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Verhaltene Erfolge

Ulrike Mast-Kirschning1. Dezember 2008

Der neue Menschenrechtsrat der UN besteht seit über zwei Jahren - doch ob das als Prunkstück der UN-Reform geplante Gremium seine Ziele erreicht, darf inzwischen bezweifelt werden.

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Blick in den vollbesetzten Sitzungssaal: Der UN-Menschenrechtsrat tagte 2007 zum fünften Mal (Foto: dpa)
Der UN-Menschenrechtsrat tagte 2007 zum fünften MalBild: picture-alliance/ dpa

Es ist ein Neuanfang für die Menschenrechte, sagte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, nachdem die UN-Generalversammlung am 15. März 2006 die Einrichtung eines Menschenrechtsrates beschlossen hatte. Damit wurde die Menschenrechtskommission abgelöst, die letztlich an ihrer fehlenden Glaubwürdigkeit scheiterte. 47 Mitglieder sollen jetzt die Menschenrechte weltweit fördern, überwachen und weiterentwickeln.

Nach der Entwicklung einer Arbeitsstruktur hat das Gremium inzwischen seine periodische Arbeit im schweizerischen Genf aufgenommen. Zeit für eine erste positive Bilanz? Keineswegs, so der Leiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt. Die ersten jetzt vorliegenden Ergebnisse würden doch auch Zweifel aufkommen lassen. "Da gibt es zum Teil bizarre Auswüchse: Wenn etwa Ägypten als ganz extremes Beispiel den Vorschlag macht, in den Niederlanden möge man doch über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachdenken. Und das kommt dann auf die Liste der Empfehlungen. Das ist natürlich absurd."

Mitgliedsländer gehen interessengeleitet vor

Zwar gelang es, diesen Vorschlag wieder von der Liste zu streichen. Doch die extrem interessengeleitete Vorgehensweise bestimmter Mitglieder, so scheint es, setzt sich offenbar im neuen Menschenrechtsrat fort. Das ein aus Regierungen zusammengesetztes Gremium auch nach politischen Gesichtspunkten entscheidet und nicht allein nach Sachlage, ist für viele Experten zwar nachvollziehbar. Aber ein deutliches Vorgehen entlang der eigenen Vorgaben, das heißt der Konventionen, die im Menschenrechtsrat ausgearbeitet und verabschiedet wurden, hatte man doch erhofft, meint Theodor Rathgeber vom "Forum Menschenrechte", einem großen deutschen Netzwerk aller Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) im Bereich der Menschenrechte.

Als NGO-Vertreter kennt er die Arbeit in Genf seit Jahren. Andere Insider sprechen gar von anti-europäischen Reflexen. Das mache sich auch regelmäßig bei den Abstimmungen bemerkbar. Die veränderte Zusammensetzung hat in der Tat das Gewicht der westlichen und lateinamerikanischen Regionalgruppe deutlich verringert: Sie sind jetzt mit sieben und acht Sitzen im Menschenrechtsrat vertreten, während Afrika und Asien mit je 13 Mandaten und die osteuropäischen Staaten mit sechs Vertretern ein starkes Gewicht haben.

Afrika will sich nicht vom Westen kritisieren lassen

Resolutionen, die sich mit der Menschenrechtslage in Afrika, etwa in Simbabwe oder Kongo beschäftigten, kommen meist gar nicht zustande. Das ist ein großes Problem, so Rathgeber, das schon in der alten Menschenrechtskommission zu ziemlichen Verwerfungen geführt habe. Die afrikanischen Länder sagen, so Rathgeber: Solange die westliche Staatengruppe nicht bereit sei, Menschenrechtsverletzungen in den USA oder im Gefangenenlager Guantanamo zu benennen, wollten sie auch keine Kritik an Ländern aus einem geografischen Raum wie Afrika hinnehmen.

Neues Überprüfungsverfahren gilt als viel versprechend

In Zukunft müssen alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen darüber berichten, wie sie die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die UN-Charta, oder die jeweils unterzeichnete Konvention umgesetzt haben. Deutschland muss diesen Bericht im Februar 2009 vorlegen. Mit diesem so genannten "Universellen Periodischen Überprüfungsverfahren (UPR)", eine der wesentlichen Neuerungen im Menschenrechtsrat, sind allseits große Erwartungen verbunden, sagt der Politikwissenschaftler Rathgeber: "Zum Beispiel Bahrein und Marokko, die nach wie vor ganz gravierende Menschenrechtsprobleme in ihren Ländern haben, haben während des Verfahrens und als Ergebnis dieses Verfahrens für sich festgestellt, dass es doch ganz gut ist, unabhängige Einrichtungen im Land zu haben, die die Lage der Menschenrechte bewerten und der Regierung entsprechend kritische Fragen stellen." Von solchen autoritär geführten Ländern hätte er das nicht unmittelbar erwartet.

Eine große Chance sehen Experten auch in der neuen Qualität der Informationsaufbereitung. Eine weltweite Dokumentation mit einem Bericht über die Sicht der Regierungen und einem Bericht über die Sicht der NGO und Menschenrechtsinstitutionen entsteht.

UN-Sonderberichterstatter sind noch stärker unter Druck

An anderer Stelle jedoch gab es Einbrüche: Die Sonderberichterstatter, die gerne als die Kronjuwelen des Menschenrechtssystems bezeichnet werden, haben einen Verhaltenskodex verordnet bekommen. Konkret verletzte Menschenrechte müssen sie erst mit den betroffenen Regierungen besprechen, bevor sie damit an die Öffentlichkeit gehen dürfen. "Hardliner wie Algerien, Ägypten, Pakistan, China, Russland, Kuba und andere setzen das Instrument sehr gezielt inzwischen ein, um die unbequemen, unabhängigen Vertreter unter den Sonderberichterstattern einfach mürbe zu machen", sagt Rathgeber vom Forum Menschenrechte. Dennoch bleiben die Sonderberichterstatter aus Sicht der Opfer von Menschenrechtsverletzungen die unmittelbar wirksamsten Instrumente des Menschenrechtsrates.

Immer wichtiger wird aber auch die Rolle der NGO, meint NGO-Vertreter Rathgeber. Von den Debatten im Menschenrechtsrat, die in der Regel eine bis anderthalb Stunden gehen, hätten die NGO ein Zeitfenster von 20 bis 30 Minuten. "Das ist immerhin schon etwas und im Vergleich zum sonstigen UN-System einzigartig. Wir haben inzwischen auch informell die Möglichkeit, an den Debatten und Auseinandersetzungen um die Texte von Resolutionen und auch bei der Einsetzung von neuen Mandaten der Sonderberichterstatter von Anfang an zumindest teilzunehmen."

Olivier de Schutter aus Belgien ist UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung (Foto: dpa)
Olivier de Schutter aus Belgien ist UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf NahrungBild: picture-alliance/ dpa
Bahrain gibt sich ein modernes Image, um die Menschenrechte ist es hingegen nicht gut gestellt: Die Skyline der Hauptstadt Manama (Foto: dpa)
Bahrain gibt sich ein modernes Image, um die Menschenrechte ist es hingegen nicht gut gestellt: Die Skyline der Hauptstadt ManamaBild: picture-alliance/dpa
Heiner Bielefeldt ist Leiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte
Heiner Bielefeldt ist Leiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte Bildrechte: Heiner Bielefeldt