arn)